Seit jeher hatten die Bürger des Kirchspiels Harmersbach Anspruch auf Holz aus dem Allmendwald. Im Laufe der Jahrhunderte gab es immer wieder Änderungen sowohl bei der Anzahl der berechtigten Bürger wie auch bei den zugeteilten Holzmengen. 1966 wurde die Bürgerliste geschlossen und die Neuaufnahme von Bürgern in dieses althergebrachte Recht gestoppt.
Bei einer durchschnittlichen Abgabe, daher auch die Bezeichnung »Gabholz« – von ca. 15 Ster Holz wurden jährlich mehrere Tausend Ster an rund 300 Bürger verteilt. Eine deutliche Zäsur schien sich anzubahnen, als mit dem Übergang des Reichstals Harmersbach an Baden die neue Herrschaft auch die bisher geltenden Rechte und Besitzansprüche des Klosters Gengenbach für sich reklamierte. Damit forderte das Großherzogtum Baden Zugriff auf den Allmendwald im ehemaligen Reichstal.
Doch Karlsruhe hatte nicht mit der Sturheit der Oberharmersbacher Verwaltung gerechnet. Eine beispiellose Pokerrunde begann, die mit dem Begriff »Unverfrorenheit« nur unzulänglich zu umschreiben ist. Den ursprünglich geschätzten Wert des Allmendwalds an Fläche und Holzmasse von rund 100.000 Gulden handelte die Gemeinde mit allen möglichen und unmöglichen Argumenten schließlich auf 4.500 Gulden herunter. Dafür erhielt 1832 Oberharmersbach einen nahezu 1000 Hektar großen Gemeindewald. Zwei Jahre später hatte sie diesen beinahe lächerlichen Betrag getilgt.
Jetzt wurde der Bürgergenuss in der Gemeindeordnung exakt festgelegt, vorläufig zumindest.
Der »Bürgergenuss« bestand darin, dass jeder Bürger das »benötigte bau und nuzholz jährlich aus dem gemeindswald von undenklichen Zeiten her« erhalten hat. Der Anspruch wurde zugeteilt, wenn ein Bürger das 25. Lebensjahr vollendet, ein eigener Haushalt bestand oder ein Gewerbe auf eigene Rechnung angemeldet war. 1862 wurde die Zahl der Genussbürger auf 396 festgelegt, zuvor war sie erheblich niedriger. Die Liste wurde nur ergänzt, wenn ein Genussbürger wegzog oder starb.
Wert des Holzes war Berechnungsgrundlage
Eine komplizierte Rechnung ermittelte das sogenannte »Einkaufsgeld«. Dieses orientierte sich am Wert des Holzes. Fällig war dann der fünffache Betrag des ermittelten Wertes. Als Gegenwert erhielt der Berechtigte in aller Regel lebenslänglich eine Holzmasse von »4 Klafter (1 Klafter = vier Ster, der Verf.), davon drei Klafter gemischtes Scheiterholz auf dem Stock, einen halben Klafter buchenes Brennholz (Lichtspäne) und einen halben Klafter Abfallholz (Reisig, Späne etc.)«.
Die Vergabe »auf dem Stock«, also in ganzen Stämmen, monierte die badische Regierung gleich mehrfach. Das Holz solle insgesamt als aufbereitetes Brennholz abgegeben werden, so lautete die Rüge aus Karlsruhe. Das hatte seinen Grund: Nicht wenige der Genussberechtigten haben wohl das »Holz auf dem Stock« als Stammholz verkauft, zumal viele von ihnen kleine Waldstücke besaßen, um ihren Brennholzbedarf selbst zu decken.
Mehrere Klagen folgten, bis in einem Prozess die »Harmersbacher Sonderregelung« endgültig gekippt wurde und eine neuerliche Neuregelung des Bürgernutzens anstand. 1901 ging man deshalb dazu über, den Bürgernutzen in Geld auszubezahlen. So wurden 1893 60,45 Mark festgesetzt (Ermittelter Reinerlös für ein Ster: 4,03 Mark).
Nach 1945 erfolgte die Fortschreibung der Bürgerliste im Bürgerbuch der Gemeinde. Für eine Schreibgebühr von 11,41 Mark konnte sich jeder mit Vollendung des 25. Lebensjahres eintragen lassen, um bei einem frei werdenden Platz in den Genuss einzurücken.
1959 erreichte der Bürgernutzen seinen Höchststand
Der Bürgernutzen war nicht zu verachten. Im ersten Jahr nach der Währungsreform wurden 30 Mark ausbezahlt, 1959 erreichte der Bürgernutzen mit 150 Mark seinen Höchststand. Dann ließen steigende Lohnkosten diesen Betrag ständig schrumpfen, zuletzt auf 15 DM im Jahre 1968.
Das »Gesetz über das Gemeindegliedervermögen« vom 18.11.1968 verlangte eine Schließung des Bürgerbuches. Seit diesem Zeitpunkt erfolgten keine Neueintragungen, die Liste der Genussbürger wird seither Jahr für Jahr immer kürzer.
Schon 1990 war die ursprüngliche Zahl von 396 um fast zwei Drittel auf 136 geschrumpft. Früher herrschte mitunter im Raum der Gemeindekasse reger Publikumsverkehr, wenn die »Genussbürger« ihre 15 Mark persönlich abholten, aber selten in dieser Höhe auch nach Hause brachten. Die Verlockung der vier Gaststätten in unmittelbarer Rathausnähe war einfach zu groß…
Heuer sind gerade noch fünf Genussbürger registriert, die sich über den jährlich gewährten Betrag von 7,67 Euro freuen dürfen. Davon ist die Bürgergenussauflage, eine Verwaltungs- bzw. Arbeitsgebühr, in Höhe von 7,05 Euro bereits abgezogen. Das über Jahrhunderte gewährte Recht des Bürgernutzens löst sich also biologisch.