Ende Mai wird in den bewaldeten Höhen Nordrachs ein Kurs stattfinden, in dem Helfer aus der Evangelischen Jugend das Bauen eines Baumhauses erlernen. Unter ihrer Regie werden im nächsten Jahr dann Jugendliche ein Baumcamp in dem Waldstück errichten.
»Ein Baumcamp, das heißt: Man macht Freizeiten im Wald, baut mit den Jugendlichen Baumhäuser und lebt mit ihnen ein paar Tage lang praktisch in den Bäumen«, erklärt Rainer Schnebel.
Der Bezirksjugendreferent der Evangelischen Landeskirche mit Bürositz in Offenburg ist zuständig für das gesamte Kinzigtal und ganz offensichtlich Feuer und Flamme für das Projekt. Wobei es sich bei den Baumhäusern nicht um »ganz feste, fertige Häuser« handelt. Vielmehr bindet man sie nach einem bestimmten System, so dass man sie später wieder abbauen kann.
»Die Idee haben wir uns in der Schweiz abgeschaut«, erläutert Rainer Schnebel. Das dort bereits bestehende Baumhauscamp ist aufgrund einer Initiative des Christlichen Vereins Junger Menschen in der Schweiz entstanden, »von denen lernen wir in diesem Jahr das Baumcamp-Bauen.«
Vereinfacht gesagt geht das so: Man sucht vier Bäume aus, die werden in einer gewissen Höhe mit Stangen verbunden. Zwischen diesen Bäumen entsteht dann eine Plattform. Diese muss mit einem Geländer gesichert und eventuell mit Zeltdach überspannt werden.
Sicherheit ist das A und O
Generell ist Sicherheit das oberste Gebot. Das bedeutet beispielsweise, dass jeder mit Helm und Klettergurt ausgerüstet ist. Denn: Man muss sich in den Bäumen absichern können, »das ist Vorschrift, sobald ich über drei Meter gehe«, betont der in vielerlei Hinsicht ausgebildete Religionspädagoge. Erst, wenn die Jugendlichen überall durch Geländer geschützt sind, dürfen sie auch ohne
Sicherheitsgurt auf die Plattform, »andernfalls wäre das wie ein Balkon ohne Geländer«, verdeutlicht der Projektverantwortliche.
Das Baumaterial stammt direkt aus dem Wald, als unabdingbaren Kooperationspartner für ein Baumcamp benötigt man daher einen Waldbesitzer. Das ist im vorliegenden Fall die evangelische Stiftung »Pflege Schönau« – eine Vermögensverwaltung der evangelischen Landeskirche, der in Nordrach Wald gehört. Zum anderen betreibt die Evangelische Jugend eine am Rande des Dorfes gelegene Jugendkapelle. Die heißt »Himmelblick« und wird von Jugendlichen aus der gesamten Ortenau als Pilger- und Jugendkapelle genutzt.
Beides zusammen ist der Grund dafür, dass die 2000-Seelen-Gemeinde als Standort für das zukünftige Baumcamp ausgewählt wurde. Für dessen Realisierung hat die Evangelische Jugend nun Helfer von 16 bis über 18 Jahren gesammelt, um sie Ende Mai von den Schweizer Baumcamp-Kundigen ausbilden zu lassen.
Wie klettert man einen Baum hoch? Welche Knoten muss man kennen? Wie fällt man einen Baum? 12 bis 14 junge »Mitarbeiter« werden es sein, die solcherlei und mehr fürs Bauen einer Pilotplattform lernen. Im nächsten Jahr dann werden sie mit Jugendlichen ab 13 oder 14 Jahren »das Ganze zu einem Camp ausbauen.« Indem sie weitere Plattformen in andere Bäume hinein bauen. Diese können mit Seilbahnen, Hängebrücken oder Stegen verbunden werden. Möglicherweise übernachten Mädchen und Jungen auf jeweils einer separaten Plattform. »Und weiter oben am Berg in dem Waldstück, das wir ausgesucht haben, kann es eine Plattform geben, wo man sich morgens trifft und den Sonnenaufgang betrachtet«, beschreibt Rainer Schnebel. Wenn der Ort es hergibt, können auch drei bis vier Plattformen übereinander entstehen.
Aus der Natur fürs Leben lernen
Das pädagogische Ziel dabei: »Wir gehen mit den Jugendlichen in die Natur, in die Schöpfung Gottes hinein und entdecken dabei, wer wir selber sind«, so der Religionspädagoge. Nicht zuletzt lernen die Jugendlichen auch dadurch, dass sie an ihre Grenzen kommen. Weil sie sich erst etwas errichten müssen, um darin leben zu können. »Ich kann zu keiner Dönerbude um die Ecke gehen, wie ich es gewohnt bin, und es fährt auch kein Zug runter ins Dorf«, erklärt der 54-Jährige die Situation der jungen Campteilnehmer. »Und wenn ich auf´s Klo muss, kann ich nicht einfach irgendeine schöne Sitzkeramik testen, sondern da muss man sich einen Donnerbalken bauen oder eine Klo-Abteilung einrichten. Und zum Waschen muss man vielleicht an einen Bach gehen und das Wasser muss man auch fassen.«
Ähnlich verhalte es sich auch mit dem Leben, erklärt Rainer Schnebel den naturpädagogischen Aspekt: »Das muss ich zwar nicht errichten, aber ich muss das Leben für mich begreifen und ergreifen, um es dann für mich sinnvoll und stimmig umsetzen zu können.«
Offen für alle
So lassen sich über die freie Natur, in der alles ganz anders abläuft als in urbanem Gebiet, grundlegende Erfahrungen und Erkenntnisse über sowie für das eigene Leben mit seinen hellen und dunklen Seiten gewinnen.
Überdies stellt der Wald mit seinen Tieren und Geräuschen des abends, wenn die Nacht hereindringt, einen Ort dar, der nicht jedem gleich angenehm ist. »Aber in der Gruppe erlebt man, dass es trotzdem geht«, weiß Rainer Schnebel, »wobei die Plattform Sicherheit gibt vor den vermeintlichen Gefahren und Bedrohungen, die von unten kommen könnten, deshalb bauen wir ja diese Baumhäuser.«
Zwar kommen die Mitarbeiter und Helfer aus der Evangelischen Jugend, am Baumcamp als solches teilnehmen können aber alle. »Man muss auch nicht an Gott glauben, um als Jugendlicher beim Baumcamp mitmachen zu können«, betont der Pädagoge mit Blick auf das kommende Jahr.
Info
Die Evangelische Jugend ist eine Organisation, die die Jugendarbeit der evangelischen Landeskirche über die Gemeindegrenzen hinweg zusammenzufassen versucht. Zu diesem Zweck gibt es für die jeweiligen Regionen Jugendreferenten und –referentinnen. Diese unterstützen zum einen die Gemeinden darin, Jugendarbeit anzubieten. Zum anderen führen sie überregionale Projekte durch – wie das in Nordrach entstehende Baumcamp.