Mit Witz und scharfsinnigem Humor hielten die Narrenräte beim Zunftabend 2018 der Obrigkeit und auch dem Volk den Narrenspiegel vor. Die Narrenräte präsentierten Geschichten aus der ehemals kleinsten und freien Reichsstadt Zell und fragten die Zuschauer: Können Sie Wahrheit und Fiktion unterscheiden?
»Wir leben in einer Welt, in der Traum und Wirklichkeit nah beieinanderliegen, in der die Tatsachen oft wie Phantasiegebilde erscheinen, die wir uns nicht erklären können«, moderierte »der größte Paparazzi im Tal« die verschiedenen Szenen, die sich so – oder so ähnlich – in der Stadt zugetragen haben. Eine davon war die jährliche Huldigungsansprache des Königs, der in Anlehnung an den französischen Sonnenkönig Ludwig von vielen positiven Entscheidungen berichtete und das Sprichwort zitierte: »Die Stadt ist mein.« Das Projekt Kirchstraße, die L94-Baustelle und auch die Sanierung des Rundofens lassen unterschiedliche Sichtweisen zu – im Schattenwurf wächst die Nase des Königs und wird wieder klein. Selbst die enormen Besuchermassen, die zum neuen Keramikmuseum strömen, bereiten keine Parkplatzprobleme. Die königliche Vision: »Brauchen wir in Zell wirklich zwei Kirchen? In Zeiten von immer mehr Ökumene kann man doch ein wenig zusammenrücken und das Wir-Gefühl stärken. Lieber eine ganz volle als zwei fast leere Kirchen!«
Märchenhafte Visionen erfüllten sich auch beim städtischen Bauamt, wo über Nacht ein fleißiger Zwerg alle unerledigten Bauanträge bearbeitete. Die »Hoff-nung« des neuen Stadtbaumeisters hatte sich erfüllt – aus dem großen Aktenschrank hüpfte am Morgen das Zeller Bändele und verteilte »Rote Punkte« – zumindest an die Zunftabendbesucher. Auch das Tischlein bei der Sitzung der Fasendgemeinschaft Klein-Paris deckte sich märchenhaft von ganz alleine. Die drei Ziegen am Tisch meckerten kräftig und auch der Esel putzte die üppig gefüllten Platten leer…
Der König und seine Untertanen beschworen den »Zell-Faktor« und tanzten am Ende gemeinsam über den Hof. Der Schlager »Ich bin der Märchenprinz« brachte die Märchenfiguren zum Tanzen und der Narren-Reporter fragte: »Ähneln die Geschichten manchem bekannten Märchen? Die Entscheidung liegt bei Ihnen. Denken Sie immer daran: Die Gedanken sind frei!«
Immer mehr Jahresringe
Mit wachsamem Auge haben die Narrenräte die Entwicklungen im vergangenen Jahr verfolgt. »Man könnt’ grad meinen er ist der große Star, der Zeller Kirchstraßen-Boulevard«, orakelte Zunftmeister Clemens Halter in seinem Prolog zum Auftakt des Zunftabends. Gemeinsam mit seinen Räten setzte er sich dann am schwarz-gelb gedeckten Ratstisch zur jährlichen »Anno«-Sitzung zusammen. »Von minnere Gemeinschaft ist keiner im Urlaub«, konnte dort Zunftmeister Clemens Halter allen Unkenrufen aus der Lohgass widersprechen und so wurde »mit viel Fingerspitzegefühl« die Tagesordnung aufgearbeitet. Zunächst konnte zufrieden festgestellt werden, dass Zunftrat Stefan seit der letzten Sitzung wieder einen Jahresring zugelegt hat. Städtebaulich geht es im Hombe aufwärts und die Narroträger haben bei der Volksbank beim Fasendbändle aufhängen den Durchbruch geschafft. Toll sei auch, dass Narrenrat Simon Haas fürs Kartenzocken bei den Mitternachtsbuben von der Stadt Zell den Sportlerorden erhalten hat.
