Ein gutes Programm zu machen, ist auch eine Kunst. Dieter Benson beherrscht sie souverän. Beim letzten Konzert der diesjährigen Zeller Sommermusiken in der evangelischen Kirche zeigte sich der Musiker mit allen Stilen der Orgelkultur vertraut. Das abwechslungsreiche Programm mit Werken aus der Barockzeit, der Epoche der Romantik und von zeitgenössischen Komponisten fand beim Publikum großen Anklang.
Eingeleitet hatte Benson den Abend mit dem »Praeludium e-moll« von Nicolaus Bruhns, neben Dietrich Buxtehude der typische Vertreter des norddeutschen Barock. Bei diesen Komponisten geht es um strukturelle Klarheit. Bensons Wiedergabe des Praeludiums kündete ebenso von der eminenten Fantasie des Tonschöpfers wie sie – gerade im Detail – an Ausgestaltung nichts zu wünschen übrig ließ. Auch bei Buxtehudes »Praeludium g-moll« waren es die Klänge aus alter Zeit mit ihren reichen Harmonien, die berührten.
Eingebettet zwischen die Werke der beiden deutschen Barockmeister spielte Benson »Tierce en Taille« von Francois Couperin, ideenreich und nachgerade mühelos, ein ruhender Pol, aus dem sich mustergültige Interpretationen oft speisen.
Die Koryphäen der Orgelmusik sind seit alters her in Frankreich beheimatet, hört man oft. Auch Dieter Benson schätzt Stil und Kolorit Frankreichs, wie man seinen Erläuterungen zu den einzelnen Werken entnehmen konnte. Vor allem an der berühmten Orgel der Pariser Kirche St. Sulpice wirkten im 19. Jahrhundert bedeutende Orgelsinfoniker, wie Charles Widor oder Louis Lefébure-Wély, die noch heute Vorbild für viele Organisten sind. So war in Bensons Interpretation von Léfebure-Wélys »Sortie Es-Dur« sinfonischer Atem intensiv spürbar. Immer wieder gab es schöne Farben. Reich die romantik-typischen Abstufungen des Leisen. Bei Nicolas Lemmens »Fanfare« erinnerte der markante Auftakt entfernt an den Anfang der »Marseillaise«. Und wieder die Farben. Benson nutzt sie so kundig wie intensiv.
Das romantische Potential zeigte sich auch im »Allegretto grazioso« von Vincenzo Petrali mit seiner Verbindung von virtuoser, fast federnder Leichtigkeit und behutsamen Momenten. Eine Tonkunst, die Lyrik und Emphase vereint, feinsinnig vorgetragen von einem technisch gewandten und sensiblen Musiker, der sehr werkdienlich agiert. Reicher Beifall erfüllte den Kirchensaal.
Hans-André Stamm und Hans-Uwe Hielscher sind zeitgenössische deutsche Komponisten, die sich der Orgeltradition verpflichtet fühlen und zugleich Elemente der Moderne, des Jazz und der Popularmusik in ihre Arbeit einbeziehen. Stamms »Rapsodia alla latina« kennzeichneten häufige abrupte Tempiwechsel und lateinamerikanische Rhythmen. Ausdrucksstark und gekonnt auch Bensons Auslegung von Hielschers »Invention Rèverie Fanfares«, das eine eigentümliche Attraktivität entfaltete: Wohlklang, von dissonanten Einsprengseln gebrochen oder schleifend-vibrierende Töne (der Organist zog die Register nur zur Hälfte) schufen eine lebendige Mixtur-Silbrigkeit.
»Adagio in sol minore« aus der Feder des italienischen Musikkritikers und Komponisten Remo Giazotto beruht auf einer Komposition des Barockmeisters Tomaso Albinoni und zählt laut Dieter Benson zu den »Top Ten der Musikgeschichte«. Eine hübsch verzierte Melodie über einer tragenden Basslinie entwickelte sich zu einer klangsinnlichen Musik, der anzumerken ist, dass ihr Autor genauestens weiß, was auf der Orgel funktioniert. Ein Gleiches darf man dem Interpreten des Abends bescheinigen, der das Pfeifeninstrument im evangelischen Gotteshaus bestens kennt. Die Zuhörer würdigten das mit anhaltendem Applaus. Ein ertragreicher Konzertabend, den Dieter Benson mit einer Orgelpreziose von Felix Mendelssohn-Bartholdy ausklingen ließ.





