Schwäbische Artisten mit schwerem Gerät

830 PS kommen für die Holzentrindung zum Sägewerk Burger

Vor seiner Weiterverarbeitung muss Stammholz entrindet werden. Dafür wird schweres Gerät benötigt. Und das kommt im Sägewerk
Burger aus Schwaben.

»Die Einrichtung einer Entrindungsanlage ist nicht zuletzt eine Platzfrage« erklärt Bernd Burger während er unauffällig auf die Armbanduhr schaut. Der Inhaber des Holzwerks Burger ist auf dem Weg zum Mittagstisch. Ein kurzer Blick auf den Holzplatz verrät ihm, ob die Holzentrinder schon da sind. In der vierten Generation liefert der Familienbetrieb Schnittholz und Hobelware aus Tanne, Fichte, Douglasie und Lärche. 15.000 Festmeter gehen jährlich durchs Gatter. Die Stammholz­entrindung erledigt eine mobile Anlage aus Rohrdorf bei Nagold. Durchschnittlich alle zehn Tage kommt die Firma Weiß GmbH auf den Hof. Die heutige Menge schätzt Burger auf 400 Festmeter Tanne und Fichte. Und da kommen sie schon. Burger geht des Weges. Die Schwaben verstehen ihr »Gschäft«. Da muss der Kunde nicht danebenstehen.

830 PS aus 16 Töpfen

Ein rotes Pilotfahrzeug, gefolgt von einer gewaltigen zweiteiligen Maschine auf sieben Achsen rollt auf den Hof. Ein Gespann, das man so nicht alle Tage sieht. Der Mercedes 2648 gehört heute schon zu den Klassikern im Straßenbild. Acht Zylinder liefern 480 PS an die Kurbelwelle. Alle drei Achsen sind angetrieben. Kran und Rollenbahn sind nur ein Teil der Anlage. Der Rest ist auf dem Vierachsanhänger aufgebaut. Das Auge gleitet über Ladekran und Rotor. Unter der Oberfläche verbirgt sich ein Mercedes V8 Diesel mit 350 PS. Genug Leistung für Ladekran, Rotormesser, Antriebs­achse und Lenkung. Je zwei der vier Achsen ruhen auf einem gesonderten Drehkranz. Die letzte Anhängerachse verfügt über einen eigenen Radantrieb. Er kommt auf schwierigem Untergrund zum Einsatz und unterstützt die Zugmaschine bis 10 km/h. Für schwierige Manöver ist am Anhänger eine spezielle Hydrauliklenkung eingerichtet. Sie kann sowohl vom Fahrerhaus als auch vom Beifahrer zu Fuß bedient werden. Die Ladekräne greifen nach beiden Seiten. Das Fahrerhaus ist mit einem Sicherheitskäfig umgeben. Der wirkt als Astabweiser und trägt den vorderen Teil der Rollenbahn. Auf der Straße wirkt der Zug wie eine rollende Festung.

Zeit ist Geld

Es ist Freitag und die Leute wollen nach Hause. Noch während René Schneider das Begleitfahrzeug parkt, springt Wilfried Schmälzle aus dem Fahrerhaus und positioniert die Anlage beim Langholzplatz. Der passende Abstand von Rollenbahn und Messerwerk erfordert ein Abhängen der beiden Fahrzeuge. Der Anhängerdiesel wird gestartet und die Standheizung in den Krankabinen eingeschaltet. Nach dem Hochfahren des Rechners wird ein Vermessungsauftrag angelegt. Schmälzle besteigt den Entnahmekran auf dem Anhänger. Schneider nimmt im Aufgabekran Platz. Was nun folgt hat mehr mit Artistik, denn mit langweiliger Maloche zu tun. Mit dem Aufgabekran greift sich René den ersten Stamm, legt diesen auf die Rollenbahn und führt ihn mit der Spitze in Richtung Rotor. Vor dem Messerwerk sind hintereinander zwei hydraulisch angetriebene Vorschubwalzensysteme angebracht. Die Stachelwalzen greifen den Stamm und führen ihn durch die Messer in ein drittes Walzensystem. Während René schon nach dem zweiten Stamm greift, holt sich Wilfried den nackten Bengel und positioniert diesen eben­erdig. Der Rotor entrindet Stämme bis zu einem Durchmesser von 95 Zentimetern. Wird dieses Maß im Bereich des Wurzelanlaufs überschritten, dann wird der Stamm kurz vor Fertigstellung in Richtung Aufgabekran zurückgeschickt. Bei der Stammablage sind nun beide Kräne gefragt. Stammlängen von 2,50 Meter bis unendlich können bearbeitet werden. Während der Entrindung werden die Stämme vermessen. Das erleichtert zum einen die Rechnungslegung des Entrindungsbetriebes. Ist der Kunde Waldbesitzer, so wird damit eine gesteigerte Flexibilität im Holzverkauf erreicht. Nach drei Stunden findet das Schauspiel sein Ende. Die Akteure von Weiß-Entrindung kehren die Anlage ab, schieben die ausgewor­fene Rinde zusammen und begeben sich ins wohlverdiente Wochenende. Die Rinde wird gesammelt und an ein Sägewerk im Nachbarort verkauft. Dort wird sie im Biomassenheizkraftwerk verbrannt. Wo werden die Leute wohl nächste Woche auftreten? Sägewerke, Wald und Polter aller Art sind ihre Bühne.
»Schönheit vergeht, Hektar besteht …«

…diese Weisheit geben die Schwaben ihren Kindern mit auf den Weg, wenn diese auf Brautschau gehen. Harte Arbeit hinterlässt Spuren. Lack und Chrom sind schön anzusehen. Abgesehen vom Rostschutz sind sie betriebswirtschaftlich eher von zweitrangiger Bedeutung. Wichtiger ist das Geschäftsfeld, auf dem sich ein Unternehmer bewegt und die Frage, ob der Acker noch etwas hergibt. Wenn eine Maschine ein Vierteljahrhundert ihren Job macht, ist sie steuerlich längst abgeschrieben. Vor dem Hintergrund lebhafter Nachfrage kann sich ein Unternehmer beruhigt der Modellpflege widmen. Im vorliegenden Fall reden wir von Load-Sensing-Hydraulik und intelligenter CAN-Bus-Steuerung aus der eigenen Werkstatt. Umbauten, die sich in barer Münze auszahlen. Die Kosmetik kann warten.