»Die Geschichte unseres Familienbetriebs spiegelt sozusagen die allgemeine Entwicklungsgeschichte eines Berufsstands wieder«, erklärt Roland Bilharz, seines Zeichens Blechner sowie Gas- und Wasserinstallateurmeister. Was er sagt, begleitet sein Vater, der Schlossermeister Erwin Bilharz, mit kräftigem Kopfnicken.
Alles begann mit dessen Großvater, Rolands Uropa also, der das Schmiedehandwerk ausübte. Die Schmiede stand in Oberharmersbachs Hauptstraße, in 50 Meter Entfernung vom heutigen, 1964 errichteten Bilharz’schen Standort mit Werkstatt, Ausstellungsräumen und dem bereits vom Urahn initiierten Laden für Kleineisen- und Haushaltswaren.
Zu den Zeiten von Erwins Vater (1903 geboren) wurde der Handel zwar fortgeführt, das Handwerk jedoch lag eine Weile brach. Was am Weltkrieg lag. Als der Soldat einige Jahre nach dessen
Ende aus der Gefangenschaft zurückkehrte, suchte er sich eine Anstellung bei der Eisenbahn.
Erwin Bilharz selbst – heute stolze 84 Jahre alt – widmete sich dem Schlosserhandwerk. Beispielsweise Geländer und Tore stellte er her, teils aber auch Wasserrohre. Er schweißte, lötete – und er schmiedete. Denn der Beruf des Schlossers geht auf den des Schlosschmieds zurück, der im Mittelalter zu den Werkzeug- und Kleinschmieden gehörte. Mit der Mechanisierung im Zuge der industriellen Revolution trennten sich die beiden Berufe.
Der von Roland Bilharz gewählte Berufszweig des Installateurs wiederum stellte früher einen Teilbereich des Schlosserhandwerks dar, ebenso wie die Blechnerei, »alles drei zusammen war praktisch ein Beruf.« Wobei der Installateur naturgemäß erst entstand, als Wasserleitungen ins Haus verlegt wurden und die Schöpfbrunnen ausdienten – erst ab dem 20. Jahrhundert besaß ein Großteil der Bevölkerung ein eigenes Bad, zumindest im städtischen Raum.
Adé den Plumpsklos
Und auch die Toiletten wanderten nach innen, hatten sie sich doch früher im Außenbereich des Hauses oder in Form der berühmt-berüchtigten Plumpsklos vollständig außerhalb befunden – wie es Erwin Bilharz und teils auch noch Sohn Roland erlebt haben.
»Als Gas- und Wasserinstallateur hat man zu meiner Zeit noch beides gelernt: die Installation und die Blechnerei«, erklärt der 54-Jährige, der den Familienbetrieb im Jahr 2000 in vierter Generation übernommen hat. »Aber weil alles immer anspruchsvoller wird, muss man bestimmte Bereiche aus einem Beruf rausnehmen und in einen separaten Beruf ausgliedern.« Andernfalls könne man sich das heutzutage in rasantem Tempo immer umfangreicher und komplexer werdende Wissen nicht in einer dreijährigen Lehrzeit aneignen.
Als Blechner befasst sich der Oberharmersbacher nicht mehr mit Schweißen und Schmieden, sondern »mit allem, was mit Blechen am Dach zu tun hat.« Dazu schneidet er 30 Meter lange, auf Rollen angelieferte Bleche maschinell auf die benötigten Maße zurecht. Anschließend werden sie gekantet, also gebogen, bis zu einer Länge von sechs Metern.« Beispielsweise Dachrinnen und Regenrohre entstehen auf diese Weise, sowie Verkleidungen von Dachgauben aber auch Kirchtürmen, desgleichen die Einfassungen von Kaminen – körperliche Fitness ist bei alledem unabdingbar.
