Das FORUM älterwerden hatte zu einem Bildvortrag von Dr. h.c. Wolfgang Mössinger eingeladen. Der Generalkonsul a. D. war 36 Jahre im diplomatischen Dienst und brachte viele Erinnerungen aus aller Welt mit.






Abwechslungsreich, vielseitig, bunt, am Puls der Zeit, reich an Begegnungen und Anekdoten, aber auch fordernd und zuweilen nicht ganz ungefährlich ist die Tätigkeit und der Einsatz eines Diplomaten.
Das Dasein und Wirken eines Diplomaten, als politischer Verbinder in all seinen Facetten, hat Wolfgang Mössinger reichlich erlebt. In seinem Bildvortrag nahm der Generalkonsul a.D. seine Zuseher mit auf die Zeitreise seiner fast 40-jährigen Karriere als Diplomat im Auswärtigen Amt der Bundesrepublik Deutschland.
Statt Schule: Auswärtiges Amt
„Wie wird man Diplomat?“, fragte der in Zell aufgewachsene Diplomat zur Eröffnung seines Bildvortrages. Ein bisschen Zufall, berufliche Umstände und gewisse Fügungen sollten den Karriereweg als Diplomat bestimmen. Denn nach dem Lehramtsstudium in den Fächern Deutsch, Französisch und Geschichte wollte Mössinger eigentlich Lehrer an einem Gymnasium werden.
Da er 1986 aber nach dem Referendariat aufgrund des damals herrschenden Überangebots an Lehrern nicht als Junglehrer in den Schuldienst übernommen wurde, bewarb er sich im Auswärtigen Amt. Er hatte Glück und bekam den Zuschlag. Die zweijährige Ausbildung an der damaligen Aus- und Fortbildungsstätte in Bonn bedeutete den Startpunkt für die Diplomatenkarriere.
Seine erste Aufgabe im aktiven Dienst im Auswärtigen Amt war „Im Protokoll“. Das bedeutete, ausländische Diplomaten, die in Bonn und anderen deutschen Städten akkreditiert waren, zu betreuen.
Vier Staaten in Afrika
1991 erfolgte die erste Entsendung. Es ging nach Dakar in Senegal, an die westlichste Spitze Afrikas. Als Generalkonsul der Bundesrepublik Deutschland zeichnete er fortan für die vier Staaten Senegal, Gambia, Guinea Bissau und Kap Verde verantwortlich. „Es war ein Posten, der angenehm war“, erinnert sich Mössinger. Als Kulturreferent kümmerte er sich um Schulen und um den Erhalt historisch wertvoller Gebäude.
In Gambia betreute er mehrere staatliche Entwicklungshilfeprojekte. Als Beispiel nannte Mössinger den Bau einer neuen Holzbrücke, über die Bauern mit ihren Ochsenkarren auf die Reisfelder zogen. Bei einem anderen Projekt wurden die Menschen beim Holzabbau und dem Verkauf unterstützt. In einer Schule wurde das Holz für die Herstellung von Holzbänken verwertet.
Auch bei privaten Projekten wirkte der Generalkonsul mit. Auf Initiative von Holger Obermann, einst Fußballtrainer und berühmter ARD-Sportschaureporter, wurde in einer Schule in Georgetown in Senegal ein Basketballfeld für die Schüler gebaut. Wolfgang Mössinger durfte den Platz als Vertreter der Botschaft einweihen. „Auf den Kapverdischen Inseln durfte ich einem Sieger eines Gewinnspiels der Deutschen Welle einen Weltempfänger überreichen“, erzählte er mit einem Schmunzeln im Gesicht.
Zurück nach Europa
Nach drei Jahren Dienst in Afrika folgte Wolfgang Mössinger dem Ruf nach Finnland. In dieser Zeit ist Finnland der EU beigetreten (1995). Im hohen Norden war er zuständig für Wirtschaft. Ein interessantes Thema war die 1.340 Kilometer lange Grenze zwischen Finnland und Russland, die EU-Außengrenze mit kilometerlangen Schlangen am Grenzübergang.
