Manuel Echtle aus Nordrach ist wütend. Der Sägewerksbetreiber zerpflückt in einem offenen Brief an alle Mitglieder der CDU-Fraktion im Landtag Baden-Württemberg die Pläne zur Vergrößerung des Nationalparks Schwarzwald, spricht von Steuerverschwendung – und richtet seine Vorwürfe damit scharf gegen seine eigene Partei, für die er im Nordracher Gemeinderat sitzt.
Auf fünf Seiten voller Kritik fordert der Unternehmer die Landtagsfraktion auf, den Ausbau des Schutzgebiets um 1.500 Hektar auf insgesamt 11.500 Hektar zu stoppen. Echtle, Vizepräsident des Bundesverbands der Säge- und Holzindustrie, sieht darin eine Entscheidung, die Arbeitsplätze gefährde und die Holzbranche an die Wand drücke. „Da läuft etwas schief“, wettert der Chef eines 45-köpfigen Betriebs.
Wald als Rohstoffquelle gefährdet
Für die Holzwirtschaft im Nordschwarzwald sei die Erweiterung des Nationalparks ein herber Schlag, sagt Echtle. Er betont, dass der Sektor seit Jahrzehnten ein Vorreiter in der nachhaltigen Nutzung regionaler Rohstoffe sei. Mit der geplanten Stilllegung von weiteren 1.500 Hektar Wirtschaftswald stehe nicht nur die regionale Versorgung auf dem Spiel, sondern auch Arbeitsplätze in einer traditionsreichen Branche. „Soll die Nordschwarzwälder Holzindustrie ihren Rohstoff künftig etwa aus dem Ausland beziehen?“ fragt er.
Laut Echtle sei der Wald nicht nur ein Lebensraum, sondern auch eine Klimaschutzmaschine. Gerade durch die nachhaltige Nutzung und den Einsatz von Holz als Baustoff könne der Wald dazu beitragen, CO2 zu binden und den Klimawandel aktiv zu bekämpfen. „Die geplante Erweiterung des Nationalparks tut genau das Gegenteil – sie produziert Totholz, das klimaschädliches CO2 freisetzt.“
Versprechen gebrochen, Fakten ignoriert
Auch die Bevölkerung in den betroffenen Regionen fühle sich übergangen. Vor der Gründung des Nationalparks habe man großzügige Zugangsrechte und Versorgungsmöglichkeiten versprochen – etwa für das Sammeln von Beeren oder Brennholz. Heute berichten viele von großflächigen Verbotszonen, stark reduzierten Wegenetzen und unangenehmen Begegnungen mit Aufsichtspersonen. Die Frustration sei groß: „Die Leute fühlen sich von der Politik im Stich gelassen“, fasst Echtle zusammen.
Hinzu komme, dass die viel zitierten ökologischen Vorteile des Nationalparks oft nicht belegt seien. Es gebe keinen wissenschaftlichen Nachweis dafür, dass die Artenvielfalt im Nationalpark höher sei als in den angrenzenden Wirtschaftswäldern. „Dreizehenspecht und Zitronengelber Tramete? Die finden Sie genauso in naturnah bewirtschafteten benachbarten Wäldern“, so Echtle.
Millionen für ein Prestigeprojekt
Die finanzielle Dimension des Projekts sorgt für zusätzliche Kritik. Die geplante Erweiterung werde das Land über 50 Millionen Euro kosten, so Echtle, der darin ein „Millionengrab“ sieht. Und seit der Gründung des Nationalparks im Jahr 2014 sei die Zahl der Mitarbeiter von 70 auf 170 gestiegen, ohne dass ein echter Mehrwert erkennbar sei.
Tourismus: Chancen verspielt
Nicht zuletzt aus touristischer Sicht sorgt die geplante Erweiterung des Nationalparks beim Briefeschreiber für Kopfschütteln. Manuel Echtle bemängelt, dass schon bei der Einrichtung des bestehenden Nationalparks der prophezeite Tourismus-aufschwung ausgeblieben sei. Neue Impulse seien durch die Vergrößerung nicht zu erwarten. Stattdessen prägten verfallene Hotelruinen wie Sand, Plättig oder Bühlerhöhe und steigende Kosten das Bild.
Machtwort statt Faktencheck
Manuel Echtle merkt zudem kritisch an, dass Ministerpräsident Kretschmann das Projekt im Alleingang vorantreibe, während Vorschläge von Experten oder dem Minister für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Peter Hauk schlicht ignoriert würden.
Nachhaltige Waldwirtschaft statt Stilllegungswahn
Echtle unterstreicht, dass die Waldwirtschaft in Baden-Württemberg längst naturnah, ökologisch und nachhaltig ausgerichtet sei – gesetzlich verankert und bewährt. Schon jetzt seien rund 25 Prozent der Waldflächen durch Bannwälder, ökologische Ausgleichsflächen oder Alt- und Totholzkonzepte stillgelegt. Weitere Einschränkungen durch die Nationalparkerweiterung seien weder ökologisch noch wirtschaftlich sinnvoll. „Der Schwarzwald wird bereits vorbildlich bewirtschaftet, zusätzliche Stilllegungen schaden mehr, als sie nützen“, so Echtle. Anstatt produktive Flächen brachliegen zu lassen, müsse die Politik den Fokus auf aktive Waldpflege und nachhaltige Holznutzung richten – im Sinne des Klimaschutzes und der regionalen Wirtschaft.
