Einfach mal die Augen schließen, nur den Klängen lauschen. Ein Konzert von Cornelia Grau ist eine sehr persönliche Angelegenheit: »Eine warme, berührende Stimme, ruhige, meditative Melodien und eine lautmalerisch improvisierende Sprache …« liest man In der Ankündigung über die Musik der Sängerin und Gitarristin, die am Mittwochabend in der vollbesetzten evangelischen Kirche die letzte »Sommermusik« der Saison 2019 gestaltete. Und das Zeller Publikum war beeindruckt: Kein Chill-out oder Lounge-Gedudel, sondern 14 puristische Songs und eine Zugabe – wie aus einem Guss.
Ihre Lieder versteht sie als »Ausdruck von inneren Bildern«, erklärte die sympathische Musikerin, die vor etlichen Jahren am Zeller Bildungszentrum unterrichtete. Im Publikum deshalb auch ehemalige Kollegen und Schüler. Mit ihrer spontan entstehenden »Fantasiesprache« wolle sie im Konzert »über alle Grenzen hinweg mit Menschen in Verbindung treten«, erfuhr man weiter.
Als Zuhörer muss man sich auf diese besondere »Sprache« einlassen. Dann öffnen sich durchaus Räume, entstehen Farben und Bilder. Gleichsam ein Flanieren, ein achtsames Gehen, Schweben durch den weiten Raum. Kein Text gibt etwas vor oder lenkt ab. Weder Lyrik noch Erzählung ist das Lautmalerische doch eine semantische Technik, die dem Zeichen die Möglichkeiten seiner Bedeutung erweitert.
Die Lieder, die oft Fantasietitel tragen wie »Manil Kano«, »Avera«, »Rantane«, strahlen erhabene Gelassenheit aus, sind mitunter melancholisch, aber auch heiter und anmutig. Die Anregungen dafür nimmt Cornelia Grau aus der Natur, auf Spaziergängen mit ihrem Hund, bei Begegnungen mit Menschen oder aus Erinnerungen an die Kindheit, wie etwa im »Schaukellied«. Beim Publikum fanden die Darbietungen großen Anklang, gemessen am reichen Beifall im Kirchensaal.
Momente schönster Entrücktheit
Stilistisch lässt sich die Protagonistin des Abends nicht eindeutig festlegen. Da sind die typischen Arpeggio-Zupfmuster auf der akustischen Gitarre, wie sie viele Folk-Musiker oder deutsche Liedermacher verwenden. Man findet Anklänge an die Melancholie des Fado, etwa bei der Artikulation von Silben, sporadisch auch Einflüsse des Jiddischen, wie beim ersten Lied des Abends, das entfernt an das berühmte »Donna, Donna« erinnerte. Die Singstimme, fein fließend und nuanciert, punktet auch mit beachtlicher Phrasierungsgabe.
Cornelia Graus Eigenkompositionen zeugen von kreativer Freiheit und Spiritualität, sind harmonisch und rhythmisch jedoch sehr ähnlich. Für Abwechslung sorgte zum Einen ein Lied im Walzertakt, zum Anderen die Zugabe, die mit interessantem Akkordspiel auf der Gitarre glänzte. Der Sound beider (elektroakustischen) Gitarren, die während des Konzerts zum Einsatz kamen, war klar, perlig und wohl temperiert. Im Zusammenspiel mit Graus samtener Stimme entstanden Momente schönster Entrücktheit.
Für die »geruhsame Heimreise« nach dem Konzert gab Cornelia Grau ihren Zuhörern augenzwinkernd den (bereits erwähnten) Walzer mit auf den Weg in die laue Sommernacht. Der anhaltende Schlussapplaus verebbte erst, als die sichtlich erfreute Musikerin noch einmal zur Gitarre griff und ein Lied mit leichten Jazzelementen anstimmte. Sie widmete es jenen, die dafür sorgen, dass innere und äußere Mauern abgerissen und Grenzen überwunden werden. Was träfe die Intention der ‚Zeller Sommermusiken‘ besser als dieses Statement der Protagonistin des Abends?
Solveigh Petersen überreichte der Musikerin eine weiße Rose. Danach ließ die Kirchengemeinderätin kurz die vergangenen Konzerte Revue passieren und zog ein positives Fazit der diesjährigen »Sommermusik«-Reihe. Für das nächste Jahr versprach sie weitere interessante Konzertveranstaltungen in der evangelischen Kirche Zell am Harmersbach.