Eine »Weltpremiere« kündigte Bürgermeister Carsten Erhardt augenzwinkernd dem bis auf den letzten Platz besetzten Saal im Pfarrheim St. Marien an, bevor das traditionelle Gulasch beim Nordracher Jahresrückblick aufgetischt wurde: Die Uraufführung einer Dokumentation über das hochprozentige Lebensvergnügen in Nordrach stand an.
»Egbert Laifer hat es sich nicht nehmen lassen, unser Lebensgefühl in einem gigantischen Film festzuhalten«, schwärmt das Dorf-Oberhaupt. Egbert Laifer wiederum, Nordrachs rühriger Chocolatier, hatte den preisgekrönten Kameramann Tobias Weis (24) für die Umsetzung seiner Idee engagiert.
Im November 2018 war der Jungfilmer beim SWR-Nachwuchswettbewerb »Visio« mit dem zweiten Preis für seinen Kurzfilm »Lichtblicke«, ein Low-Budget-Projekt, ausgezeichnet worden.
»Ein Film kann nie perfekt werden«, sagt der Mediengestalter in Bild und Ton, der sich nach dieser Ausbildung nun auf die Kameraarbeit spezialisiert hat und beispielsweise bei namhaften Krimi-Produktionen mitwirkt, »im Nachhinein gibt es immer etwas, das man hätte besser machen können.« Umso größer seine Anstrengungen, dass das Ergebnis seiner Arbeit und das des Teams so gut wie nur irgend möglich wurde. Bis elf Stunden vor der Uraufführung hatte er sich noch der Feinabstimmung gewidmet, das heißt: bis Mitternacht.
»Es war einfach toll, auf einigen der Obstbrennerhöfe hinter die Kulissen schauen zu dürfen und bedingungslos willkommen zu sein, total herzlich«, lässt Weis das Publikum an seinen Erinnerungen teilhaben. Erinnerungen an die Drehbedingungen auf fünf der am Obstbrennerweg gelegenen Höfe. Alle der insgesamt 15 Höfe zu zeigen, hätte den Rahmen und das Budget gesprengt.
Denn: »Nix da von wegen einfach immer mal wieder schnell die Handykamera gezückt und fertig ist: Voll mit Menschen und Material war der Kleintransporter, der an Fronleichnam und am darauffolgenden Freitag auf dem Nordracher Obstbrennerweg hin- und herkurvte.
Zwei Drehtage von früh morgens bis in den späten Abend waren erforderlich, um 220 Minuten Aufnahmematerial in den sprichwörtlichen Kasten zu bekommen. Wobei sich Tobias Weis auf ein bestens funktionierendes Team verlassen konnte und musste.
Teamarbeit unabdingbar
Daher war bei den Nordracher Aufnahmearbeiten »der Workflow strikt gegliedert«, erklärt er, der zum einen von einem Kamera-Assistenten unterstützt wurde. Der sorgte dafür, dass die Kamera läuft. Dass also »alles richtig umgebaut wird«, denn die Kamera wurde bei den Nordrach-Aufnahmen unterschiedlich genutzt: als Handkamera auf der Schulter, auf einem Stativ oder (für Landschaftsaufnahmen) mit einem Saugnapf außen an der Beifahrertür des Wagens befestigt.
Hinzu kamen die verschiedenen Objektive, die fürs Zoomen benötigt wurden, und auch die Akkus mussten jeweils rechtzeitig gewechselt werden. »Dass man das als Kameramann nicht selber machen muss, ist extrem wichtig«, erläutert der gebürtige Saarländer, der in Baden-Baden in Lohn und Brot steht, »weil das ganze Technische in Konflikt mit der kreativen Arbeit der Bildgestaltung steht.«
Daher widmete sich sein Kamera-Assistent überdies dem »Schärfe ziehen«. Das heißt, er stellte per Fernbedienung den Abstand des zu filmenden Objekts zur Kamera ein, beziehungsweise synchron zu den Bewegungen der Protagonisten. »Wenn man danebenliegt, ist alles unscharf und man muss die Aufnahme nochmal machen«, erklärt Tobias Weis.
Nicht weniger verantwortungsvoll die Aufgabe der Datenverwaltung von insgesamt eineinhalb Terabyte, die ein weiterer junger Kollege übernahm. Denn nach jeweils zehn Minuten musste die Speicherkarte aufgrund der hohen Aufnahmequalität gewechselt, auf eine große Festplatte kopiert und zum erneuten Überspielen gelöscht werden, »da durften keine Daten verloren gehen«.
Ein Vierter im Bunde war in Eigenregie für den Ton verantwortlich. Er bediente ein Gerät, mit dem mehrere Audiospuren gleichzeitig aufgenommen werden können und positionierte das Mikrofon. Auch ein Drohnenpilot für die Aufnahme von Landschaft und Wanderern war mit von der Partie.
Mit der Beendigung der Dreharbeiten wurde das Aufnahmeformat des Filmmaterials in eines gewandelt, »das sich bearbeiten lässt«. Es wurde daraufhin in ein Schnittsystem geladen. Bei einer ersten Sichtung sortierte Tobias Weis aus. »Bei 220 Minuten Material für eine geplante Filmlänge von 20 Minuten konnte ich wählerisch sein«, freut sich der preisgekrönte Kameramann. Als nächstes wurde der Film geschnitten.
Viel Applaus für aufwändige Puzzle-Arbeit
Ist der Schnitt fertig, kommt die Audio-Mischung an die Reihe. Hier wird der Ton angelegt, den Bildern müssen die passenden Töne zugeordnet werden. Inklusive der Atmosphärengeräusche von beispielsweise Vogelgezwitscher oder Gläserklappern. Oder der Fahrgeräusche eines alten Traktors – für diese Aufnahmen hatte Tobias Weis sich, gut gesichert, in einen Kasten vor der Motorhaube gesetzt.
Anschließend galt es, die Töne so zusammenzumischen, dass alles wie aus einem Guss klingt – damit man die Schnitte nicht mehr hört und die Lautstärke passt. Doch auch damit ist noch nicht das Ende der Fahnenstange erreicht. Weil nun die Auswahl der Musik ansteht. Schließlich musste die Sprecheraufnahme mit Egbert Laifer erstellt und dazu gemischt werden, sie erzählt den Off-Text.
Blieb noch die separate Bildbearbeitung ganz zum Schluss, um die Lichtverhältnisse anzupassen und Farbkorrekturen vorzunehmen. Was unter anderem deshalb nötig war, »weil wir mit zwei verschiedenen Kameras gefilmt haben.«
Wie gelungen das Ergebnis geworden ist, zeigte am Sonntagmittag die applausstarke Reaktion des Publikums auf atemberaubende Landschaftsaufnahmen, auf einfühlsame Interviews und Kurzporträts, auf humorige Einblicke. In absehbarer Zukunft wird der Film bei Pralinenverkostungen in Nordrachs Chocolaterie »Choco-L« zu sehen sein. Als Beitrag zur Unterstützung des Obstbrennerweges, seiner Höfe und deren Produkte.