Lösung: Ein interessantes Bild über die Anfänge des Tourismus vermittelt die Nachricht vom 9. September 1919 auf dieser Postkarte. Sie lautet:
»Seit 14 Tagen bin ich hier in Oberharmersbach. Verpflegung und Umgebung sehr gut« – ein Kompliment nicht nur für die noch junge Bahnhofswirtschaft »Schwarzwälder Hof«. Aber dann bricht es aus dem damaligen Feriengast heraus: »Nur furchtbar langweilig. Länger wie drei Wochen bleibe ich nicht hier.« Es grüßt eine »Melly Zenka« ihre Freundin Else Bökemann in Karlsruhe.
Der Tourismus in Oberharmersbach begann nach der Fertigstellung der Harmersbachtalbahn als zartes Pflänzchen zu wachsen, dann brach der Erste Weltkrieg aus. Für das Jahr 1913 weist ein einzelner Meldezettel 3.058 Übernachtungen aus.
Nach dem Friedensschluss 1919 nahmen die Übernachtungszahlen wieder zu. Die Anbindung an die Bahn erwies sich dabei als großer Vorteil. Das Angebot für die Feriengäste wurde erweitert, unter anderem mit der Eröffnung eines Schwimmbades im Jahre 1924. 1935 wurden 7.020 Übernachtungen gezählt; 1942 zählte Oberharmersbach unter anderem mit dem Zustrom von Urlaubern über die KdF-Organisationen (Kraft durch Freude; eine nationalsozialistische Gründung zur Kontrolle und Gleichschaltung des Urlaubs für die deutsche Bevölkerung) einen vorläufiger Höchststand mit 21.926 Übernachtungen.
Der Aufwärtstrend wurde erneut durch die Kriegsjahre jäh gestoppt, ehe in den 1950er Jahren der Tourismus sich allmählich zum wichtigsten Wirtschaftsfaktor entwickelte.
Die Postkarte dürfte um 1910 entstanden sein. Da sie 1919 abgeschickt wurde, ist zu vermuten, dass aufgrund des Ersten Weltkrieges und der folgenden Schwierigkeiten kaum jemand die Muse hatte, unmittelbar nach Ende des Krieges neue Postkarten für den Tourismus drucken zu lassen, zumal die Ressourcen wohl nicht da waren und man ganz andere Sorgen hatte.
Wie man auf der Postkarte sieht, ist die Bahn fertiggestellt, ebenso das Gasthaus »Schwarzwälder Hof« (1909), links unterhalb davon ist der damalige Rundholzplatz des Sägewerks Landolin/Wilhelm Lehmann zu sehen. In der unteren Hälfe am linken Bildrand kann man den »Küblerweg« nur erahnen, zu sehen sind an der Dorfstraße das frühere Haus Lay (»’s Lay-Schuhmochers«), links davon das Anwesen Huber (mit Kübler-Werkstatt).
Einsam stehen beim oberen Bahnübergang die Bäckerei Läufer, Metzgerei Lehmann und das Gasthaus »Adler«, im Hintergrund ist das Hofgut »’s Lukasse-Bure« zu sehen, rechts darüber der Hubhof sowie rechter Hand vom Kirchturm »’s Fußbure«.
Rechts vom Bahnübergang war damals schon die Handlung »’s Postfritze« (Johanna Isenmann, später Pauline Lehmann), unterhalb der Kirche steht das alte Pfarrhaus (das heutige wurde erst 1923 fertig gestellt).
Rechts von der Kirche ragt der »Heinrichshof« heraus (großes Dach; abgebrannt am 15. Dezember 1958). Erst die Neubauten in den späten 1940er Jahren (Kirchweg) sowie in den 1960er (Hagenbach) und 1970er Jahren (Wiesenrain, Gartenweg, Flurweg, Elme, Mühlenweg etc.) rundeten die damals »leer« erscheinende Ortsmitte ab und füllten allmählich die ansteigenden Hänge rund um Kirche und Rathaus.
Das kleine Bild zeigt übrigens den auf dem Brandenkopf errichteten hölzernen Aussichtsturm (vgl. Wo und wann vom 7. Juli 2017).