1997 kehrte der Diplomat zurück nach Deutschland, in das Auswärtige Amt, das sich damals noch in Bonn befand. Alle drei bis fünf Jahre Ortswechsel heißt, gewissermaßen woanders immer wieder neu starten. Das bedeutet erneut Wohnungssuche, Kindergartensuche oder Einschulung der Kinder, sich darum zu kümmern, dass die eigene Familie nicht zu kurz kommt.
Bei der Rückkehr nach Bonn war Klaus Kinkel Bundesminister des Auswärtigen Amtes. In diese Zeit fällt unter anderem auch die umfangreiche Organisation der Reise und der Besuch von Außenminister Kinkel mit gut 200 Botschaftern in das Airbus-Werk in Hamburg.
Jahre in Moskau
Im Jahr 2000 erfolgte bereits der nächste Wechsel: Dieses Mal führte der Weg an das Kulturreferat an die Deutsche Botschaft nach Moskau. Mit weniger Wirtschaft, dafür aber vielmehr Kultur im Fokus. In seinem Aufgabengebiet lag die Deutsche Schule in Moskau. Die Beutekunst war ein weiterer Schwerpunkt der Tätigkeit. Alle Kunstwerke sind noch immer Eigentum Russlands mit Ausnahme der Fenster der Marienkirche in Frankfurt/Oder.
Eine weitere Aufgabe war die Pflege der Kriegsgräber. Im Vortrag zeigte er ein Bild, das auf Vandalismus an den Gräbern hinwies.
Ein wesentlicher Teil der diplomatischen Tätigkeit war Kontaktpflege zu Künstlern wie zum Beispiel zu dem Organisten Harry Grodberg. „Die Kultur und Wirtschaft in Russland wurde stark von Deutschen beeinflusst“, so Mössinger.
Am Schreibtisch im Auswärtigen Amt
Im Jahr 2003 kehrte Mössinger in das Auswärtige Amt nach Berlin zurück. Dort folgte der Einsatz in der Wirtschaftsabteilung. Mössinger wurde dann auch Mitglied im Personalrat des Auswärtigen Amtes.
Reif für die Insel
Fünf Jahre später, im Jahr 2008, erfolgte die Berufung als Leiter des Generalkonsulates in Edinburgh in Schottland. Stolz zeigte Mössinger ein Bild von der Exequatur, die von Queen Elizabeth II. persönlich unterschrieben wurde. Die Exequatur ist die Genehmigung, dass Wolfgang Mössinger als Generalkonsul in Edinburgh tätig sein darf.
Nachdem Familie Mössinger ihr Haus in Edinburgh bezogen hatte, kamen der damalige schottische Ministerpräsident Alex Salmond und der Oberbürgermeister von Edinburgh George Grubb zu Besuch.
Im Lauf der Jahre kamen auch deutsche Politiker wie Winfried Kretschmann und Wolfgang Schäuble nach Edinburgh.
Ein Höhepunkt in seiner Tätigkeit als Generalkonsul in Schottland war die Eröffnung des deutschen Weihnachtsmarktes gemeinsam mit Edinburghs Oberbürgermeister George Grubb. Deutsche Händler hatten hier im fernen Schottland ihre Waren an Ständen angeboten.
In der Zeit seiner diplomatischen Tätigkeit in Edinburgh hatte sich Mössinger besonders für den Fremdsprachenunterricht in Deutsch in der Schule eingesetzt. Für seinen Einsatz verlieh ihm die Heriott-Watt-University die Ehrendoktorwürde.
Ein weiteres großes Anliegen war es auch, dass den Schülern im Geschichtsunterricht nicht nur über das Deutschland der Nazi-Zeit unterrichtet wird.
Ab nach Osten!
Nach vier Jahren Diplomatie in Schottland ging es weiter nach Aserbaidschan. Von 2012 bis 2015 war er der Diplomat in Baku am Kaspischen Meer.
Einsatz im Kriegsgebiet
Im Jahr 2015 wurde Mössinger als Generalkonsul von Donezk mit Dienstsitz in Dnipropetrowsk in die Ost-Ukraine berufen. Von Anfang an war er mit dem Kriegsgeschehen in der Ukraine konfrontiert, wo er die harten, unangenehmen und bisweilen gefährlichen Seiten des diplomatischen Einsatzes kennenlernte.