Appell für einen Kurswechsel
Echtle appelliert an die CDU-Landtagsfraktion, das Projekt zu stoppen und sich intensiver mit den Auswirkungen auseinanderzusetzen. Angesichts von Dürre, Stürmen und Borkenkäferplagen sei der Wald ohnehin stark gefährdet. Eine Erweiterung des Nationalparks erhöhe das Risiko von Kahlflächen, wie man sie im Harz bereits auf zehntausenden Hektar sehe. „Was nutzt ein größerer Nationalpark, wenn am Ende nur Brandgefahr und Verfall übrigbleiben?“ fragt er. Der Unternehmer plädiert stattdessen für einen pragmatischen Ansatz: Nachhaltige Bewirtschaftung und Aufforstung statt weiterer Stilllegungen.
Manuel Echtle verweist eindringlich auf die Dringlichkeit des Klimaschutzes und sieht in der nachhaltigen Holzproduktion einen Hebel, um die Erderwärmung zu begrenzen. „Das 1,5-Grad-Ziel rückt immer weiter außer Reichweite, und dennoch ignoriert die Politik die Potenziale des Holzbaus“, kritisiert er. Holz, so Echtle, sei nicht nur der klimafreundlichste Baustoff, sondern helfe langfristig, schädliche Emissionen zu binden. Statt energieintensiver Materialien wie Beton, die weltweit acht Prozent der CO2-Emissionen verursachen, sollte Holz mehr gefördert werden.
Das sagen Politiker und Interessenvertreter
Anfang November hatte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) die Pläne zum sogenannten Lückenschluss, um die beiden Teilstücke des Nationalparks zu verbinden, vor Vertretern betroffener Kommunen und Kreise in Baiersbronn verteidigt. Die Interessen der Menschen an Ort und Stelle sollten so weit wie möglich berücksichtigt werden, wie das Staatsministerium mitteilte. Seitdem war das Thema auch im Landtag Inhalt von Anträgen mehrerer Fraktionen.
Forstminister Hauk: Verfehlter Weg
„Wir brauchen deutlich mehr Holzbauten, um energieärmer und klimaschonender zu bauen“, sagt Forstminister Peter Hauk (CDU) in Stuttgart. „Wenn wir aber Käseglocken über die Wälder ausbreiten und sie dem Verrotten hingeben, wird’s nicht besser“. Es sei „ein komplett verfehlter Weg in Zeiten des Klimawandels“, nennenswerte Wälder etwa durch einen größeren Nationalpark dem Verfall und der Emission preiszugeben.
In einer schriftlichen Antwort auf Manuel Echtles Schreiben räumt Minister Hauk ein, dass der Kompromiss zur Nationalparkerweiterung grundsätzlich den Zielen der Landesregierung entspreche. Allerdings halte er es für sinnvoll den Nationalpark nur wenig zu erweitern. Sinnvoller sei es, die Waldflächen im Land aktiv zu pflegen, um sie so besser an den Klimawandel anzupassen. Er sehe viele Parallelen zwischen seiner Argumentation und der Echtles.
CDU-Umweltpolitiker Haser: Regeln überarbeiten
Raimund Haser, Vorsitzender des Arbeitskreises für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft der CDU-Landtagsfraktion Baden-Württemberg, erwiderte auf Echtles Brief mit der Zusicherung, dass die Belange der regionalen Wirtschaft und des Klimaschutzes in den Planungen berücksichtigt würden. Eine Überprüfung und Überarbeitung des gesamten Regelungswerks zum Nationalpark sei für die CDU zwingende Voraussetzung, „um einen Konsens im parlamentarischen Verfahren zur Änderung des Nationalparkgesetzes finden zu können.“ Die geplante Erweiterung des Nationalparks Schwarzwald um 1.500 Hektar solle unter strengen Auflagen erfolgen. Zudem betonte Haser das Bestreben, die Akzeptanz der lokalen Bevölkerung durch erweiterte Mitbestimmungsrechte und eine transparente Beteiligung zu erhöhen.
Doch nicht schädlich?
Der Landesvorsitzende des NABU, Johannes Enssle sagt, es sei fachlich plump, undifferenziert und halte einer wissenschaftlichen Überprüfung nicht stand, den Nationalpark als schädlich für den Klimaschutz einzuordnen.
Für den BUND betonte dessen Landesgeschäftsführer Martin Bachhofer, Totholz sei nicht mit „Verfall“ gleichzusetzen. Vielmehr spiele es als zentraler Bestandteil gesunder Waldökosysteme eine wesentliche Rolle im CO2-Kreislauf, für die Artenvielfalt und nicht zuletzt für die Stabilität der Wälder in der Klimakrise.
Den kompletten Bericht und weitere Bilder finden Sie in der Print-Ausgabe der Schwarzwälder-Post.