Es ist Samstagmorgen 10 Uhr und Hochbetrieb, zumindest in der elterlichen Garage von Jonas Armbruster. Der übt im nun zweiten Jahr und somit erstmals ohne Coronabeschränkungen das würdige Amt des Nikolaus aus. Mit seinen 28 Jahren »bin ich hier langsam der Opa«, lacht er mit Blick auf die 16- bis 20-Jährigen rings um einen Berg von Birkenreisig, aus denen sie Ruten binden.
Diese werden für’s Klausern am Abend des sechsten Dezember benötigt. Dann also, wenn die jungen Männer sich in »die Schwarzen« verwandeln – wenn sie mit geschwärzten Gesichtern und schwarzer Kleidung das respekteinflößend-lärmende Gefolge des Nikolaus bilden, der willige Familien in Unter entersbach besucht.
Beim Rutenbinden wird in Paaren gearbeitet. Einer fädelt aus dem Reisighaufen eine Handvoll Zweige heraus – so, dass deren Enden in etwa die gleiche Länge haben. Der andere umwickelt das Bündel eine gute Handbreit vor dessen Ende mit Draht, zwickt diesen mit der Zange ab und »vertäut« das Drahtende.
Alt muss das Reisig sein, damit es trocken ist, andernfalls »gibts ’ne riesen Sauerei«, erklärt Jonas Armbruster, »wegen der Samenstände.« Daher wird das Reisig auf Vorrat angelegt, sobald im Dorf eine größere Birke gefällt wird.
Rund 30 Ruten gilt es zu binden: Zum einen für die zehn bis 15 »Schwarzen« – zumal es bei denen »einen natürlichen Schwund« gebe, wie Jonas Armbruster mit einem Schmunzeln verrät, denn im Zuge jugendlichen Überschwangs überlebe das eine oder andere Reisigbündel den Nikolausabend nicht.
Weitere rund 15 Ruten werden für jene Häuser in Unterentersbach benötigt, in denen der Nikolaus einkehrt. Schließlich hinterlässt er dort jeweils eine Rute – als symbolisches Instrument für die Eltern, um die Kinder übers Jahr hinweg immer mal wieder an das zu erinnern, was sie dem Nikolaus in punkto Verhalten versprochen und zugesichert haben.
Mütze, Stab, Buch
»Früher hat’s mit der Rute immer eins hinter die Ohren gegeben«, weiß Josef Pfaff, »aber das ist zum Glück ja schon lange nicht mehr so.« Josef Pfaff ist Vorsitzender des Vereins »Schönes Entersbach«, und der hat heuer für den Nikolaus Mütze und Stab sowie das Goldene Buch auf Vordermann gebracht, »weil die viele Jahre auf dem Buckel hatten« und daher starke Gebrauchsspuren aufwiesen.
Vereinsmitglied Martina Rauber bringt sich stets dann ein, wenn bei Handarbeiten Geschicklichkeit und Kreativität gefragt sind. »Vor rund zehn Jahren zum Beispiel war das Untergewand des Nikolaus in die Jahre gekommen, da hatte ich damals ein neues genäht«, erzählt die Unterentersbacherin.
Heuer hat sie die aus rot-weißem Nicki-Samt bestehende Bischofsmütze des Heiligen Mannes »aufgehübscht«, das heißt gereinigt sowie ein neues Gummiband angebracht. »Die weißen Stellen sind dadurch zwar nicht reinweiß geworden – aber der Nikolaus ist ja ein alter Mann, da darf seine Kleidung ruhig ein bissel gebraucht aussehen.« Zudem hat sie das große Buch, aus dem der Nikolaus den Kindern vor dem Beschenken deren übers Jahr begangene gute und weniger gute Taten vorliest, neu in Goldfolie eingebunden.
Nicht mehr zu retten hingegen war der Nikolausstab: Immer, wenn das ungeschützte untere Holzende ausgefranst war, sägte man es ab, damit der Stab wieder ordentlich aussah. Zwangsläufig wurde der immer kürzer, der Nikolaus aber nicht kleiner – im Gegenteil.
Für einen neuen Stab hat nun Josef Pfaff gesorgt, indem er kurzerhand eine Gardinenstange umfunktionierte. Die obere Verzierung jedoch ist original, »das muss irgendjemand mal geschmiedet haben – vor vielleicht 50 oder 60 Jahren«.
Die Tradition am Leben erhalten
Mit einem fröhlichen »Guten Morgen« stößt Ortsvorsteher Christian Dumin zu der Runde und deponiert auf den schon bereitstehenden Getränkekisten zwei große Bäckertüten mit Magenfüllendem – das wird von den jungen Männern mit einem vielstimmigen »Ohhh« quittiert, handelt es sich beim Rutenbinden doch um eine anstrengende Tätigkeit, wie man feixend anmerkt.
Der heutige Familienvater hatte dereinst selbst das Nikolausamt bekleidet und dafür gesorgt, dass dieses Brauchtum nicht ausstirbt. »Wir vom Förderverein unterstützen den amtierenden Nikolaus immer, wenn er um Hilfe bittet«, so Josef Pfaff. Diese Unterstützung wird auch in der Dankbarkeit gewährt, dass in Unterentersbach die Tradition des Klauserns weiter fortbesteht.
In diesem Sinne betont Ortsvorsteher Christian Dumin: »Das Thema Brauchtum und Tradition ist wichtig für den Ort. Wir haben die Nikolauskirche und den Niko lausbrunnen – der Nikolaus ist der Schutzpatron unseres Ortes, von daher ist das Klausern eine wichtige Tradition, das versuchen wir als Gemeinde natürlich zu unterstützen.« Gemeinsam mit dem Förderverein schaffe man den Rahmen für das Tun des Nikolaus und der Schwarzen, auch in finanzieller Hinsicht.
In diesem Jahr wird der Heilige Mann mit seinem Gefolge noch ein weiteres Mal in dem 800-Seelen-Dorf zu sehen sein, und zwar am 11. Dezember, auf dem ersten Unterentersbacher Adventshock.
Bitte anmelden:
Familien, die möchten, dass der Heilige Mann mit seinem Gefolge am 6. Dezember bei ihnen erscheint, können sich vom heutigen Montag an bis einschließlich kommenden Samstag bei Jonas Armbruster anmelden: Telefon 0721/ 47001475, oder per E-Mail unter nikolaus.unterentersbach@gmx.de.