Gesperrt sind derzeit das Hauptportal und die Eingänge zu den Seitschiffen der Pfarrkirche St. Gallus sowie der gesamte Kirchplatz. Die Sanierung des mit Schieferschindeln gedeckten Kirchturmhelms wird voraussichtlich die ganze Woche andauern.



Die Untersuchung des achtseitigen, mit Schieferschindeln gedeckten Turmhelms brachte es an den Tag: Mehrere schadhafte Stellen duldeten keinen weiteren Aufschub. Kleinere Ausbesserungsarbeiten reichen nicht mehr aus. Vor allem die Wetterseite ist stark in Mitleidenschaft gezogen. »Wohl an die 30 bis 40 Schieferschindeln müssen ausgewechselt oder neu befestigt werden«, schilderte nach einem ersten Augenschein Tim Vollhardt, Chef der Firma »Auszeit-Kletterei« aus Simonswald, die sich auf Industriekletterei und Baumpflegearbeiten spezialisiert hat.
Ob am 260 Meter hohen Commerzbank-Tower in Frankfurt oder an den Doppeltürmen mit Zwiebelhelm des Zwiefaltener Münsters: Tim Vollhardt schwebt während seiner Arbeitszeit immer in höheren Sphären. »Allseits doppelt gesichert« verweist er auf die strengen und umfangreichenVorschriften in seinem jetzigen Beruf. Den hat der gelernte Industriemechaniker, der im Freizeitbereich seine ersten Klettererfahrungen sammelte, durch Weiterbildung, unter anderem als Zimmerer, und durch Zusatzqualifikationen kennen und schätzen gelernt. Das Erzbischöfliche Bauamt hat ihm aufgrund seiner langjährigen Erfahrung den Sanierungsauftrag für den Turm der Harmersbacher Pfarrkirche erteilt.
Umfangreiche Vorkehrungen müssen getroffen werden. Ganz oben an der Kirchturmspitze legt Tim Vollhardt eine Schlaufe, um vom Ausstieg durch eine Luke fünf Meter unter dem Kreuz alle Seiten des Turmhelms zu erreichen. Erst dann beginnen die Sanierungsarbeiten. Das eingespielte Team zeigt eine reibungslose Kommunikation zwischen »Bodenstation« und dem Himmel nahen Arbeitsplatz. Während Harald Vollhardt an der Haubrücke mit dem Schieferhammer nach Vorgabe die Schindeln passend richtet, bereiten Tim Vollhardt und sein Mitarbeiter Niklas Dormanns den Aufstieg vor.
Es gilt genau zu überlegen, was man mitnimmt, denn bis zum Ausstieg durch die Turmluke gilt es 143 Stufen bis zum Glockenstuhl zu überwinden, ehe der Aufstieg weiter geht. Über sechs unterschiedlich lange Leitern mit insgesamt 86 Sprossen, immer höher, immer enger und dunkler, ehe der Lichteinfall von der Luke das Ende des Aufstiegs verheißt, nach ziemlich genau 55 Höhenmetern.
Jeder Handgriff sitzt, als Niklas sein Fanggeschirr anlegt, doppelte Sicherung eben. Jedes Arbeitsgerät wird zusätzlich angebunden. Während er sich durch die enge Luke zu seinem Arbeitsplatz zwängt, keucht Tim die letzte Leiter empor, mit zwei großen Taschen, als käme er vom Wochenendeinkauf aus dem Supermarkt: Schindeln für die anstehenden Reparaturen. Kurze Zeit später hängen beide an ihren Sicherungsseilen außen am Turmhelm. Die Aussicht von hier oben ist für die beiden Kletterer Nebensache. Sie müssen sich auf das Auswechseln der schadhaften Schieferschindeln und die neuerliche
Befestigung loser Platten mit Kupferspenglerschrauben konzentrieren. Bis zum Wochenende soll der Auftrag abgeschlossen sein.