Rund 100 Personen waren der Einladung der CDU zur Begegnung mit der Ministerin für Justiz und Migration gefolgt. Nach einem ausführlichen Vortrag bestand Gelegenheit zur Diskussion, wovon reger Gebrauch gemacht wurde. Bürgermeister Günter Pfundstein bat die Ministerin, sich in das Goldene Buch der Stadt einzutragen.
Der Ortsverbandsvorsitzende der CDU, Hannes Grafmüller, freute sich, die Ministerin zu ihrem ersten Auftritt in Zell begrüßen zu dürfen. Sie habe zwar ihren Wahlkreis in Lahr, sei aber in Zell daheim. Beide, Gentges und Grafmüller, hatten zwei Tage zuvor noch zusammen beim Bundesparteitag der CDU in Berlin gesessen und über das neue Grundsatzprogramm abgestimmt. Dem britischen Beispiel folgend wird darin vorgeschlagen, dass Asylanträge in naher Zukunft in einem Drittland gestellt werden sollten. Nach Gentges soll einem Teil der Asylbewerber damit die gefährliche Fahrt übers Mittelmeer erspart werden. Zudem werde der Anreiz von vergleichsweise günstigen Sozialleistungen entfallen.
Solide Grundlage der Demokratie
An den Anfang ihrer Rede hatte Gentges das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland gestellt, das sie als das weltweit beste lobte. Obwohl 1948/49 in wenigen Monaten geboren, habe es sich in den vergangenen 75 Jahren als solide Grundlage der Demokratie bewährt. Es habe den Schutz der Würde des Menschen und die Menschenrechte an den Anfang gestellt. Durch die Einbindung in Europa sei einem eigenbrötlerischen Nationalismus die Grenze aufgezeigt worden. Die Umfragen würden zeigen, dass die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger mit der Verfassung und dem Verfassungsgericht als Hüterin zufrieden seien. Doch seien die praktischen Probleme damit nicht vom Tisch.
Begrenzung der Zuwanderung
Eine Frage, die viele Bürgerinnen und Bürger umtreibe, sei die anhaltende Zuwanderung. Hätten zum Beispiel in Baden-Württemberg noch vor vier Jahren 7.500 Asylbewerber einen Antrag gestellt, seien es im vergangenen Jahr 36.319 gewesen. Im Land hinzugekommen seien infolge von Russlands Angriffskrieg im Februar 2022 nicht weniger als 193.000 Ukrainerinnen und Ukrainer. „Wir stoßen an Grenzen“, fasste die Ministerin die Probleme zusammen. Dies gelte vor allem bei der Beschaffung von Wohnraum. Eine Unterbringung in Hallen und Containern könne auf Dauer keine Lösung sein.
An den Außengrenzen registrieren
Dass im europäischen Vergleich ein Drittel der Asylanträge in Deutschland gestellt würden, gebe zu denken. Deshalb sei es zu begrüßen, dass die Europäische Union (EU) einen ersten Schritt unternommen habe, um die Zuwanderung zu begrenzen. Künftig sollen an den Außengrenzen der EU die Einreisenden registriert werden, um der anonymen Einwanderung einen Riegel vorzuschieben. Bisher habe schon die Kontrolle an den Binnengrenzen der EU, so zur Schweiz, Österreich, Polen und Tschechien Wirkung gezeigt; obwohl die Bundesinnenministerin anfänglich diesem Vorschlag der CDU wenig Erfolg in Aussicht gestellt hatte.
Anwaltsregel wenig hilfreich
Eine den Zustrom begrenzende Wirkung verspricht sich Gentges auch bei der bevorstehenden Neuregelung der Geldleistungen. Mit Einführung einer „Geldkarte“ sei es nicht mehr möglich, Geld in die Herkunftsländer zu überweisen. Mit diesen Geldern würden vielfach auch Schlepper bezahlt. Als wenig hilfreich bezeichnete Gentges die neue Regelung, dass bereits abgelehnte Asylbewerber, die abgeschoben werden sollen, einen Anwalt zur Seite bekommen. Diese Verzögerung der Abschiebung könne genutzt werden, unterzutauchen, fürchtet die Ministerin.
