Es gibt da jemanden in Biberach, der ist immer auf der Suche nach dem nächsten Schuss. Er beobachtet genau, tarnt sich und drückt im richtigen Moment ab. Aber nicht um zu töten, sondern stets, damit das Motiv perfekt im Kasten ist. Helmut Krannichs »Waffe« ist die Kamera.
Der Biberacher Naturfotograf hat jetzt in Kleinstauflage einen neuen Fotoband mit mehr als 100 Seiten aufgelegt. Zu seinen schönsten Bildern der heimischen Vogelwelt hat er Reime gefunden. »Die Reime sind mir nach und nach eingefallen. In ganz verschiedenen Situationen«, denkt er zurück. Und wer Krannichs Bilder kennt, weiß, dass es nicht wirklich weit hergeholt ist, die Fotos mit Texten zu versehen. Einfache Schnappschüsse sind die Bilder mitnichten. Jedes erzählt eine kleine Geschichte, die Bilderserien sowieso. Entstanden ist der Band in der sommerlichen Hitzephase – nach dem Brutgeschäft. Ein tolles Foto wollte der Schöpfer für das Projekt »Bild und Reim« nämlich nicht verpassen.
Die Begeisterung des Fotografen geht auf eine Fernreise im Jahr 1983 zurück. Da hat ihn das Fotofieber gepackt. Waren es am Anfang noch überwiegend Landschaftsaufnahmen, wurde später die Makrofotografie sein zentrales Thema. Seit fünf, sechs Jahren beschäftigt er sich nun intensiv mit der heimischen Vogelwelt. Angefangen hatte alles – wie sollte es im Harmersbachtal auch anders sein – mit den Störchen. Auch auf dem heimatlichen Balkon ist mit munterem Flugbetrieb zu rechnen, so dass die Vögel vor der Terrassentür ebenfalls ihren Beitrag zum ornithologischen Interesse geleistet haben.
Mit zunehmender Begeisterung wuchs auch der Wunsch nach dem passenden Equipment, um die Bilder machen zu können, die er wollte. Kamera und Objektive sind dabei ein wichtiger Teil. Aktuell entstehen die Bilder auf Sony Vollformat. Im Fotokoffer finden sich zudem jede Menge Objektive vom 12-mm-Ultraweitwinkel bis zum 600-mm-Hochleistungstele. Ein anderer wichtiger Ausrüstungsgegenstand ist das Tarnzelt. Krannich hat viel Erfahrung gesammelt und schnell festgestellt: Viele Sachen gehen nur mit Tarnung. Vor dem Foto steht jedoch die Beobachtung. Zu Fuß und mit dem Fernglas ist der Biberacher unterwegs, schaut genau hin, beobachtet, späht Gewohnheiten aus. Geduld und ein gutes Auge sind unabdingbar. An eine Beobachtung denkt er gerne zurück: »Vor Jahren habe ich einen Eisvogel entdeckt. Das war eine richtige Sensation!« Die Vögel galten damals als sehr, sehr selten. Krannich beobachtete das rare Exemplar: Wo fliegt es hin? Wo sitzt es ab? Dann stellte er das Tarnzelt auf. »Das erste Foto war eine Katastrophe«, beschreibt er die lange vergangene Zeit. Fast zwei Wochen hat es gedauert, bis sich der bunte Geselle so hat ablichten lassen, dass es dem kritischen Auge seines Beobachters standhielt.
Um nicht alles selbst entdecken zu müssen, sind Kontakte im Vogel-Fotografen-Kosmos wichtig. An der Stelle kommt ein junger Kollege ins Spiel, Tim Büdel. Der 14-Jährige wollte von Helmut Krannich das Fotografieren lernen. Der alte Hase nahm ihn in die »Lehre«. Jetzt teilen sie sich die Aufgaben. »Tim recherchiert im Internet und quatscht jeden an«, freut sich Krannich über die Verstärkung. Kontakte aufbauen, rausfinden was–wann–wo los ist, das ist Tims Job. Hinfahren und Wissen weitergeben, der von Krannich. »Tim ist ein wahnsinniger Vogelkenner«, ist sein Lehrmeister stolz. In der Balzzeit sind sie besonders viel unterwegs.
Damit solch brillante Bilder entstehen, wie Helmut Krannich sie anzufertigen weiß, ist ein schneller Autofokus beim Objektiv und die Möglichkeit für blitzschnelle Serienaufnahmen enorm wichtig. 10,5 Bilder pro Sekunde »jagt« Krannichs Kamera durch – schnell genug, dass der Moment passend eingefangen wird. Viel fotografiert er mit dem Stativ, aber längst nicht alles. Bei Vögeln im Flug funktioniert das zum Beispiel nicht mehr. Dafür bräuchte man eine »Affenschaukel«, ein Gimbal-Stativ, das den Panorama-Schwung mitmacht. Es steht ganz weit oben auf der Wunschliste.
Kreativ entwickelt sich der »Vogelfotograf« ständig weiter. »Meine Fotografie hat sich verändert in Motiv und Ausdruck«, sagt er. Viel genauer schaue er heute hin, packe mehr Emotion in die Bilder, er wolle Geschichten erzählen. Nicht das »Artensammeln« stehe bei ihm in Vordergrund, sondern das gelungene Foto. Er weiß: »Erfahrung bei der Beobachtung hilft beim perfekten Schuss.«
Der Biberacher ist Autodidakt. Noch nie hat er einen Fotokurs gemacht. Er ist auch nicht im Fotoclub. Der Blick, da ist er sich sicher, komme durch das Zuschauen. Fotobände mit der »best pratice« haben ihm geholfen, seinen Ausdruck zu finden.
Krannich zeigt seine Bilder gerne in Fotoshow. »Ich bin in Rente, aber noch lange nicht müde«, lacht er. Seine allererste Fotoshow zeigte die heimische Natur. Er habe in Erinnerung bringen wollen, wie privilegiert man hier lebe, sagt er über seine Motivation. Die Leute würden das oft vergessen. Die Natur biete hier wahnsinnig viel – wenn man sich darauf einlässt. Reisen ist eine andere von Helmut Krannichs Leidenschaften. Reisen ist schön, sagt er, aber woanders leben wolle er nicht.
»Der Wiedehopf«
Wir seh’n hier einen Wiedehopf
mit seinem ausgeprägten Schopf.
Weit die Schwingen ausgebreitet,
wie ein Zebra sie gezeichnet.
Ein Jungvogel hält Ausschau hier,
sperrt auf den Schnabel voller Gier.
Hier gibt es eine Maulwurfsgrille,
gut zu seh’n auch ohne Brille.