An etlichen Plätzen findet man im Gemeindewald Spuren des »Girgisenschninders«, der vor nahezu 200 Jahren seinen Fähigkeiten als Steinmetz freien Lauf ließ und so Signaturen auf Sandsteinen der Nachwelt beschert hatte.
Die Überlieferung dazu wurde früher beim, »z Liecht guh« in der einen oder anderen Ausschmückung wohl immer wieder zum Besten gegeben. So wurde erzählt, dass ein Sohn der Gemeinde, wie damals üblich, von seinem Vater dazu bestimmt war, wie er das Schneiderhandwerk zu erlernen, obwohl der Sprössling lieber seine künstlerische Ader ausgelebt hätte.
Wohl vom Gorgisenberg stammend, wie der im Dialekt überlieferte Name »Girgisenschninder« vermuten lässt, fand der verhinderte Steinhauer andere Wege, um sich mit dem einen oder anderen Kunstwerk zu verewigen. Im weitläufigen Allmendwald, den die Gemeinde Oberharmersbach 1832 nach hartnäckigen Verhandlungen der badischen Obrigkeit für ein Spottgeld abgeluchst hatte und seither als ihr Eigentum bezeichnet, bot der anstehende Buntstandstein mit seinen riesigen
Blöcken ein vielfältiges Betätigungsfeld. Nach und nach entstanden kleine in Stein gehauene Figuren, die auch alsbald als Gewannnamen der weiteren Orientierung dienten.
Jeder Waldarbeiter wusste, wo gearbeitet wurde, wenn von der »Gans« (Abteilung 11/12 oberhalb vom Langhärdle) oder der »Schnurhaspel« (Abt. 28 Richtung Oberwolfach) die Rede war. Der »Girgisenschninder« griff auch die eine oder andere schon bestehende Bezeichnung auf, so mit seinem »Teufelstein« im Wasserloch, im Volksmund mitunter »in der Höll« tituliert, am Talschluss des Zuwälder Tals gelegen.
Auch die »Schninderschär« (Abt. 24) ist ein solcher markanter Punkt. Im hinteren Zuwald, wo der Weg durch das enge Tal des Zuwälder Baches Richtung Mühleckle abzweigt, hat der »Girgisenschninder« mitten im Wald einen geeigneten Stein gefunden, in den er eine Schere und die beiden Buchstaben »OH« in einen Sandstein gehauen hat.
Bisher lag der tonnenschwere Klotz im Wald etwas abseits, nur wenigen vertraut, die hier im blocküberlagerten Gelände immer wieder ihrer Arbeit nachgingen. Die Jagdhornbläser, die bisher schon das eine oder andere Mal bei der Überarbeitung von markanten Steinen oder der Herrichtung von Brunnen angenehm aufgefallen waren, verschafften der »Schninderschär« jetzt größere Beachtung und Aufmerksamkeit.
Was die rührigen Bläser nicht mit ihrer Hände Arbeit bewältigen konnten, erledigte Bernd Huber mit seinem Schlepper. Der riesige Sandsteinblock »wanderte« rund 80 Meter hangabwärts an den besagten Wegrand, wo er in fast aufrechter Stellung ein auffälliges Plätzchen fand, angestrahlt von der Morgensonne. Das Moos wurde entfernt, die Konturen der Schere und die Buchstaben neu ausgemalt.
Und der »Girgisenschninder«? Mehr als die kurze Geschichte über seinen vermutlichen Werdegang ist nicht überliefert, weder Vor- noch Familienname. Seine Signaturen hat er wohl in den 1820er Jahren geschaffen, wie die Jahreszahl bei der »Gans« und beim Teufelstein (1827) belegt. Vielleicht hat er zehn Jahre später doch noch seiner Lieblingsbeschäftigung nachgehen können, denn als die ersten Steine für die Oberharmersbacher Pfarrkirche 1836/37 gehauen wurden, waren mitunter über 30 Steinmetze auf der Baustelle. Möglicherweise war der »Girgisenschninder« einer von ihnen…