Floristin Johanna Harter hat einen besonderen Workshop unter freiem Himmel geleitet. Weidenflechten beschert eine Auszeit vom stressigen Alltag. Weitere Gestaltungskurse mit Naturmaterialien in Nordrach sind bereits geplant.


„Ihr könnt mich gern duzen, ich bin die Johanna“, sagt die Frau, die mit Nachnamen Harter heißt und ihre Schützlinge begrüßt. Erwartungsvoll haben diese sich im Pavillon des einladend frühlingshaften Bürgerparks eingefunden.
Kunstvolles aus Ruten der Kopfweide soll entstehen, dazu wird gewunden, gewebt und geflochten. Wie, das erklärt die gelernte Floristin und mit Naturmaterialien arbeitende Künstlerin Schritt für Schritt. Doch zunächst muss das „Was“ geklärt werden. Ob jemand mit einer bestimmten Idee, mit einer bestimmten Vorstellung gekommen ist? Eine Teilnehmerin meldet sich zu Wort: Ein befüllbares Herz soll es bei ihr werden.
Ob sie schon einmal mit Weidenruten gearbeitet habe, will die Kursleiterin wissen. Die Teilnehmerin verneint. Daraufhin erhält sie den Rat, mit etwas Einfachem anzufangen. Das gilt auch für die anderen Frauen, so dass man sich auf etwas Kugeliges einigt. Das kann klein oder groß sein, je nach Gusto, und geschlossen oder offen. Etwas Bestimmtes hat dabei zunächst jedoch keiner im Sinn: „Wir sind flexibel“, befindet die Runde. Für den Fall, dass jemand sein Objekt zum Schluss mit Pflanzen bestücken möchte, hat Johanna Frühlingsblüher und Moos mitgebracht.
Achtsames Gewusst-wie
In Bündeln liegen die Weidenruten auf dem Boden des Pavillons, in unterschiedlichen Stärken, säuberlich und einladend. Los geht es mit einem Ring als Grundgerüst. Die Ruten sind weniger geschmeidig, als sie wirken, sie zum Rund zu biegen, erfordert Geduld und das berühmte Gewusst-wie. Am besten, man lässt sich ganz bewusst auf das Naturmaterial mit seinen spezifischen Eigenheiten ein. Wichtiger Tipp: Die Rute mittig in die Hand nehmen. Und vor allem: sich bei dem Ganzen nicht zu sehr anstrengen.
„Bei dir sieht das so einfach aus“, stellt eine der erwachsenen „Schülerinnen“ ungläubig fest. Johanna lacht, „ich mach’ das halt schon lang.“ Sie wohnt in Neuried-Altenheim, wo sich auch ihr Werkstatt-Atelier „Naturgestalten“ befindet. Nordrach kennengelernt hat sie aufgrund einer Reha-Maßnahme in der Winkelwaldklinik – und sich derart in den idyllischen Luftkurort verguckt, dass sie gerne hierher oder zumindest in die Gegend ziehen würde.
Über die Kontaktaufnahme mit dem Nordracher Tourismusbüro ist der Kurs im Bürgerpark zustande gekommen. Die eine oder andere der Teilnehmerinnen kämpft zunächst mit der langen Weidenrute, doch schließlich sind die Enden zu einem Rund verbunden – mithilfe einer Drahtschlaufe und eines Drehapparates, der wie eine Häkelnadel im Großformat wirkt.
Im Tun entspannen
Nun soll der Ring mit einer zweiten Rute verstärkt werden. Dafür wird diese um das bereits bestehende Rund gewunden. Nicht immer entstehen dabei geschmeidige Bögen. Macht aber nichts – ganz im Gegenteil. „Es kann auch ruhig eckig werden“, ermutigt Johanna die Frauen, „so kriegt jedes Objekt was Besonderes.“ Und auch die entstehenden Lücken zwischen den miteinander verschlungenen Ruten sind gut. Mehr noch: Sie sind erforderlich. Damit man später weitere Ruten hindurchstecken kann, zum „Weben“ eines kugeligen Gebildes.
Nach dem gleichen Muster gilt es, einen zweiten und dritten Ring zu erstellen. Zwei Ringe werden dann über Kreuz oben und unten miteinander verbunden. Je nach Größe wird der dritte Ring waagrecht entweder über das entstandene Grundgerüst gestreift oder aber von innen eingeflochten. Der einen geht das leichter von der Hand, der anderen schwerer. Jemand amüsiert sich über sich selbst: „Ich glaub’, ich denk’ zu viel.“
Loslassen mit Überraschungseffekt
Johanna reagiert sofort und entschieden. „Es darf etwas sein, was sich entwickelt“, betont sie mit Blick auf die entstehenden Gebilde, „wenn ihr zu enge Vorstellungen davon habt, was es werden soll, habt ihr doch gar keinen Spaß daran!“ Um das Lockersein geht es ihr, das Loslassen, das achtsame Entstehenlassen. Schließlich steht der Kurs nicht umsonst unter dem Motto „Entschleunigung und kreatives Miteinander“. Eine Auszeit vom stressigen Alltag will er bieten.
„Ihr werdet sehen“, wendet die Kunstfertige sich an die Runde: „Jede von euch hat das gleiche Material, aber zum Schluss kommt bei jedem was Anderes raus.“ Und genau so soll es auch sein. „Ihr habt gesagt, ihr seid flexibel, also lasst euch überraschen“, schmunzelt Johanna – und erhält die vergnügte Antwort: „Wir nehmen, was wir kriegen können.“
Naturgestalten übers Jahr
Einer jeden steht die „Naturgestalterin“ mit Rat und Tat zur Seite – selbstverständlich auch dann, als es darum geht, das Grundgerüst mit dünneren Ruten zu verweben, zu verdichten. Sie selbst kreiert unter anderem eindrucksvolle Füllhörner und Rankhilfen in dieser Technik. Nicht weniger eindrucksvoll sind die fertig geflochtenen Weidenwerke der Kursteilnehmerinnen. Noch aber ist das Werkeln nicht beendet.
Denn: Aus strauchigem Geäst wird nun jeweils ein Kranz für den Boden der Gefäße gefertigt. Dieser Kranz gibt den Blumentöpfen und Moospolstern Halt, mit denen die Gebilde gefüllt und endgültig zu Kunstwerken werden.
Ein solches hält auch Barbara Kamm-Essig, Leiterin des Nordracher Tourismusbüros, als Kursteilnehmerin in den Händen. „Mir gefällt das Arbeiten mit Naturmaterialien, die aus der Region stammen“, resümiert sie. Im Herbst, Winter und Frühling möchte sie Johanna Harter daher künftig für Kurse nach Nordrach holen – damit der jeweiligen Jahreszeit Gemäßes unter den Händen der Teilnehmer entstehen kann. Ganz entspannt. Und voller Freude am Tun.