Das Jazz-Duo „Dedication Unit“ begeistert bei der zweiten „Sommermusik“ mit enormer musikalischer Bandbreite.
Vielleicht hätten Joe Kenney (Vibrafon) und Ingmar Kerschberger (Altsaxofon) Martin Luthers Melodie „Vom Himmel hoch …“ gleich zu Beginn des Konzerts in der evangelischen Kirche anstimmen sollen. Denn daran hätte sich fast lehrbuchhaft zeigen lassen, wie ein Jazz-Duo eine musikalische Vorlage durch rhythmische Gestaltung, Dynamik und Improvisation modifiziert – sodass etwas Neues entsteht und die Grundmelodie dennoch erhalten bleibt.
Genau auf diese Weise bescherte das Duo „Dedication Unit“ seinen Zuhörern bei der zweiten „Sommermusik“ am Mittwochabend ein Hörerlebnis nach dem anderen. Versiert und leidenschaftlich aufspielend, präsentierten der Saxofonist und sein Partner am Vibrafon vor allem Jazz-Standards aus den 1950er- und 1960er-Jahren sowie Musical-Melodien.
Eingängig und erdverbunden
Bereits mit dem Auftaktstück „Funk-Cosity“ überzeugten Kenney und Kerschberger mit flexiblem Vibrafonspiel und melosgeprägtem Altsaxofonklang. Während der Cool Jazz vielen zu abgehoben erschien, versuchten Musiker wie Horace Silver in den 1960ern, den Jazz wieder tanzbar zu machen – ohne auf komplexe Harmonien zu verzichten. „Jody Grind“ stand dafür exemplarisch: eingängig, erdverbunden und rhythmisch pulsierend.
Auch für virtuose Soli war viel Raum, den Kenney und Kerschberger weidlich nutzten. Mit großer Spielfreude wechselten sich Saxofon und Vibrafon ab, was das Publikum mit wiederholtem Szenenapplaus honorierte.
Bittersüß und geschmeidig
Cole Porter gilt bis heute als einer der vielseitigsten amerikanischen Songwriter – nicht zuletzt wegen seiner Fähigkeit, Texte und Musik auf hohem Niveau zu verbinden. Aus dem Musical „Let’s Face It“ von 1941 hatte sich das Duo den Song „Everything I Love“ ausgesucht. Die Interpretation war geschmeidig, bittersüß, mit subtilen Phrasierungen und feinem Gespür für Struktur und Timing.
Romantisch wurde es mit der Ballade „A Nightingale Sang in Berkeley Square“ von 1937, bekannt unter anderem durch Frank Sinatra und später Rod Stewart. Kenney und Kerschberger spielten die Komposition instrumental – mit großer Feinfühligkeit und in traumhaft fließenden Passagen, die den Zauber des Moments musikalisch einfingen. Immer wieder begeisterte Zustimmung im Kirchensaal, wenn das Duo beim Vortrag feine Klangschattierungen entwickelte oder einen delikat ausbalancierten Zusammenklang von Sax und Vibrafon entstehen ließ.
Kraftvoll und mitreißend
Rhythmisch komplexer und klanglich zwischen Hard Bop und Swing angesiedelt war „Drifting“ von Herbie Hancock. Joe Kenney übertrug Hancocks Phrasierungskunst vom Klavier auf das Vibrafon und setzte durch seinen Vierschlägeleinsatz melodische und rhythmische Akzente. Kerschberger ließ sein Saxofon im besten Sinne „driften“ und nutzte die ganze Ausdrucksbreite des Instruments.
Nach der Pause überraschten „Dedication Unit“ mit Bobby Timmons’ „Dat Dere“ – einer vom Soul inspirierten, mitreißenden Nummer. Gospelhafter „Shout“-Chorus, kraftvolle Blockakkorde und elegante Unisono-Passagen ließen den Kirchensaal förmlich beben. Der Applaus war entsprechend überwältigend.
Ein unwiderstehlicher Groove
Mit „On Green Dolphin Street“ von Borislav Kaper ging es zurück in die 1940er, wo das Stück aus dem Spielfilm „Taifun“ zum Hit avancierte. Die chromatisch abwärts geführte Melodie mit Latin-Rhythmus zündete sofort.
Den lyrischen Flow brachte auch Lee Morgans Komposition „Ceora“, inzwischen ein Klassiker für Saxofon. Das Vibrafon verlieh dem Stück einen unwiderstehlichen Bossa-Nova-Groove, das Altsaxofon „sang“ förmlich. Der Applaus und „Bravo“-Rufe folgten prompt.
Locker swingend – ganz „laid back“ – begann „Ready and Able“ von Hammondorgel-Legende Jimmy Smith. Im Verlauf entwickelte sich ein mitreißendes Soul-Jazz-Feuerwerk, geprägt vom musikalischen Dialog zwischen Saxofon und Vibrafon.
Ein musikalischer Leckerbissen
Das weihnachtliche „Vom Himmel hoch …“ erklang dann in ruhigeren Tönen. Kerschberger nannte den Titel zunächst nicht, sondern erwähnte Martin Luther augenzwinkernd als „Deutschlands ersten Singer/Songwriter“.
Die geforderte Zugabe wurde zum musikalischen Leckerbissen: „Bluesette“ von Toots Thielemans, bekannt als Mundharmonika-Jazz-Hit, begeisterte in der Version für Saxofon und Vibrafon mit Eleganz und Leichtigkeit. Der stürmische Schlussapplaus war verdient.