Kritische Sicht auf Cannabis-Legalisierung
Außer bei der Migration zeigte sich die Landes-Ministerin der Justiz auch bei anderen Themen unzufrieden mit der Bundespolitik. So halte sie nichts von der Legalisierung des Cannabis-Konsums. Die Sucht könne zum Beispiel zu einem vermehrten Auftreten von Schizophrenie führen; das sei von medizinischer Seite zu hören. Die ungewöhnliche Bestimmung, dass frühere Bestrafungen nachträglich aufgehoben werden müssten, führe zu einem unverhältnismäßigen Aufwand an Überprüfung. In den Strafverfahren würden vielfach Gesamtstrafen gebildet. Darin mache das Cannabis-Vergehen nur einen Teil aus.
V-Leute würden gefährdet
Für kontraproduktiv hält Gentges auch die vom Bund verlangte Neuregelung beim Einsatz von V-Leuten und verdeckten Ermittlern. Beide Gruppen seien wichtig, um in kriminelle Milieus einzudringen. Während es sich bei den verdeckten Ermittlern um Polizeibeamte handelt, werden bei den V-Leuten private Personen eingesetzt. Deren Leumund müsse nun gerichtlich überprüft werden. Nach Gentges führt diese Offenlegung zu einer Gefährdung der Personen, die überhaupt bereit sind, sich auf die gefährliche Erkundungsarbeit einzulassen.
Strafmündigkeit senken?
Ein anderes Thema war die Festlegung der Strafmündigkeitsgrenze. Sie liegt nach deutschem Strafrecht bei 14 Jahren. Nach Meinung von Gentges ist diese vor 100 Jahren getroffene Festlegung heute zu hinterfragen. Ausgelöst hat das Nachdenken ein Fall von schwers- ter Kriminalität in Nordrhein-Westfalen. Zwei 13-jährige Mädchen hatten mit Messer stichen ein 12-jähriges Mädchen zu Tode gebracht.
Die Ministerin räumte ein, dass Einzelfälle nicht unbedingt zu einer Änderung führen allgemeinen Gesetzes dürfen sollten. Es sei jedoch festzustellen, dass die Kinder-Kriminalität zunehme. So waren im Jahr 2022 in Baden-Württemberg 10.490 Kinder bis zu 13 Jahren tatverdächtig. Andere Länder wie die Niederlande und Großbritannien haben die Strafmündigkeitsgrenze auf 12 und 10 Jahre herabgesetzt.
Lebhafte Diskussion
Im Anschluss an die Ausführungen der Ministerin bestand Gelegenheit, Fragen an die Ministerin zu stellen. Davon wurde in der insgesamt über zweistündigen Versammlung ausgiebig Gebrauch gemacht. Die Stichworte waren zum Beispiel Bürgergeld, Sprachkurse, Flüchtlingshilfe, Parteienverbot, Pflichtjahr und Wehrpflicht, Ahndung von Krawallen bei Demonstrationen und Angriffe auf Politiker.
Abschließend dankte die Ministerin besonders den anwesenden Kandidatinnen und Kandidaten für die Wahlen zum Ortschaftsrat, Gemeinderat und Kreisrat. Sie zeigten damit ihre Bereitschaft, die Demokratie zu stärken. Wenn sie sich kritisch mit der Migrationspolitik des Bundes auseinandersetze, so mit dem Ziel, dass wir es schaffen, wirklich Verfolgten in Deutschland Schutz zu bieten. Der CDU-Vorsitzende Hannes Grafmüller wünschte sich als Zeichen der Wertschätzung für unsere Demokratie eine hohe Wahlbeteiligung.