Närrische Ungereimtheiten
Noch mehr närrische Ungereimtheiten verkündete der wortgewaltige Bott. »Früher war alles besser«, weinte er eine große Träne dem Zeller Tannenbaumstädtle nach, wo jetzt nicht einmal mehr ein schöner Tannenbaum vor dem Rathaus steht. Damit es bald wieder hell erstrahlt, hatte er auch gleich ein kleines Exemplar für das Stadtoberhaupt mitgebracht.
»Du konnsch’s nit fasse« hieß es in der Gefängniszelle, wo ein Zechpreller, ein Bändele-Beinesteller und der ZFV-Kapitän eingesperrt waren, der zum FVU geflüchtet war. Am Verkehrsknotenpunkt »Ochsenmühle« blickten die Ortsoberen bei der Baustellenbesichtigung in tiefe Gräben und staunten über das intelligente Ampelsystem, das von der AAM-Chefsekretärin von höchster Warte aus gesteuert wird. »Sie hätten aber können« lautete die Moral von der Geschichte in Pauls Wellness-Hotel, wo so manches Angebot nicht genutzt wurde.
Für besonderen Augenschmaus sorgte das Zunftballett mit zwei rassigen Showtänzen. Einmal wirbelten sie gekonnt im schwarz-weißen Dirndl über den Tanzboden. Dann präsentierten sich die hübschen Tänzerinnen in roter Lederhose und mit großem Lebkuchenherz. Beide Male erklatschte sich das Publikum gerne ein Zugabe.
Singend und musizierend begaben sich die Räte zum großen Finale »auf die Straße nach Süden«, wo die Geschäftsleute aus der Kirchstraße sich verwundert die Augen rieben: »Ajajajei die Stroß ist weg…« Aber »leere Läden müssen raus« sangen sie und gaben die Hoffnung nicht auf: »Und immer wieder geht die Sonne auf«. Und zu mitternächtlicher Stunde schallte es »singe, donze, lache alle mit, denn die Zeller Fasend isch der Hit!«
Teilnehmer am Zunftabend 2018
Anno:
Mathias Damm, Simon Haas, Clemens Halter, Bernd Herrmann, Stefan Polap, Philipp Schilli, Sam Spicker, Sven Wißmann, Mathias Schwarz, Dietmar Fischer, Heizmann Torsten.
Ballett – »du konnsch’s nid fasse«:
Alicia Körnle, Alina Kienzle, Celina Antal, Annalena Loskant, Lorena Schätzle, Lina Künstle, Hannah Ording, Leitung: Susi Dangl.
Mittelnummer (1) – »Sache git’s«:
Mathias Damm, Simon Haas, Sam Spicker, Mathias Schwarz, Sven Wißmann, Dietmar Fischer, Heizmann Torsten, Philipp Schilli, Bernd Herrmann.
d’Bott:
Stefan Polap.
Mittelnummer (2) – »Z-Faktor«:
Mathias Damm, Simon Haas, Bernd Herrmann, Stefan Polap, Philipp Schilli, Sam Spicker, Sven Wißmann, Mathias Schwarz, Dietmar Fischer, Heizmann Torsten.
Ballett – »Dunderwetter«:
Alica Körnle, Alina Kienzle, Celina Antal, Annalena Loskant, Lina Künstle, Amrei Axmann, Leitung: Susi Dangl.
Schneckenpfetzer »Woog of Fäim«:
Clemens Halter, Michael Benz, Bernd Herrmann, Philipp Schilli, Mathias Schwarz, Stefan Polap, Karl-Heinz Hug.
Maske:
Lohgass-Schminkteam.
Bühne:
Thomas Weng, Achim Willmann, Benz Michael, Lukas Halter, Alexander Becker, Felix Brand.
Bühnenbilder:
Philipp Schilli, Sven Wißmann.
Bewirtung:
Narroträger.
Management:
Sabrina Brosamer, Andreas Brosamer, Petrik Schuler.