Zell ist immer eine Reise wert. Nicht nur, aber besonders auch wenn man ein Freund des Hafnerhandwerks ist. Seit mehr als zwei Jahrhunderten hat diese Kunst ihren festen Platz in der Stadtgeschichte. Vor 223 Jahren wurde die Zeller Keramik gegründet. Nur ein Jahr später, im Jahre 1795, die Stadthafnerei durch Hafnermeister Ferdinand Schreiber.










Johann B. Schreiber, ein Nachfahre von Ferdinand Schreiber, ist in Zell geboren und mittlerweile in der Schweiz ansässig. Er regte einen Besuch der »Keramikfreunde der Schweiz« in seinem Heimatort im Schwarzwald an.
Am Donnerstag und Freitag wird der Verein, in dem sich Keramik-Interessierte, -Experten, -Sammler und -Schaffende aus der Schweiz zusammengefunden haben, im Harmersbachtal zu Gast sein und in der keramischen Geschichte der Stadt Zell und in der der Familie Schreiber forschen.
Am Donnerstag, 22. Juni, informieren sich die Besucher über die industrielle Herstellung in der Zeller Keramikmanufaktur und erleben dort, wie »Hahn und Henne« auf die Keramik gelangen. Am späten Nachmittag steht ein »Apéro« in der historischen Umgebung an der »Alten Waschküche« auf dem Programm, anschließend ein kleiner Rundgang durch das historische Städtle.
Neue Keramik-Exponate im Storchenturm
Die Sonderausstellung im Storchenturm-Museum unter dem Titel »Schreiber Keramik – gestaltendes Handwerk seit sechs Generationen« bietet einen Rückblick auf 222 Jahre keramische Familientradition. Sie wird am Freitag, 23. Juni, um 9 Uhr mit einem Grußwort von Bürgermeister Günter Pfundstein an die Schweizer Gäste eröffnet und ist dann der Öffentlichkeit bis Sonntag, 30. Juli, zugänglich. Für die »Keramikfreunde« darf natürlich auch ein Besuch des Rundofens nicht fehlen, des imposanten Industriedenkmals, in dem auf drei Brennetagen einst Porzellan gebrannt wurde. Nach einer abschließenden Schlussrunde mit Ausstellungsinitiator Johann B. Schreiber durch das Foyer des Storchenturm-Museums und dem damit verbundenen Gang durch die 222 Jahre seiner keramischen Familiengeschichte, für die Johann B. Schreiber etliche besondere Exponate nach Zell brachte, geht es für die Gäste auch schon wieder zurück nach Zürich.
Hafnerhandwerk seit sechs Generationen
Den Grundstein für die keramische Familientradition legte Ferdinand Schreiber (geb. 1761) im Jahr 1795 in Zell am Harmersbach. Vom Gründer, der zugleich sein Onkel war, übernahm Cajetan Schreiber (1819 – 1865) die Geschäftstätigkeit und gab das Unternehmen später an seinen Sohn Johann Baptist Schneider (1847 – 1929) weiter. Seine Söhne Albert (1875 – 1950) und Julius Emil (1877 – 1927) führten die Familientradition fort. Albert gründete eine eigene Werkstätte in Bühl/Baden, Julius übernahm bereits im Alter von 23 Jahren das elterliche Geschäft.
Der Stadtbrand von 1904 zerstörte das Anwesen der Familie Schreiber. Modelle und Formen für die Ofenkacheln waren verloren. Die Hafner bauten eine neue Werkstätte an der Hinteren Kirchgass’ und investierten in moderne Technik. Als dann 1910 die Elektrizität nach Zell am Harmersbach gelangte, stand einer der wenigen Elektromotoren der Stadt in der Hafnerei Schreiber, für den Antrieb der Tonaufbereitungsmaschine. In den 1930er Jahren arbeitete der begabte Kachelfachmann Albert Schreiber Junior (1905 – 1938), vom Bühler Zweig der Verwandtschaft kommend, im Geschäft seines Onkels.
Technische Innovation
Die folgende Generation der in Zell gebliebenen Schreibers mit Emil Julius Schreiber (1907 – 1991) erbaute Anfang der 1930er Jahre an der Nordracher Straße eine moderne Werkstätte mit angeschlossenem Laden und Wohnhaus. Kurz vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs zerstörten jedoch Bomben die Überbauung, und die alte Werkstatt in der Kirchgass’ wurde wiederbelebt. Mit der Inbetriebnahme eines elektrischen Brennofens im Jahre 1951 konnte eine breite und ausgeglichene Farbpalette für Ofenkeramik hergestellt werden. Das führte dazu, dass in den folgenden Jahren viele reichbemalte Stilöfen und wertbeständige Bauernöfen die Werkstätte verließen.
1956 wechselte Emil Julius Schneider aus gesundheitlichen Gründen als keramischer Leiter an die führende Kachelofenfabrik, der Emil Löw KG, nach Baden-Oos.
Moderne Zeiten und alte Handwerkskunst
Damit ist die Familiengeschichte noch nicht zu Ende erzählt. Sein Sohn Emil Alexander (1929 – 2013) übernahm die Sparte »Ofenbau und Plattenbeläge«, begann eine Ausbildung zum Ofensetzer beim Oberinnungsmeister F. Lienhard in Triberg und beendete sie 1947 bei seinem Vater. 1955 legte er die Prüfung zum Ofensetzermeister ab, bildete sich später zum Meister für Zentral- und Luftheizungsbau weiter und erweiterte 1966 das Firmengelände zu einer großzügigen Gewerbeliegenschaft.
Der jüngere Sohn, Johann Baptist (geb. 1942), erlernte bei der Emil Löw KG unter der Leitung seines Vaters den Beruf des Kachelformers. Er ging in die Schweiz zur Gebr. Mantel AG, Kachelofenfabrik, wo er in seinem Chef Gustav Mantel einen wertvollen Mentor fand. Er besuchte erfolgreich die »Ecole suisse de Céramique« bei Lausanne und absolvierte eine zweite Ausbildung als Töpfer an der Keramischen Fachschule in Bern. Nach der erfolgreichen Meisterprüfung im Jahre 1967 entschied sich Johann Baptist in der Schweiz zu bleiben.
»Schreiber Keramik« in der Schweiz
1980 gründete er seine Werkstätte für Ofenkacheln und Baukeramik. »Schreiber Keramik« ist in Guntershausen/Aadorf beheimatet und steht für individuelle Gestaltung und qualitätsvolles Handwerk. Mit Reproduktionen und Ergänzungen für Kachelöfen aller Stilrichtungen und Baukeramik für Innen und Außen hat sich die Werkstatt in den vergangenen Jahrzehnten einen besonderen Namen gemacht.