Mössinger zeigte eine Karte, die täglich über Medien ausgesendet wurde und die das Kriegsgeschehen dokumentierte. Die Karte zeigte, wo gekämpft wurde, sie zeigte Übergänge, die sehr gefährlich waren und wo Menschen in den Kriegshandlungen umkamen. Mössinger besuchte häufig die Kontaktlinie, wo Ukrainer auf humanitäre Hilfe angewiesen waren.
Humanitärer Einsatz im Chaos
Verschiedene Hilfsorganisationen unterstützten diese Menschen. Gemeinsam mit Helfern des Arbeiter-Samariter-Bundes machte er sich auf den Weg die Leute daheim zu besuchen und ihnen Lebensmittel zu bringen. „Früher wurde ich von der deutschen Wehrmacht vertrieben, jetzt vertreiben mich die Russen und ich komme in einem von deutschen gebauten Flüchtlingsheim unter“, klagte eine Ukrainerin bei diesem Besuch.
Last Call: Chicago
Nach den ereignisreichen drei Jahren in der Ukraine folgte die letzte Station der diplomatischen Karriere: der Ruf in die USA. Mössinger war von 2019 bis 2023 Generalkonsul in Chicago. Seine Zuständigkeit erstreckte sich über 13 US-Staaten, mit 70 Millionen Einwohnern, von denen sich 20 Millionen als deutschstämmig bezeichnen.
Im mittleren Westen der USA sind Feste, wie zum Beispiel Oktoberfeste unter den deutschstämmigen Bewohnern sehr beliebt. Mössinger wurde häufig dazu eingeladen.
Mössingers Aufgabe war es, eine in Chicago auf Privatinitiative gegründete deutsche Schule zu einer offiziell anerkannten deutschen Auslandsschule zu machen. Was auch im Interesse der deutschen Unternehmen in und um Chicago war.
Generalkonsul Mössinger besuchte zudem die Niederlassung der Firma Junker in der Nähe von Chicago. Ebenso stattete er der amerikanischen Firma AAM, die eine Niederlassung in Zell-Unterharmersbach hat, in Detroit einen Besuch ab.
Das deutsche Kulturhaus in Chicago wurde durch das Generalkonsulat finanziell unterstützt. Eine Terrasse trägt seither den Namen „Wolfgang-Mössinger-Terrasse“.
Außerdem lag ihm die Geschichte der deutschen Auswanderer am Herzen. Deshalb wurde ihm eine besondere Ehre zuteil. Ihm wurde der „Friedrich-Hecker-Freedom-Award“ verliehen.
Freedom-Award für Mössinger
Friedrich Hecker war einer der Freiheitskämpfer der Revolution 1848, die in Baden einst begonnen hatte. Hecker war nach der gescheiterten Revolution in die USA emigriert, wo er später eine führende politische Rolle eingenommen hatte.
Gefragt war er auch als Kommunikator, um Verantwortliche industrieller Kerngebiete zusammen zu bringen und sich auszutauschen. So trafen sich Verantwortliche des alten Kohleabbau im Mittleren Westen der USA mit Vertretern des Ruhrgebietes, wo die gleiche Problematik vorliegt.
Im Jahr 2023 endete seine Tätigkeit im diplomatischen Dienst. Seinen wohlverdienten Ruhestand verbringt er nun mit seiner Frau Mairéad in seinem Heimatort Zell.
Erinnerungsstücke aus aller Welt
Nach dem Vortrag hatten die Zuhörer die Möglichkeit, Erinnerungsstücke wie Urkunden, Fotos, Kalender, Schal, Broschüren und Bücher aus den Ländern seiner Tätigkeit genauer zu betrachten. Währenddessen konnte er auch Fragen der Interessierten beantworten und mit ihnen ins Gespräch kommen.
„Ich habe mir nicht vorstellen können, wie umfangreich das Aufgabengebiet eines Generalkonsuls sein kann. Und für die Familie waren diese Wechsel von Land zu Land sicher nicht einfach,“ so das Feedback einer Besucherin.
Mit viel Applaus bedankten sich die Besucher*innen ebenso das Team Forum älterwerden.