Am Dienstagabend hatte die evangelische Kirchengemeinde zu einer außerordentlichen Versammlung in den Gemeindesaal an der Kirchstraße eingeladen. Thema des Abends: Was passiert mit dem alten Pfarrhaus?
Am Ende der zweistündigen Veranstaltung wurde ein Stimmungsbild vom Publikum eingeholt; eine Entscheidung wird erst im Frühjahr/Sommer nach weiteren ausführlichen Beratungen auch mit dem Bauamt in Karlsruhe erwartet.
Prinzipiell drehte sich alles um die zentrale Frage: Lohnt es sich noch, in das alte Pfarrhaus zu investieren oder macht ein Neubau eines Gemeindezentrums an der Kirche mehr Sinn? Die Vorsitzende des Kirchengemeinderats Solveig Petersen informierte am Beginn der Versammlung über die Immobilien der evangelischen Kirchengemeinde. Die Gemeinde besitzt drei Immobilien: Die Kapelle in Nordrach ist an die evangelische Bezirksjugend verpachtet und nicht mehr relevant, da sie keine finanziellen Belastungen verursacht. Die Kirche wurde 1970 gebaut und ist renovierungsbedürftig. Das Pfarrhaus mit Pfarrbüro und Gemeindesaal stammt aus dem Jahr 1959 und ist dringend renovierungsbedürftig. Im Jahr 2010 ist Pfarrer Monninger mit seiner Familie eingezogen; damals wurden 100.000 Euro in ein neues Dach investiert. Pfarrer Monninger erklärte: »Das Pfarrhaus ist zu groß. Es verfügt über sieben Zimmer, eine Küche, zwei Bäder und einen riesigen Speicher.« Eingehend berichtete er von der ungünstigen räumlichen Trennung von Gemeindesaal und Kirche, da die meisten kirchlichen Gruppen beide Gebäude für ihre inhaltliche Arbeit brauchen und daher hin und her laufen müssen. Außerdem fehle direkt an der Kirche ein größerer Raum für einen kleinen Stehempfang, als Aufenthaltsraum für die Musiker bei Kirchenkonzerten, und bei vielen anderen Anlässen. Außerdem hat die Kirche keine behindertengerechte Toilette, führte er weitere Nachteile an.
»Ich baue nicht für mich, ich bin 62 Jahre und gehe bald in den Ruhestand«, ging er auf seine persönliche Situation ein. Doch jetzt sei der Handlungsbedarf da und einem neuen Pfarrer könne nicht zugemutet werden, seine Amtszeit mit so einem Mammutprojekt zu beginnen.
Erfahrene Experten einer kircheneigenen Gesellschaft für Projektentwicklung und Projektsteuerung im Bereich Kirchliches Bauen in Baden (Prokiba) haben eine Bestandsaufnahme der kirchlichen Gebäude in Zell erstellt. Die Firma hat drei Varianten ausgearbeitet. Zwei Möglichkeiten beinhalten einen Neubau mit direktem Anschluss an die evangelische Kirche.
Variante 0 hat das Ziel, das Pfarrhaus zu renovieren und langfristig zu erhalten.
Variante A sieht den Neubau eines Gemeindezentrums mit Verbindungssteg zur Kirche vor. Der Neubau erfolgt auf kircheneigenem Grund in Richtung Park. Darin untergebracht sind ein großer Gemeindesaal, Pfarrbüro, Amtszimmer, Küche und WC.
Variante B beinhaltet einen kleineren Anbau am selben Platz direkt an die Kirche und einen Umbau der Kirche mit dem Zweck, einen größeren Sakralraum entstehen zu lassen, der als Gemeindesaal genutzt werden kann und durch eine Faltwand abgetrennt wird. Im Anbau befinden sich in dieser Variante Pfarrbüro, Amtszimmer und ein kleinerer Saal mit Küche, sowie das WC. Varianten A und B sehen den Verkauf des Pfarrhauses und die Anmietung einer Pfarrerwohnung vor.
Genaue Zahlen zu den Baukosten legten die Berater nicht vor. Auf Nachfrage erklärte Rolf Metzler, der für die finanzielle Verwaltung der evangelischen Kirchengemeine verantwortlich ist: Die Renovierung des Pfarrhauses kostet ungefähr 600.000 Euro. Variante A wird etwa eine Million Euro kosten und Variante B rund 700.000 Euro. »Die Kirchengemeinde hat Rücklagen. Bei einer Investitionssumme von einer Million Euro und einem zu erwarteten Zuschuss von 50 Prozent Förderung braucht kein Kredit aufgenommen zu werden«, informierte Metzler über die finanzielle Situation. Wenn die Entscheidung für eine konkrete Variante getroffen ist, werden genaue Zahlen ermittelt.
Nach dem offiziellen Teil bestand Gelegenheit für das Publikum, Fragen zu stellen und Meinungen zu äußern. Die Diskussion wurde von Pfarrer Michael Wurtz geleitet, der Gemeindeberater in Liegenschaftsangelegenheiten ist und in Unterentersbach wohnt. Mit großem allgemeinem Interesse wurde die Frage diskutiert, ob ein Pfarrer bei der Kirche wohnen und als Seelsorger im Ort präsent sein sollte oder auch außerhalb seine Wohnung haben kann. Auch zur zukünftigen Verwendung des Pfarrhauses stellten einige Zuhörer Überlegungen an. Einzelheiten und Anregungen zu den verschiedenen Varianten wurden eingebracht, Fragen konnte Michael Wurtz kompetent beantworten.
Die anschließende Abstimmung über die Varianten sollte lediglich ein Stimmungsbild abbilden mit wegweisendem Charakter für die weiteren Beratungen. Eine Entscheidung wird erst im Frühjahr/Sommer 2019 erwartet.
35 Zuhörer votierten einen Neubau nach Variante A oder B, vier Zuhörer stimmten für den Erhalt des Pfarrhauses, einer enthielt sich.
Danach erfolgte eine genauere Abstimmung nach den drei vorgestellten Varianten. Für Variante 0 stimmten vier Zuhörer; für Variante A votierten 23 Zuhörer, darunter Pfarrer Monninger und für Variante B 14 Besucher des Abends.
Das Publikum forderte außerdem eine Abstimmung über die Frage, ob der Pfarrer im Gemeindehaus – alt oder neu – wohnen sollte (dafür stimmten zehn Personen) oder in einer Wohnung außerhalb wohnen kann (dafür sprachen sich 24 Personen aus). Acht Personen enthielten sich.
Solveigh Petersen gab am Ende des Abends die weitere Vorgehensweise bekannt. Der Kirchengemeinderat wird ähnliche Liegenschaftsumwandlungen im Kinzigtal besichtigen, Gespräche mit dem Kirchenbauamt in Karlsruhe führen, den Verkehrswert von Pfarrhaus und Grundstück ermitteln und bei weiteren Gemeindeversammlungen intern beraten.