Seit einigen Tagen sind wieder gewohnte Klänge aus dem Probelokal zu hören. Allerdings etwas ausgedünnt, denn proben kann die Miliz- und Trachtenkapelle nur in Gruppen. Schlagzeug, Blech oder Holz trifft sich in Corona-Zeiten zu verschiedenen Terminen.
Der Freitagabend hat ihn wieder. Dirigent Rüdiger Müller sitzt wie gewohnt auf seinem Dirigentenstuhl. Die Anspannung der letzten Wochen ist ihm anzumerken, nicht nur wegen des Entzugs seiner Musikerkameraden, ihn plagte auch die Sorge um seine berufliche Zukunft. Doch als nach und nach die Holzbläser mit Abstand im weiten Rund Platz nehmen, hellt sich seine Miene zunehmend auf.
Es musste sich wie ein Schlag in die Magengrube angefühlt haben. Rüdiger Müller hatte im Januar 2019 mit frischem Elan die Oberharmersbacher Musiker unter seine Fittiche genommen und mit dem Weihnachtskonzert einen fulminanten Einstand gefeiert, da kam es knüppeldick. Das Jahr war keine drei Monate alt, da waren die Vorbereitungen für den internationalen Wettbewerb »Flicorno Dóro XXII« in Riva del Garda in Norditalien Makulatur. Der Termin wurde verlegt, die Corona-Pandemie dominierte immer mehr den Alltag und damit auch den Rhythmus der Miliz- und Trachtenkapelle.
Der reguläre Probetermin am Freitagabend stand nunmehr zur freien Verfügung. Sehr bald machten sich die ersten Entzugserscheinungen breit. In der zweiten Aprilhälfte behalf man sich mit Video-Konferenzen, um die zwangsverordnete Pause zumindest virtuell zu überbrücken. Nach 15 langen und langweiligen Wochen kehrte jetzt ein kleines Stück Alltag zurück.
Aber es ist noch immer einiges anders. Vorstandsmitglied Michael Gutmann erläuterte zu Beginn der Probe das Hygienekonzept, das die Kapelle erstellen musste, um eine mögliche Gefährdung weitestgehend auszuschließen. Hände desinfizieren, Ein- und Ausgänge einhalten, Speichel entsorgen, und was so alles zu diesem umfangreichen Konzept dazugehört.
Dirigent Rüdiger Müller ist für die erste Probe des Holz-Registers bestens vorbereitet. Trotz allem schien in den letzten Tagen bei ihm der Optimismus wieder Regie geführt zu haben. »Das Programm für das Jahreskonzert an Weihnachten ist fertig«, strahlt er und zeigt die Partituren von »Armenian Dances«, »Amazing Impressions« und »Bulgarian Dances Part II«. Aufgeführt würden auch »Machu Picchu – City in the Sky« und »Marea Negra«, das Anton Alcalde mit 14 Jahren komponiert hat. Dass das Konzert stattfinden wird, ist seine feste Überzeugung. »Wie es auch immer ausgehen wird, wir proben dafür«, gibt er sich zuversichtlich.
Zuvor wird man sich möglicherweise noch auf neues Terrain begeben. »Wir planen auf jeden Fall noch ein Open Air Konzert«, liebäugelt der Dirigent mit einem »Rasenspiel« auf dem Sportplatz. Dann werde man weitersehen und vielleicht komme auch noch ein Kurzkonzert zustande.
»Symphonic warm up« wird zu Beginn der Probe aufgelegt. »Wir wollen langsam drüber gehen und wieder reinfinden«, gibt er den Einsatz. Und mit den Tonleiterübungen und den folgenden Etüden und Chorälen ist das vertraute Klangbild schon wieder zu hören und lässt so die rund 30 Musiker des geladenen Registers allmählich an die gewohnten Ansprüche anknüpfen.





