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Oberharmersbach | 25.10.2023

Bevölkerung wird eingebunden

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Das 1923 erbaute Pfarrhaus Oberharmersbach war Schauplatz von Missbrauch. Die große Frage, was damit passieren soll, wird nun in einem Gremium, dem „Runden Tisch“ besprochen. Foto: Lehmann-Archiv
von Karl-August Lehmann

Rund 20 Personen aus verschiedenen Organisationen der politischen und kirchlichen Gemeinde Oberharmersbach zählen künftig zum „Runden Tisch“, der sich mit der Zukunft des Pfarrhauses befassen wird.

Foto: Lehmann-Archiv
Arbeitstagung: Tobias Lang (links) und Frank Domonell werten als Mediatoren die Beiträge des „Runden Tisches“ aus. Rechts im Bild Pfarrer Bonaventura Gerner.

Das Gremium will Alternativen ausloten, wie es mit dem Pfarrhaus weitergehen könnte. In einer Bürgerversammlung sollen diese diskutiert werden.

Pfarrhaus wird so nicht mehr gebraucht

Wegen der Neuorganisation der Pfarreien in der Erzdiözese Freiburg und der sich verändernden pastoralen Schwerpunkte wird das unter Denkmalschutz stehende und seit 2009 als „Kulturdenkmal der Gemeinde“ eingestufte Pfarrhaus in seiner heutigen Nutzung nicht mehr benötigt. Über die künftige Verwendung oder dessen Fortbestand gehen die Meinungen weit auseinander. Wegen des dort Jahrzehnte lang verübten Missbrauchs stehen die Forderung nach Abriss dieses „Schandmals“ ebenso im Raum wie eine tiefgreifende bauliche Veränderung für eine Begegnungsstätte oder gemeinnützige Räumlichkeiten.

Missbrauch noch nicht aufgearbeitet

Tobias Lang und Frank Domonell von der Unternehmensberatungsgruppe „trigon“ haben als Mediatoren mit einer Steuergruppe bei elf Terminen das jüngste Treffen vorbereitet. Sehr bald stellte sich heraus, dass genauso ergebnisoffen, wie die Entscheidung über das Pfarrhaus, der Termin über eine endgültige Entscheidung sein wird. „Eine große Frage bleibt: Was passiert mit dem Pfarrhaus?“ stellte Tobias Lang fest. Das Thema aber sei größer als das Pfarrhaus. Den Missbrauch allgemein habe man bisher nicht ernsthaft und dauerhaft aufgearbeitet, der seit über 30 Jahren vor sich schwele. „In Gesprächen zeigt sich, dass die Gemeinde traumatisiert ist“ diagnostizierten die Mediatoren übereinstimmend. Es gäbe noch immer Gesprächsbedarf. Vertrauen müsse in erster Linie geschaffen werden, ebenso Räume, ob „physisch“ oder als Angebot, und der „Runde Tisch“ sei auch ein Sprachrohr für diejenigen, die nicht sprechen können oder wollen. Nur so könne auch der „Heilungsprozess“ insgesamt vorankommen.

Schaubild macht toxisches Geflecht sichtbar

Anonymisierte Zitate aus Briefen, die an Mitglieder der Steuergruppe gerichtet waren, zeigten noch einmal den ganzen Abgrund des Missbrauchs. Auf Anregung der Mediatoren ging der „Runde Tisch“ der Frage nach, warum dieser Missbrauch über Jahrzehnte an Dutzenden von Knaben nicht früher aufgedeckt worden war. Als „toxisches Geflecht“ von Gründen hielt Frank Domonell die erarbeiteten Beiträge der Teilnehmenden auf einer Tafel fest. Diese reichten von der Tradition und Hierarchie in Kirche und Gemeinde, über Obrigkeitsdenken und Erziehungsstil, Manipulation und Schuldumkehr bis zur fehlenden Zivilcourage, Gruppenzwang und nicht zuletzt einem undurchschaubaren Netzwerk und Allianzen innerhalb und außerhalb der Kirche.

Was braucht es, um die Sprachlosigkeit zu überwinden?

Aufgrund der vielschichtigen Sichtweise über die Zukunft des Pfarrhauses hatte es die Steuergruppe bisher nicht einfach, und einfacher wird es auch für den „Runden Tisch“ als begleitendes Gremium nicht. „Für die Zukunft des Pfarrhauses gilt: was ist menschlich gewollt, nicht was ist baulich möglich“ umriss Lang den künftigen Weg. Er und sein Kollege Domonell hätten „großen Respekt vor diesem offenen Prozess“. Schilderungen, welchen Leiden die Betroffenen ausgesetzt waren, seien nur unter großer Belastung zu ertragen. Daher sei vorrangig, bei diesen, während des weiteren Prozesses mit den entsprechenden Rahmenbedingungen, die teilweise noch immer vorhandene „Sprachlosigkeit“ zu überwinden. Es gehe bei den Lösungsvorschlägen nicht um Mehrheitsentscheidungen, sondern eine möglichst breite Basis soll hinter der gefundenen Entscheidung stehen.

Transparenz steht an erster Stelle

„Jeder soll Position beziehen, ob er in diesem Gremium mitarbeiten will“, forderte Frank Domonell die Anwesenden zum Schluss der Veranstaltung vor dem Hintergrund des nun klaren und deutlich geweiteten Prozesses auf, die sich nicht im „Runden Tisch“ eingebracht haben. Die rund 20 Bürgerinnen und Bürger sprachen sich geschlossen für eine weitere Mitarbeit aus und werden sich mit den weiteren Vorbereitungen beschäftigen.

Zuerst sollen mit den Mediatoren verschiedene Szenearien entwickelt, Chancen und Risiken abgewogen werden. In der anschließend vorzubereitenden Bürgerversammlung steht die Transparenz über mögliche Varianten an erster Stelle. Anregungen und Rückmeldungen daraus erhält erneut der „Runde Tisch“.

Eigentümer wollen jede Entscheidung mittragen

Erst dann befinden die „Entscheidungsgremien“ – Pfarrgemeinderat und Stiftungsrat – als Eigentümer abschließend über die endgültige Variante. Die Erzdiözese Freiburg hat bereits – schriftlich – signalisiert, jede Entscheidung, die vor Ort getroffen wird, mitzutragen. Über die letzte rechtliche Hürde –Denkmalschutz – wird späterzu befinden sein, um auszuloten, wie gravierend man in dieaktuelle Bausubstanz eingreifen kann und darf beziehungsweise, ob sie überhaupt benötigt wird.

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