Günther Oettinger (CDU), EU-Kommissar für Haushalt und Personal, sprach am Freitagabend im Kulturzentrum Obere Fabrik über die Wichtigkeit, Europa zu stärken. Ein Europa, das in der Nachkriegsgeschichte viel Gutes gebracht hat, sich zunehmend jedoch einem »Wettbewerb der Werteordnungen« ausgesetzt sehe.



Einen »Angie Orange«-Cocktail zur Begrüßung, freie Platzwahl im ungefähr halb besetzten Saal: Die Besucher der Veranstaltung »Politik trifft Comedy« im Kulturzentrum Obere Fabrik freuten sich auf einen abwechslungsreichen Abend mit einem unterhaltsamen Comedy-Warmup und einem hochkarätigen Gastredner als Höhepunkt. Hannes Grafmüller, Vorsitzender des gastgebenden CDU-Stadtverbands Zell a. H.-Unterharmersbach, fasste die aktuelle Ausgangslage zusammen: Deutschland stehe gut da, die Wirtschaft brumme. Er verwies jedoch auch auf die vielen Krisenherde in der Welt und darauf, dass die Wahl am kommenden Sonntag richtungsweisend sei.
Feinde wurden Freunde
EU-Kommissar Günther Oettinger, seit 2010 Mitglied der Europäischen Kommission, warf einen Blick zurück in die Vergangenheit Europas und beschrieb die Gegenwart. Europa erlebe erst blühende Jahre, seit aus Nachbarn, die sich in der Geschichte häufig feindlich gegenübergestanden waren, Freunde geworden seien. Europa sei stabil und ein Friedenskontinent. Er mahnte an, für den Erhalt dieser Werteordnung zu kämpfen. Die Vollendung des Europäischen Binnenmarkts sei bedeutsam, für den gesamten Kontinent und für die einzelnen Nationen an sich. Er fand immer wieder Beispiele, wie sich das Wesen der EU im Leben eines jeden Einzelnen manifestiert: in der Wirtschaft, beim Reisen, beim täglichen Leben entlang der Rheinschiene und in vielen anderen Dingen mehr. Die Mitgliedschaft in der Europäische Union sei eine attraktive Perspektive für viele andere Länder. Die Anwärter zum EU-Beitritt, etwa aus den Nachfolgestaaten Jugoslawiens, hielten sich nichtzuletzt deshalb an die Vorgaben, solange glaubhafte Beitrittsperspektiven bestünden.
Hohe Investitionen in Infrastruktur nötig
Günther Oettinger sprach auch innenpolitische Themen an, etwa dass die Deutschen zusammen mit den Japanern die ältesten Nationen der Welt seien, was Antworten in der Rentenpolitik verlange. Eine Schwäche sah er in der deutschen Skepsis in Hinblick auf Technik und Innovation. Kein Lärm vor der Tür, keine Leitungen über dem Dach – die Deutschen wünschten sich »mit St. Florian ein Paradies auf Erden«. Es entstünden Nachteile in Sachen Infrastruktur, die beseitigt werden müssten. Investitionen in Milliardenhöhe seien nötig, um Straßen, Brücken und digitale Infrastruktur in Schuss zu bringen. Dafür bedürfe es nicht nur Geld, sondern auch beschleunigter Genehmigungsverfahren. Die Grundstückswerte würden sich langfristig nach der Frage bemessen: online oder offline. Bei der europäischen Vernetzung des Schienenverkehrs sah er ebenfalls Handlungsbedarf, damit die Schnellbahntrasse von Rotterdam bis nach Genua bald durchgängig ausgebaut ist.
Gerald Kollek lieh vielen seine Stimme
Am früheren Abend ließ Gerald Kollek viele verschiedene Stimmen von Politikern und Prominenten erklingen. Zu Gast im Kulturzentrum schienen Norbert Blüm und Deutschlands bekanntester Tierfilmer Bernhard Grzimek und viele andere mehr. Das »Literarische Quartett« mit Marcel Reich-Ranicki lebte noch einmal auf. Auch Dieter Bohlens Sprüche und Bruce Darnells »Ick muss schon wieder weinen« holte er nach Zell. Schröder, Merkel, Seehofer, Lindenberg und Lagerfeld, – eine bunte Mischung unterschiedlichster Charaktere verschmolz in seiner Performance miteinander. Grandios der Part, in dem er Teile von Stoibers Transrapid-Rede aus dem Jahr 2008 imitierte und Inge Meysel ins Kulturzentrum brachte.
Zur Person
Günther Oettinger (CDU) ist seit 2010 EU-Kommissar, zunächst für das Ressort Energie, später für Digitalwirtschaft. Seit Anfang des Jahres 2017 ist er EU-Kommissar für Finanzen und Personal. Von 2005 bis 2010 war er Ministerpräsident des Landes Baden-Württemberg.