Möglichst wenig löten
»Das eigentlich Schwierige bei der Blechnerei sind die Verbindungen, an denen die Bleche zusammentreffen«, meint Roland Bilharz. »Das wird meistens über Verfalzungen gemacht, über Deckungen und so weiter.« Das in der Werkstatt Vorgefertigte wird an der Baustelle montiert. Zwar zeichne er sich das eine oder andere zuvor auf, aber viel sei auch im Kopf: »Beim Blech muss man sich vorher alles genau überlegen und sich vorstellen können, wie es nachher aussehen soll. Andernfalls muss man anschließend viel löten.« Genau das aber will der Qualitätsbewusste vermeiden, »weil eine Lötnaht eine potentielle Schwachstelle ist und natürlich auch nicht so schön aussieht.«
Eine weitere Bandbreite erhält Bilharz’ handwerkliches Tun durch seine Tätigkeit als Installateur, die neben dem gesamten Prozess von der Planung bis hin zum fertigen Bad selbstverständlich auch Reparaturen umfasst. Dass er sonntags oder nachts zu Notfällen gerufen wird, ist jedoch eher selten. »Der Betroffene kann sich ja meistens dadurch helfen, dass der Haupthahn zugedreht wird. Oder wenn die Toilettenspülung nicht mehr funktioniert, stellt er sich ’nen Eimer Wasser bereit.«
Schwierig dagegen wird es für Roland Bilharz, wenn bei einem Leck in der Wasserleitung nicht zu sehen ist, wo genau es sich befindet. Hilfreich sind hier die Erfahrungswerte des Installateurs sowie moderne Hilfsmittel wie Metallsuchgeräte, Wärmebildkameras und Ultraschallgeräte, »aber manchmal muss man trotzdem noch suchen.« Dass es die genannten Hilfsmittel zu früheren Zeiten nicht gab, war kein Problem. Denn da lagen die Leitungen nicht in der Wand oder unter Putz, sondern frei zugänglich auf der Wand.
Es war einmal: Eisen und Blei
Auch in den Jahrzehnten, die seit vielseitigen Handwerkers Lehrzeit ins Land gegangen sind, ist vieles nicht geblieben, wie es war. »Im Blechbereich gibt es viele Materialien, die es früher nicht gegeben hat und mit denen man sich auskennen muss.« Was auch für die Installation gilt. »Früher hat es mit Eisen- und auch Bleirohren angefangen, dann kamen Kupferrohre, und heutzutage ist bei den Rohren fast alles aus Kunststoff.«
Auch die Art der Verbindung hat sich verändert: Es wird nicht mehr gelötet, sondern verpresst – was bedeutet, dass jedes Rohrleitungssystem ein eigenes Gerät zur Verbindung der Rohre benötigt.
Alles in allem ist es die Vielseitigkeit, die Roland Bilharz an seinem aus alten Berufen entstandenen Handwerkerleben so gefällt, die Abwechslung. »Wenn schönes Wetter ist, dann bin ich gern draußen auf den Dächern, da ist es richtig schön«, strahlt er. Bei Regen oder gar Eis und Schnee hingegen »ist natürlich die Installation schöner, wo man sich drinnen aufhält.« Und in allen Fällen freut er sich darüber, »dass man sieht, was man gearbeitet hat, man sieht das Ergebnis.«
Sorgen über die Zukunft macht sich der verheiratete Vater zweier Kinder nicht: »Es werden überall Handwerker gesucht, aber von denen gibt es immer weniger, und Lehrlinge findet man nur noch ganz schwer.«
Handwerk
Die Herstellung von Weißblech geht bis ins 17. Jahrhundert zurück. Blechmacher – auch Blechschmied genannt – stellten damals kleinere Platten her, beizten sie mit Roggenkleie und tauchten sie als Schutz vor Korrosion in flüssiges Zink.
Der Blechner hat sich aus dem Schlosserhandwerk als eigener Berufszweig entwickelt. Gleiches gilt für den Gas- und Wasserinstallateur. Dieser Beruf heißt seit 2003 »Anlagenmechaniker« und vereint die Gebiete Sanitär-, Heizungs- und Klima- sowie Solartechnik. Die Blechnerei beinhaltet er seither nicht mehr, die Berufsbezeichnung »Schlosser« gibt es seit 1998 nicht mehr.