Mit der symbolischen Ausräumung sakraler Gegenstände wurde am Freitag die Jugendkapelle Nordrach für die weltliche Nutzung als Wohn- und Gewerbeimmobilie frei gemacht.
Der Entwidmungsgottesdienst wurde von den Bezirkskirchenreferenten Anna Lohf und Jörg Lange gemeinsam mit Dekan Frank Wellhöner als Jugendgottesdienst gestaltet.
Frank Wellhöner führte durch den Gottesdienst und Prälat Marc Kitzenbacher nahm die eigentliche Entwidmung der Kirche vor. Joachim Groß verlas als Vorsitzender der evangelischen Kirchengemeinde Zell den Beschluss zur Aufgabe der Jugendkapelle. Mitglieder der Bezirkskirchenjugend, Jugendpfarrerin Anna Schimmel, Dekan Rainer Becker und Joachim Groß übernahmen die Lesungen und die musikalische Gestaltung.
Dabei stand der zur Einweihung von Rainer Schnebel und Traugott Fünfgeld komponierte Kanon „Der Himmel ist unendlich weit“ im Mittelpunkt.
Himmelsrichtungen und Grundelemente
Die Liturgie war von der Symbolik getragen, die der künstlerischen Ausgestaltung zu Grunde lag. Es handelt sich um Stelen, die in allen vier Himmelsrichtungen an den Innenwänden angebracht sind. Jeder Himmelsrichtung ist eines der Grundelemente Feuer, Erde, Wasser und Luft zugeordnet. Diese Zuordnungen finden sich in der künstlerischen Ausgestaltung und den Bibelzitaten wieder.
„Der Süden, der mit dem Element Erde verknüpft ist, stellt die Analogie zum wandernden Gottesvolk her. Wir sind alle Wanderer auf dem Wege in die Ewigkeit. Jedes Zuhause ist ein Zuhause auf Zeit. Es gibt immer ein davor, immer wird es ein danach geben. Mit dem Eingeständnis der Vergänglichkeit verbindet sich die Aufgabe, den Rückbau hier vor Ort aktiv zu gestalten und woanders neu anzuknüpfen. Wir ziehen weiter und nehmen als Proviant die Geschichten, die gemeinsamen Erlebnisse und das Gute mit, das wir erfahren durften.“
Mit traurigen Gefühlen und einem optimistischen Ausblick fand der Gottesdienst seinen Abschluss. Danach war eine Stärkung mit Saft, Sprudel und Hefezopf den Anwesenden als „Wegzehrung“ herzlich willkommen.
1979 bedeutsamer Mittelpunkt des religiösen Lebens
Am 9. September 1979 wurde die neu errichtete Kapelle in der Nordracher Schanzbachstraße in einem Festgottesdienst ihrer Bestimmung übergeben. Die auf Initiative des langjährigen, evangelischen Pfarrers Eberhard Fink errichtete Kapelle sollte vor allem den Gemeindemitgliedern auf Zeit, Kurgästen und Patienten der Nordracher Kliniken dienen. Der damalige Nordracher Bürgermeister Bernhard Apfel beglückwünschte die Kirchengemeinde für diesen „bedeutsamen Mittelpunkt religiösen Lebens“.
Die Veränderungen im Tourismus und die Gesundheitsreformen der 1990er-Jahre hatten allerdings einen dramatischen Rückgang von Kurgästen und Patienten zur Folge. Im Jahr 2002 fand der letzte reguläre Gottesdienst in der Kapelle statt. Danach wurde die Kapelle für längere Zeit durch eine Nordracher Künstlerin als Atelier genutzt.
Projekt Jugendkirchen
Mit dem auf zehn Jahre befristeten, landeskirchlichen Projekt „Jugendkirchen“ zog im Jahre 2012 neues Leben ein. Der damalige Bezirksjugendreferent Rainer Schnebel ergriff die Chance, in Nordrach einen Erlebnis- und Erfahrungsort für Kinder und Jugendliche zu schaffen. Auf seine Initiative wurde die Kapelle in eine Jugendkapelle unter dem Namen „HimmelsBlick“ umgewidmet. Es wurden Ausbau- und Sanierungsmaßnahmen durchgeführt. In der ersten bundesweiten 72-Stunden Aktion 2013 gestalteten 15 evangelische Jugendliche, unterstützt von zahlreichen Spendern, Sponsoren und der Gemeinde Nordrach die neue Jugendkapelle künstlerisch aus. Seitdem haben dort unzählige Pilgerwanderungen ihren Abschluss gefunden, sind Freizeiten durchgeführt worden und haben Menschen aller Generationen in Gottesdiensten mit Gesang, Gebet und Gedankenaustausch ihren Glauben gestärkt und die einzigartige Atmosphäre genossen.
Die Projektlaufzeit war zu Ende gegangen, die Corona-Zeit ließ die Kapelle abermals leer stehen und die evangelische Landeskirche muss Ihren Gebäudebestand reduzieren. Somit war die Übergabe in weltliche Hände naheliegend.