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Oberharmersbach | 18.05.2018

Kurze Wege zum Bier

Vor 50 Jahren wurde die letzte Brauerei in Oberharmersbach geschlossen

Foto:
Zustrom: Neben der Kirche war der ideale Platz für den Ausschank des »Augustiner Bräu«. Foto: Lehmann-Archiv
von Karl-August Lehmann

Vor einem Jahrhundert zählte die Gemeinde Oberharmersbach vier kleine Brauereien. Wirtschaftliche Krisen und der Zweite Weltkrieg entzogen diesen kleinen Betrieben die Existenz. Übrig blieb nur noch die »Augustiner Brauerei«, die bis 1968 durchhielt, ehe auch hier Hopfen und Malz verloren waren.

Abgerissen: 1985 verschwand die Brauerei Schmider aus dem Ortsbild.
Zustrom: Neben der Kirche war der ideale Platz für den Ausschank des »Augustiner Bräu«.
Foto: Lehmann-Archiv
Flaschen-Archäologie: Hin und wieder werden bei Haussanierungen längst verloren geglaubte Schätze der Oberharmersbacher Braukunst geborgen.
Erinnerungen: Einige wenige Sammlerstücke haben in Schränken überlebt.
Foto: Lehmann-Archiv
Heimattreu: Brandenkopfturm und der Kirchenheilige Gallus zeigten die Herkunft des »Augusti- ner Bräu«.
Foto: Lehmann-Archiv
Renoviert: Der Historische Verein hat den Eingang des ehemaligen Bierkellers der Brauerei Schwarz hergerichtet.

Wann zum ersten Mal in Oberharmersbach Bier gebraut wurde, lässt sich nicht mehr feststellen. Da aber ursprünglich alle vier Brauereien nur für den Eigenbedarf in ihrer Gaststätte gebraut haben, dürfte dieser Zeitpunkt mit der Vergabe der Konzession zusammen fallen. Das Brauen von Bier war ein »Saisongeschäft«, da zum Kühlen des untergärigen Biers Eis benötigt wurde. Dazu wurde im Winter »geeist« und das so gewonnene Eis in die vorhandenen Keller eingelagert. Je nach Vorrat und Anlage des Kellers reichte der Eisvorrat bis zur Jahresmitte.

Im Dorf schenkte Braumeister Conrad Lay im Gasthaus »Freihof« bereits in den 1850er Jahren selbst gebrautes Bier aus. Große Kellerräume unterhalb der Gaststätte boten Kühlmöglichkeiten. Als aus wirtschaftlichen Gründen am 1.11.1921 alle vier Brauereien stillgelegt wurden, bedeutete diese Auflage auch das Ende von »’s Kunrade Bier« (so benannt nach dem Gründer Conrad Lay).

Im Gasthaus »Adler« wurde seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Bier gebraut. In einem in Fels gehauenen Keller oberhalb des alten Sportplatzes wurde Eis und Bier gelagert. In den 1920er Jahren braute Cölestin Heitzmann nur noch im Winter. Mit Beginn des Zweiten Weltkrieges ruhte hier der Betrieb endgültig.

Ein ähnliches Schicksal war der »Brauerei Schwarz« im Obertal beschieden. Im Gasthaus »Forelle« hatte Bierbrauer Ambros Schwarz bereits 1837 die Konzession für den Ausschank von Bier und Wein erhalten, es dürfte die älteste örtliche Brauerei gewesen sein. Auch hier gab es einen Felsenkeller gegenüber der Gaststätte in der »Brugasse.« Nachdem beide Bierbrauer im Zweiten Weltkrieg gefallen waren, endete auch hier die hundertjährige Brau­tradition.

Am längsten stemmte sich die Braufamilie Armbruster/Dürrholder/Schmider gegen wirtschaftliche Krisen und die Übermacht der größeren Konkurrenz. 1863 hatte Richard Armbruster die Konzession für den Ausschank des selbst gebrauten Bieres erhalten. Die Brauerei stand auf dem Gelände der Bäckerei Nock, Ausschank und Kegelbahn unmittelbar daneben. Ein Felsenkeller gegenüber dem heutigen Kilwiplatz bot Kühlmöglichkeiten, bis in den 1930er Jahren eine einfache Kältemaschine die Bierherstellung das ganze Jahr über ohne größere Probleme erleichterte.

Bierbrauer August Schmieder erwarb 1870 die Bierwirtschaft und weitere Liegenschaften von Richard Armbruster. Den Ausschank verlagerte er in die Ortsmitte direkt neben der Kirche und nannte die Gaststätte nach dem von ihm gebrauten Bier »Augustiner Bräustüble«.
1912 übernahm Augustin Dürrholder die Gaststätte (im Volksmund hat sich der Name für die Gaststätte bis heute gehalten). Danach folgte nochmal eine Schmider-Dynastie: Vater und Sohn August (1952 bis 1964 bzw. 1964 bis 1976). Bis 1976 führte er die Wirtschaft »Bräu­stüble«; die Brauerei wurde 1968 geschlossen.

August Schmider erweiterte in den 1950er Jahren die Brauerei um einen Gär- und Kühlkeller, denn das Bier war beliebt. Jede Woche, im Winter alle 14 Tage, war samstags Abfülltag (musste aufgrund der großen Nachfrage zusätzlich auch wochentags abgefüllt werden, holte damals August Schmider sen. »Verstärkung« aus der nahe gelegenen Schule und fand dort zum einen ein offenes und verständnisvolles Ohr bei den Lehrern, zum anderen bereitwillige und hoch motivierte Helfer unter den Schülern).

Alles lief über Handarbeit, von der Entnahme der Flaschen – es gab 0,5 und 0,7 Liter-Flaschen mit dem üblichen Bügelverschluss – aus der damals noch gebräuchlichen Holzkiste zum »Einweichen« und Reinigen über das Einstellen in die Abfüllanlage bis hin zum Einlegen in die Etikettier-Vorrichtung und die Bestückung der Kisten. Das Bier wurde im »Augustiner-Bräustüble« ausgeschenkt, ferner wurden einige Flaschenbierhandlungen und natürlich Haushalte beliefert. Für viele gehörte es zum täglich Gang, Bier mit einem Krug direkt vom Zapfhahn im »Bräustüble« zu holen. Und der »Bierbote« erhielt, unabhängig vom Alter und frisch gezapft, einen stärkenden Schluck für den Heimweg.
Zuletzt betrug der jährliche Bier-Ausstoß der »Augustiner-Brauerei« 1.350 Hektoliter (zum Vergleich: der größte deutsche Verbund, die »Radeberger-Gruppe« lässt jährlich 11,8 Millionen Hektoliter brauen). Immerhin: statistisch konsumierte schon damals jeder erwachsene Oberharmersbacher, männlich wie weiblich, im Jahr über 100
Liter »Augustiner-Bräu«.

Im Mai 1968 lief die Abfüllanlage zum letzten Mal. Die Gärtanks wurden anschließend ausgebaut, ein Teil des Inventars an das Museum der Brauerei »Mutzig« im Elsass verkauft. Das »Augustiner Bräustüble« erwarb 1976 der benachbarte Bärenwirt.

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Schlagworte:
Augustiner Bräu Oberharmersbach

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