»Ich fand’s total schön«, schwärmt eine Teilnehmerin unter dem allgemeinen Nicken jener, die jüngst mit der Landschaftstherapeutin Simone Kasper rund um die Oberharmersbacher »Heidenkirche« unterwegs waren und mit tief entspannten, glücklichen Gesichtern zurückkehrten. Am 16. August wird die Veranstaltung wiederholt.
Von der Studentin über den berufstätigen jungen Vater hin zur Rentnerin: bunt gemischt ist die sechsköpfige Gruppe, die Simone Kasper in der Oberharmersbacher Tourist-Info in Empfang nimmt. In Fahrgemeinschaften geht es hinauf zum Löcherbergwasen.
In rund 40 Minuten kann man von hier durch den Wald zur »Heidenkirche« wandern – jenem imposanten Sandsteinmeer, das womöglich dereinst ein Ort für religiöse Riten war. Doch wenn man mit der Landschaftstherapeutin Kasper in der Natur unterwegs ist, geht es nicht zielgerichtet von A nach B.
Achtsamkeit vielmehr ist das Ziel. Die innere Stimme und den Gedankenstrom also einmal zur Ruhe kommen zu lassen. Zu akzeptieren, »wie es gerade ist und auch nicht in die Wertung zu gehen«, lädt die 54-Jährige ihre Schützlinge für die kommenden zwei bis drei Stunden ein, sich auf wahrhaft unvergessliche Naturerfahrungen einzulassen. »Auch die Natur wertet uns nicht«, sagt sie, »und das ist es, was uns so unwahrscheinlich angenehm erscheint, ob einem das bewusst ist oder nicht.«
Uhren und Handys werden weggesteckt und nach einer kurzen Körperwahrnehmungsübung mit geschlossenen Augen wirkt alles bereits intensiver: Das Grün der Bäume, das schräg einfallende Sonnenlicht, der Duft. Und die Vogelstimmen machen sie hörbar: die Stille des Waldes.
Zeitfaktor ausgeschaltet
Auf Simone Kaspers Bitte hin, gehen die Wanderer ein Stück des Weges schweigend, hintereinander und in großem Abstand voneinander. Im Schutz der Gruppe ist man unterwegs und doch in aller Ruhe allein. Jeder in seinem eigenen Tempo, aber unbedingt langsam. Um den Unterschied zu dem im Alltag gewohnten Boden zu spüren, um die Natur wirken zu lassen. »Geht los und schaut, was passiert, völlig wertungsfrei« – die Worte der 54-Jährigen klingen seltsam verheißungsvoll.
Als die Teilnehmer wieder zusammentreffen, geht ein »Redestab« in Form eines Zweiges reihum. Keiner muss etwas sagen, doch jeder will. Stellt fest, wie viel bewusster er gelaufen ist, wie er die Harmonie der Natur, ihre Schönheit, Pracht und auch ihre Kraft aufgenommen hat. Die Stimmen klingen ruhiger als in der Vorstellungsrunde zuvor, da ist nichts Gepresstes mehr, nichts Gehetztes. »Ich habe auf einmal nicht mehr daran gedacht, was ich noch alles erledigen muss«, wundert sich jemand, »dieses kurze Stück in aller Langsamkeit hat mich total beruhigt.«
»Waldbaden«
Bei der Heidenkirche angekommen, erhält jeder den Auftrag, das Gebiet für sich zu erkunden. Und zwar mit allen Sinnen. Das kann beispielsweise heißen, mit der Hand oder gar dem nackten Arm an einem Baumstamm oder Fels oder Farn entlangzufahren. Oder die Nase irgendwo ins Moos zu stecken. Vielleicht aber setzt sich jemand auch einfach nur auf einen Stein oder er streckt sich auf dem Waldboden aus. Um die Magie des Ortes zu genießen, das Leben und das dazugehörende Vergehen rundum. Um die von ätherischen Ölen geschwängerte Luft zu atmen.
»Biophilia« nennt sich letzteres: Waldbaden. Baden also in den von den Bäumen ausgeschütteten Terpenen. »Die Japaner haben wissenschaftlich untersucht und entsprechend gemessen, was es auf unsere Gesundheit für Auswirkungen hat, im Wald zu sein«, erklärt Simone Kasper, »auf unser Herz-Kreislaufsystem und auf unser Immunsystem, auch auf unsere Seele.«
Fülle an Sinnbildern
Doch auch für Symbolik sorgt der Wald. Da ist beispielsweise jene Fichte, die aus der unwirtlichen Spalte eines Steinbrockens gewachsen ist und diesen im Laufe vieler Jahre mit der Dicke ihrer Wurzeln überzogen hat, um diese schließlich ins Erdreich zu treiben, dort an Wasser und Nährstoffe zu kommen. »Dieser Baum ist für mich ein Sinnbild von Nicht-Aufgeben«, sagt Simone Kasper mit ihrer weichen und doch kraftvollen Stimme: »Es geht immer weiter und irgendwann kommst du wieder an die Quelle – auch wenn du denkst, da ist undurchdringliches Gebiet.«
Mit zudem immer wieder kleinen, die verschiedenen Sinne betreffenden Wahrnehmungsübungen sorgt die Landschaftstherapeutin bei den Teilnehmern für große Aha-Erlebnisse.
»Ich fand es absolut bewegend und bin sehr berührt«, sagt jemand am Schluss der Veranstaltung. Andere sprechen dankend von vielen schönen, emotionalen Momenten. Von Empfindungen wie Glück, tiefer Ruhe und Frieden. Und jeder einzelne der Teilnehmer stellt fest: »Mir geht’s jetzt so was von gut!«
Nochmals am 16. August
»Achtsamkeit in der Natur« mit Simone Kasper findet ein weiteres Mal statt am 16. August, von 17 bis etwa 20 Uhr. Anmeldungen bei der Tourist-Info Oberharmersbach, Tel. 07837/277 oder per Mail: tourist-info@oberharmersbach.net.