»Wie viel Staat darf’s sein?« Dieser Frage folgten der CDU Stadtverband und die Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung Ortenau. Im Gasthaus Pflug nahmen sie vergangene Woche kommunale Eigenbetriebe unter die Lupe.
»Abwasser, Gas-, Energie-, Wasserversorgung oder kommunale Wohnbaugesellschaften zählen zu den Klassikern in den Kommunen. Jahr für Jahr verzeichnen sie Zuwachs in ihre unternehmerischen Tätigkeiten«, begann Hannes Grafmüller, Vorsitzender des Stadtverband Zell am Harmersbach den Themenabend.
»Bereits 300 Milliarden Euro Umsatz erwirtschaften kommunale Eigenbetriebe jährlich.« Das seien fast 10 Prozent des Bruttoinlandproduktes. Deshalb müssten die kommunalen Privilegien (wie Befreiung von Umsatzsteuer bei öffentlich-rechtlichen Unternehmen, wie Freistellung von fairem Wettbewerb und Vergaberecht) dringend auf den Prüfstand, so die Meinung des Stadtverbandsvorsitzenden.
Dr. Tobias Bringmann, Geschäftsführer des Verbands kommunaler Unternehmen führte mit dem Begriff der »Daseinsvorsorge« zum Ursprung der städtischen Unternehmen. »Dieser Begriff umschreibt sämtliche Tätigkeiten des Staates, welche der grundlegenden Versorgung der Bevölkerung mit wesentlichen Gütern oder Dienstleistungen dienen. Sie sichern Existenzen und übernehmen zivilisatorische Grundversorgung.«
Wasserversorgung, Schwimmbad & Parkhaus
Als Beispiel nannte er die Wasserversorgung. Sie genieße insbesondere in Deutschland einen hohen Stellenwert. Wer mit der Wasserversorgung Experimente versuche, werde schnell eine Revolution der Bürger auslösen, war sich der Geschäftsführer sicher. Andere Eigenbetriebe seien Schwimmbäder und Parkhäuser. Für die Wirtschaft seien diese keine lukrativen Geschäfte, die Bevölkerung brauchte sie trotzdem. Zum Bereich Schwimmbadbetrieb sagte er: Kapp 30 Euro Eintritt müssten durchschnittlich beim Besuch eines Schwimmbades (Größenordnung Zell) verlangt werden, damit sie kostendeckend betrieben werden könnten. Städte ordnen Schwimmbäder darum dem Bereich Wasserversorgung zu, um über Abschreibung eine entsprechende Refinanzierung erzielen zu können.
Eine Kernaufgabe der kommunalen Daseinsversorgung ist also: bei Marktversagen die Lücken zu schließen, um die gesellschaftliche Wohlfahrt zu steigern. Dass Unternehmen der freien Wirtschaft mit kommunalen Versorgern konkurrieren, sei nicht unbedingt immer der Fall. Als Beispiel nannte Tobias Bringmann die Tatsache, dass viele Dienstleistungen in anderen Ländern aus eigener Hand erbracht werden müssen, während sie in Deutschland lediglich in Anspruch genommen werden können.
Was Tobias Bringmann besorgte: »Der ländliche Raum hat jetzt schon keine Post, keine Bankautomaten, keine Einzelhandelsgeschäfte mehr und damit auch keine ausreichende Versorgung.« Ein Rückgang von Infrastrukturen führe unweigerlich zu einem gesellschaftlichen Problem, so Bringmann. Er verwies auf Gebiete in den neuen Bundesländern. Dort führte der Rückgang von Infrastruktur zu radikalen Einstellungen in der Bevölkerung.
Weiteres Beispiel: Eigenbetrieb Breitbandausbau
Es wird erwartet, dass sich die Datenmenge, die durch das Netz verschickt wird, bis 2021 verdoppelt. Darum sei die Investition und der Ausbau von Glasfasernetzen unumgänglich. Gerade Veränderungen in der Arbeitswelt machten die Bandbreite notwendig. Daraus leitet sich das Ziel ab: Ausbau eines schnellen Netzes für unterversorgte Gebiete.
Für dieses Beispiel zeigte sich: Im ländlichen Raum habe die private Wirtschaft im Bereich des Breitbandausbaus versagt. Die Privatisierung der Telekom habe gerade dort nicht zu einer Verbesserung der Bandbreite geführt. Nicht die Grundversorgung der Bevölkerung stand im Vordergrund, sondern wirtschaftliche Interessen. »Die Aktiengesellschaft denkt profitorientiert und investiert, wo der Markt im Wettbewerb steht«, kritisiert Tobias Bringmann das Vorgehen. Er führte kritisch fort: »Die Dimension hat noch größere Auswirkungen, wenn der Bund trotz Mehrheitshalter an Aktienanteilen nicht regulierend eingreift.«
Fehlanreize (wie öffentlich geförderter Breitbandausbau und das Ausnützen von Rechten) müssten endlich gestoppt werden. »Solange die Telekom ihre Kabel jederzeit bei Tiefbauarbeiten mit verlegen darf, wird sich nichts ändern«, so die Einschätzung von Tobias Bringmann.
Pro Privatwirtschaft
Dr. Albrecht Geier, Bundesvorstandsmitglied der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der CDU nimmt die kleinen Handwerker und mittelständischen Unternehmen in Schutz: »Kommunale Eigenbetriebe sollen lieber nur da tätig sein, wo es keinen lokalen Markt gibt oder Märkte vom Aussterben bedroht sind, wie zum Beispiel im Einzelhandel.«
Energie und andere Netzinfrastrukturen seien und blieben Aufgaben der dafür ausgelegten wenigen Unternehmen und nicht Aufgabe einer Stadt. Es wies auf die Gemeindeordnung Paragraf 102 hin. Nur wenn die Kommune es besser kann als die Privatwirtschaft, sei eine Gründung eines Eigenbetriebes möglich und sprach weiter kritisch an: In manchen Städten in der Ortenau fände derzeit eine Rekommunalisierung von Energiebetrieben statt.
Abschließend stellte der Stadtverbandsvorsitzende Hannes Grafmüller fest, dass die Bedeutung der Eigenbetriebe in den Kommunen nur unter Prüfung der Kriterien der Daseinsvorsorge und wirtschaftlichen Notwendigkeit in Frage kommen darf, solange hier keine Konkurrenzverzerrung entsteht.
Mit der Forderung »unternehmerische Tätigkeiten nur dort wo der Markt versagt und die Versorgung der Bevölkerung nicht gewährleistet wird«, schloss Hannes Grafmüller den Diskussionsabend. Sein Dank galt anschließend dem Publikum für die rege und spannende Diskussion sowie dem Referenten. Für ihn hatte er eine Hahn und Henne-Namenstasse dabei.