»Sprudelnde Ideen«, »unbändige Spiellust«, »Turbulenzen garantiert«. Mit Superlativen wurde bei der Ankündigung der 5. Sommermusik nicht gespart. Am Ende des Konzerts waren auch die anfänglichen Skeptiker überzeugt: Die akrobatisch-stählerne Virtuosität, mit der Pianist Holger Mantey seinen eigenwilligen Stilmix aus Klassik, Jazz und Postmoderne präsentierte, hatte Format und Feuer.
Ähnlich dem legendären Tastenmagier Glenn Gould, Kopf und Oberkörper über die Klaviertastatur gebeugt, startete Mantey energiegeladen mit hartem Anschlag in geradezu orchestrale Klangwelten: »Sieben Wellen« faszinierte mit dunklen Akkorden, die im Clinch mit silbrig schimmernden Spitzenregistern liegen.
Auch der Wechsel auf das Feld der seelisch bewegten Lyrik gelang dem Pianisten nahtlos. Das Largo aus den »24 Préludes« von Frederic Chopin »ergänzte« Mantey mit eigenen Noten, die mehr sind als nur Flitter und Zierrat. Die Abstufungen des Leisen gefielen besonders – der ganze Vortrag im klingenden Resultat eine Wonne!
Als Kommentator seines musikalischen Schaffens kokettierte der Solist mit ironischem Understatement, sprach bescheiden von seinem »bunten Programm« und freute sich, dass so viele Hörer »bei diesem Grillwetter« zum Konzert in die Kirche gekommen waren. Belohnt wurden die Besucher dafür mit einer Fülle musikalischer Überraschungen. Neidhart von Reuentals Minnesang aus dem frühen 13. Jahrhundert erklang in der Manteyschen Bearbeitung so, als hätte der mittelalterliche Troubadour für das Klavier komponiert, eine atmosphärische Ballade mit zartem Groove.
Für eigene Werke verwendet Mantey gerne die russische Trommel, vergleichbar der karibischen Steelpan oder dem Hang (zwei miteinander verklebte Halbschalen aus Stahlblech, die einen Gong-ähnlichen Ton erzeugen). Mit der linken Hand trommelnd, mit der rechten in die Tasten greifend, schickte Mantey die Komposition durch verschiedene Aggregatzustände, mit rhythmischer Präzision und melodischer Kraft. Die Zuhörer applaudierten begeistert.
Als Pianist, der laut Programm in 20 Ländern Europas, Asiens und Afrikas aufgetreten ist, weiß Holger Mantey natürlich, wie er sein Publikum zu nehmen hat: »Kennen Sie das?« oder »Haben Sie’s erkannt?« fragte er wiederholt zu Beginn oder am Ende eines Stücks, dem er sein spezielles »Soundgewand« angelegt hat. Etwa bei George Gershwins Evergreen »Summertime«, wo Mantey vom träumerisch-meditativen Intro mit einem Parforceritt über die Klaviertasten bis zum furiosen Finale unterschiedliche Stilarten ineinander fließen lässt.
Im freien Spiel der Assoziationen
Wie gut der Musiker den Jazz verinnerlicht hat, zeigte er beim Standard »Black Orpheus«. Mit einer indischen Handtrommel – zwischen die Oberschenkel geklemmt – zelebrierte er im freien Spiel der Assoziationen ein Feuerwerk an lateinamerikanischen Rhythmen, rollenden, ostinaten Bassfiguren und halsbrecherisch rasanten Läufen. Eine hin- und mitreißende Performance. Dementsprechend der Beifall des Publikums.
Ein weiterer Höhepunkt des Abends war die Eigenkomposition »Echo«, die Mantey als sein »Lieblingsstück« bezeichnete. Aus einem kleinen Motiv lässt er ein großes Ganzes entstehen. Dabei zeigt sich auch sein Gefühl für musikalische Übergänge, ohne den Spannungsbogen zu verlieren. Denn bei aller virtuosen Brillanz bedarf es auch der Erfahrungen und Emotionen, die einen großen Musiker auszeichnen. Darüber verfügt Holger Mantey zweifelsohne. Dass er sein Programm ab und an mit Effekthascherei garniert, ist wohl dem Zeitgeist des Entertainments geschuldet. So bearbeitete er die Klaviertastatur mit diversen »Akkordbrettern«, was den Eindruck eines Spiels »zu vier- bzw. sechs Händen« entstehen ließ.
Zum Schluss des Konzerts zerpflückte der Solist Mozarts »Türkischen Marsch« in beeindruckenden freien Improvisationen und mit einer Dynamik, die das Publikum zum Rasen brachte. Davon ließ sich Mantey offensichtlich anstecken und er spielte mehrere Zugaben. Gemeinderätin Christine Fleischer überreichte dem Künstler unter dem Beifall der Zuhörer eine weiße Rose.