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Zell bekommt einen neuen Park – oder zumindest das, was im Rathaus so definiert wird. Sieben Jahre nach der Zerstörung der Kapelleninsel im Zug der Erneuerung der Hauptstraße (L94) durch Unterharmersbach beginnen jetzt die Bauarbeiten für die versprochene Wiederherstellung der kleinen Grünanlage an der Wallfahrtskirche.
Für mich als Einzelhändlerin bedeutet dies erneut Wochen der Isolation. Dies ist dann seit 2017 die dritte Baustelle vor meiner Tür und dies in der wichtigen Phase des Schulanfangs. Radfahrer werden die Kapellenstraße wieder meiden. Es ist unwahrscheinlich, dass Touristen weiter in Richtung Wallfahrtskirche bummeln werden, nachdem sie die Reste einer einst quicklebendigen Innenstadt flankiert von provisorischen Parkplätzen kennen gelernt haben. Nichts deutet für sie darauf hin, dass Zell an der Wallfahrtskirche eine Spielwaren- und Geschenkeauswahl zu bieten hat, über die sich manche Großstadt freuen würde.
Zells Ruf als attraktive Stadt reicht weit in die Region und darüber hinaus. Er zehrt vom Glanz der alten Freien Reichsstadt, von Keramik, gepflegter Jugendstil- und Fachwerkbebauung, Wallfahrtskirche sowie einer Vielzahl inhabergeführter Geschäfte und gastronomischer Angebote. Wer heute nach Zell kommt, findet allenfalls Reste davon. Die Wirkung des neuen, mittlerweile preisgekrönten Rundofens verpufft in der uninspirierten Verwaltung des Mangels.
Wer an dieser Stelle aufs Internet als Totengräber des stationären Einzelhandels verweist, hat schon verloren. Allein der Blick nach Haslach oder Gengenbach macht deutlich, was eine Stadt vermag, die einen Plan hat und darum ringt, dass alle Kräfte für einen starken Auftritt mobilisiert werden, einen Auftritt, der Besucher und Einheimische begeistert. Das setzt allerdings eine Stadtspitze voraus, die die Interessen des Einzelhandels kennt und dessen Entwicklung unterstützt.
Zell hat auch hier eher nichts zu bieten. Anstelle der versprochenen Abstimmung mit Betroffenen und Anliegern, informiert die Bauleitung mit einem Arbeitstag Vorlauf darüber, dass Kunden ab dieser Woche wieder Baustellenflair haben, wenn sie bei Rund ums Leben – Kopf einkaufen. Damit trifft mich jetzt nach drei Jahren fast ruinösem Umsatzverlust wegen der L94-Erneuerung, drei schweren Jahren wegen Corona die dritte Geschäftsschädigung.
Diese Baustellenplanung wäre vermeidbar gewesen. Es gibt keinen Grund, dass die Wiederherstellung des Kapellenparks erst vier Jahre nach Fertigstellung der Hauptstraße in Angriff genommen wird – auf den letzten Drücker sozusagen, denn sonst hätte Zell die Landesförderung abschreiben können. Der versprochene neue Gehweg, die Neuanlage der östlichen Kapellenstraße sowie die Erneuerung des Kapellenplatzes sollen zwar auch noch kommen, sind aber bislang nicht geplant.
Für mich als Inhaberin eines kleinen Qualitätseinzelhandels bedeutet dies, dass mir die Kundschaft geradezu systematisch vergrault wird. Zum 1×1 des Unternehmertums gehört die tägliche Bilanz. Ohne Einkäufer steht am Ende ein Minus. Und das gilt nicht nur für mich und mein weithin bekanntes Geschäft, das als Anziehungspunkt für Zell gelten kann. Mit der Vielfalt des Einzelhandels verschwindet die Attraktivität der Stadt. Da geht es nicht mehr nur darum, ob Rund ums Leben – Kopf nach 100 Jahren vom Markt geht. Jeder Verlust schwächt die Position des Einzelhandels und der Gastronomie in Zell und somit die Zukunft der Stadt.
Petra Kühnpast,
Inhaberin von Rund ums Leben – Kopf,
Zell a. H.