Weil auf der Harmersbachtalbahn neue, längere Züge rollen, mussten die Bahnsteige entlang der Strecke erneuert werden. Jetzt sind sie barrierefrei und bereit für die Zukunft.


Spätestens beim Ein- oder Aussteigen dürfte es aufgefallen sein: Entlang der Strecke von Biberach bis Oberharmersbach hat sich an den Bahnsteigen einiges getan. Sie sind länger, höher, moderner – und vor allem barrierefrei. Am Mittwoch wurde am Bahnhof Zell am Harmersbach symbolisch der Abschluss des Umbaus gefeiert.
Sieben Stationen runderneuert
Vor Ort schnitten SWEG-Geschäftsführer Markus Remmel, die Bürgermeister Günter Pfundstein, Richard Weith und Jonas Breig sowie Gerd Hickmann vom Verkehrsministerium und Alexandra Roth, Leiterin des Dezernats für Infrastrukturen, Baurecht und Migration beim Landratsamt Ortenaukreis, gemeinsam ein fünf Meter langes, blaues Band durch – als Zeichen für sieben Mal hundert Meter neue Bahnsteigkante.
Umbau im Schnellverfahren
Insgesamt sieben Stationen wurden in kurzer Zeit umfassend modernisiert. Ein Grund für das schnelle Tempo: Die Strecke gehört nicht zur bundeseigenen Bahn-Infrastruktur – ein Vorteil bei Planung und Umsetzung. Im Juli 2024 ging’s los, bis Dezember war das Gröbste erledigt. Die neuen Bahnsteige sind 100 Meter lang und 55 Zentimeter hoch. Damit passen sie exakt zu den batteriebetriebenen Mireo-Zügen der SWEG, die seit 2024 durchs Tal fahren – emissionsfrei und deutlich länger als ihre Vorgänger. Zwei aneinandergereihte Fahrzeuge, wie sie in Stoßzeiten gebraucht werden, hätten an den bisherigen Bahnsteigen nicht halten können.
Moderner warten
Die neuen Bahnsteige bringen nicht nur technische Vorteile. Auch in Sachen Komfort hat sich einiges getan: neue Sitzgelegenheiten, zum Teil neue überdachte Wartehallen, Mülleimer, taktile Leitsysteme für sehbehinderte Fahrgäste und größere digitale Anzeigetafeln. Die Aktiv-Info-Systeme informieren in Echtzeit – auf Wunsch auch per Sprachausgabe. Gerd Hickmann, Leiter der Abteilung Öffentlicher Verkehr im baden-württembergischen Verkehrsministerium, nannte den Ausbau ein „Bekenntnis des Landes zu dieser Strecke“. Stichwort: Mobilitätsgarantie. „Wir wollen Schienenverkehr auch in der Fläche, die Harmersbachtal ist eine der ländlichsten Strecken im Land“, sagte er.
Land übernimmt komplette Kosten
Insgesamt hat der Umbau rund 5,9 Millionen Euro gekostet – bezahlt hat alles Baden-Württemberg im Rahmen eines Sonderprogramms für regionale Schieneninfrastruktur. Kein Cent von den Kommunen, keiner von der SWEG. Für Zells Bürgermeister Günter Pfundstein ist das Projekt „ein Riesensegen für das Tal“.
Verkehrswende auf dem Land – geht das?
Tatsächlich galt die Harmersbachtalbahn lange als Sorgenkind. In den 1990er Jahren drohte die Stilllegung. Gerade noch vier Züge pro Richtung tuckerten damals täglich durchs Tal. Heute sind es 17 – an Wochenenden immerhin 14. Das Land hat große Pläne: Bis 2030 sollen sich die Fahrgastzahlen verdoppeln. Die Strecke durchs Harmersbachtal hat dabei ein Stück weit Modellcharakter für ÖPNV abseits der Ballungsräume. „In Metropolregionen einen Taktverkehr aufzubauen ist einfach. Wir wollen zeigen, dass es auch in der Fläche geht“, so das Ministerium.
Noch nicht perfekt, aber auf einem guten Weg
Ob die neuen Bahnsteige die Pünktlichkeit verbessern, wird sich zeigen. Der Ein- und Ausstieg geht auf jeden Fall schneller, und wer auf Barrierefreiheit angewiesen ist, hat’s jetzt deutlich leichter. Unabhängig davon bleiben kurzfristige Ausfälle möglich. Etwa wenn es in Stoßzeiten eng wird mit Fahrrädern oder Kinderwagen. Die SWEG bittet ihre Fahrgäste daher um gegenseitige Rücksichtnahme.
Noch läuft die Abstimmung mit anderen Verkehrsträgern nicht automatisch. Der Nahverkehr reagiert empfindlich, schon kleine Störungen wirken sich systemweit aus. Um auf solche Situationen besser reagieren zu können, setzt die SWEG inzwischen unter anderem zusätzliches Personal ein und arbeitet an technischen Lösungen.
Und dann war da noch …
Am Rande der Feier erzählte Gerd Hickmann, er sei mit der Bahn aus Tübingen angereist – mit viermal Umsteigen und großzügigem Zeitpuffer. Gebraucht habe er den nicht: „Ich war zu früh, also bin ich einfach bis zur Endstation gefahren.“ Ganz ehrlich: Es gibt schlechtere Orte, um mit dem Zug zu fahren als durchs Harmersbachtal.