Die CDU-Verbände in Zell und Unterharmersbach veranstalteten den Polit-Brunch am Sonntagmorgen in der Bäckerei Dreher. Stadtverbandsvorsitzender Hannes Grafmüller leitete den politischen Vormittag. Danach wurde Steffen Bilger eingeladen, sich in das Goldene Buch der Stadt Zell einzutragen.
Hannes Grafmüller begrüßte die Gäste. Sein besonderer Gruß galt natürlich Steffen Bilger, dem parlamentarischen Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur. Außerdem begrüßte er den Staatssekretär und Kreisvorsitzenden Volker Schebesta, Bürgermeister Günter Pfundstein, Ortvorsteher Hans-Peter Wagner, Ehrenbürger Hans-Martin Moll und Vertreter der Mittelstandsvereinigung Ortenau.
Zum Thema der Veranstaltung »Verkehrskonzepte für die Zukunft – steht der ländliche Raum auf dem Abstellgleis?« nahm Steffen Bilger in seinem Vortrag ausführlich Stellung. Er ließ die Zuhörer hinter die Mechanismen der Politik blicken, die oft von strikten Zuständigkeiten, Verordnungen und Bürokratie geprägt sind. Manchmal fehle auch einfach das ausreichende Personal an den richtigen Stellen, machte Bilger deutlich. Ein weiteres Problem erschwert das politische Handeln: »Verkehrsprobleme werden zu negativ und vergangenheitsorientiert diskutiert. Besser wäre es, in zukunftsorientierten Lösungen zu denken.«
Grenzwerte überprüfen
Von diesen Lösungen für die Zukunft handelte sein Vortrag. Ausführlich widmete er sich dem Thema Fahrverbote für alte Dieselautos, Stickstoffgrenzwerte und die Messstationen dafür in Stuttgart. Die Grenzwerte werden nur in Deutschland so niedrig festgelegt, das europäische Ausland ist hier liberaler. Die Europakommission überprüft zurzeit die Grenzwerte und die Standorte der Messstationen in Stuttgart, die nach Meinung von Bilger fragwürdig sind. Er informierte: »Nach dem Bundesemmissionsgesetz wird es keine weiteren Fahrverbote geben. Dies ist auch die klare Ansage von Innenminister Thomas Strobel.« Er habe bei der Dt. Umwelthilfe Eingaben gemacht, um den von Fahrverboten betroffenen Bürgern finanziell helfen zu könne. »Von diesen Menschen werde ich angesprochen und dafür bin ich da.« In Stuttgart wurden Filteranlagen installiert und durch professionelle Kehrmaschinen das Feinstaubproblem gelöst.
Alternative Antriebsstoffe
Weitere Maßnahmen zur Lösung der Verkehrsprobleme sind die Digitalisierung der Verkehrssysteme und die Förderung des öffentlichen Personennahverkehrs. Alternative Antriebsstoffe (Biogas, Wasserstoff) sind in der Entwicklung; zurzeit werden Wasserstofftankstellen installiert – dadurch wird die Autoindustrie gefordert, entsprechende Autos zu bauen. Gefördert wird die Elektromobilität, u.a. durch den Ausbau der Tankstellen für E-Autos. Zum Thema Güterverkehr auf der Schiene wies Steffen Bilger auf den Bau der Rheintalbahn hin. Bei solchen Großprojekten sei es wichtig, die Menschen in dem betroffenen Gebiet mitzunehmen – sie über die Planungen und Entscheidungen zu informieren und ein Forum der Mitbestimmung zu schaffen, um einer späteren Klagewelle vorzubeugen.
Fragen der Zuhörer
Nach seinem einstündigen Vortrag gab es für die Zuhörer Gelegenheit, Fragen zu stellen. Aus dem Publikum stellte Axel Christensen ein Problem mit seinem E-Auto (Golf) vor. Das habe im Winter eine Reichweite von 140 km. Bei jeder Ladesäule gebe es einen anderen Betreiber, dies erschwere die Bezahlung per Smartphone-App, da er sich jedes Mal neu einloggen müsse. Es gebe sogar Ladestellen im Funkloch ohne Internetverbindung. »Warum kann man nicht mit Kreditkarte bezahlen, so wie es im Ausland möglich ist?« fragte Christensen. Als Antwort verwies Steffen Bilger auf die Betreiber, die kundenfreundliche Lösungen anbieten müssten.
Hans-Martin Moll thematisierte die Luftverschmutzung durch den Verkehr: »Wir haben saubere Luft! Die Grenzwerte sind jenseits der gesundheitlichen Relevanz. Die grüne Öko-Mafia hat zu viel Einfluss.« Bilger antwortete, dass das Verkehrsministerium in Zusammenarbeit mit dem Umweltministerium für die Grenzwerte zuständig ist und auch seiner Meinung nach die Grenzwerte zu streng angelegt sind. Zurzeit findet eine Überprüfung statt.
Gemeinderätin Anja Jilg (Oberharmersbach) klagte: »Ich bin Waldbäuerin und unsere Abnehmer brechen weg. Sie können die Grenzwerte für ihre Holzöfen nicht mehr einhalten und stellen auf Ölheizung um.« Außerdem brauchen wir auf unseren Höfen schnelles Internet, um die Bürokratie zu bewerkstelligen, führte Jilg aus. In seiner Antwort sagte Bilger, dass den politischen Gremien oft nicht klar sei, welche Auswirkungen ihre Entscheidungen für den Bürger konkret haben. Er werde sich dafür einsetzen, dass die Politik bürgernäher werde. Ausführlich widmete er sich dem Thema Breitbandverkabelung und der Vorgabe der Politik, dass bis zum Jahr 2025 wirklich jeder Haushalt einen Internetanschluss habe.
Bürgermeister Günter Pfundstein machte einen Vorschlag, um kostengünstig weitere Funklöcher schließen zu können. »Warum nutzt man nicht die vorhandenen Windkraftanlagen als Funkmasten? Nach meinen Recherchen haben die Betreiber daran kein Interesse. Wie kann das sein?« Hierzu entgegnete Bilger, dass er die Anregung gerne mitnehmen werde und ging allgemein auf das Thema »Funklöcher« ein.
Auf die vom Publikum geäußerte Kritik, warum Bauprojekte »so lange dauern, bis wirklich gebaut wird« entgegnete Bilger, dass schlichtweg Bau- und Projektplaner in Baden-Württemberg fehlen, was die Verzögerungen verursacht. Hier sind 50 zusätzliche Stellen geschaffen worden. »Es scheitert nicht am Geld, das ist da. Es fehlt das Personal«, berichtete er aus seiner Praxis. Die Politik hat außerdem ein Planungsbeschleunigungsgesetz auf den Weg gebracht, das zu weiteren Verbesserungen führen werde. Manchmal mache sich Deutschland auch selber das Leben schwer, sagte er abschließend. Vorgaben der Europäischen Union werden »übererfüllt«; dazu nannte er konkrete Beispiele.
Als Steffen Bilger nach über einer Stunde alle Fragen äußerst kompetent beantwortet hatte, beendete Hannes Grafmüller die Veranstaltung und bedankte sich bei Bilger mit herzlichen Worten und einem Präsent aus Produkten der Zeller Keramik.