Am Sonntag feiert die katholische öffentliche Bücherei St. Blasius Biberach ihren 20. Geburtstag in eigenen Räumen. Grund genug, die Bücherei und die Menschen dahinter einmal
genauer unter die Lupe zu nehmen.
»Hier findet man die Romane, dort Sachbücher und weiter hinten erst die Jugendbücher, dann die Kinderbücher.« Andrea Mäntele weiß seit 20 Jahren ganz genau, wo welches Buch in den Räumlichkeiten in der Friedenstraße 28 zu finden ist. Alle sind durch ihre Hände gegangen, bevor sie ins Regal gestellt wurden. Die Leiterin der Bücherei erklärt zudem: »Die Kinder- und Bilderbücher sind sehr wichtig.« Ein Regal ist religiöser Literatur gewidmet, auf einem anderen sind Biografien einsortiert. Von klassischen Medien bis hin zu modernen Buchkonzepten ist so ziemlich alles vorhanden, nach dem das Leserherz verlangt. Für die, die Geschichten lieben, aber nicht so gerne lesen, sind Hörbücher im Programm. Natürlich dürfen für die Kinder die trendigen Tiptoi-Bücher nicht fehlen, aber auch die Klassiker aus eigener Kindheit und Jugend haben ihren festen Platz in der Bücherei und im Herzen derjenigen, die sich um sie kümmern. Wer hat sie schon vergessen – die vielen Bände, die man von den »Fünf Freunden« verschlungen hat, die Leselöwen-Geschichten, mit denen man das Lesen gelernt hat und die wunderbar aufbereiteten Sachthemen in den »Wieso weshalb warum«-Büchern und vieles mehr. Gemeinsame analoge Familienzeit verbringen lässt sich mit den Gesellschaftsspielen, die ebenfalls zur Ausleihe stehen. Nur Ebooks sucht man vergebens. Zu teuer und zu aufwändig in der Verwaltung, konstatiert Mäntele. Besondere Empfehlungen finden die Leser stets herausgehoben präsentiert auf speziellen Tischen.
Was nicht gelesen wird, wird aussortiert
Andrea Mäntele, Germana Gissler und all die anderen, die sich in der Bücherei engagieren legen viel Wert darauf, dass der Bestand immer aktuell und topgepflegt ist. Regelmäßig werden die Bücher durchgeschaut, gereinigt und kategorisch aussortiert, um Platz für Neues zu schaffen. 167 neue Bücher hat die Bücherei im letzten Jahr angeschafft.
Viele junge Familien gehören zu den Lesern. Darauf hat sich die katholische öffentliche Bücherei sogar mit Sonderöffnungszeiten eingestellt. Nach dem Treffen der Krabbelgruppe öffnet sich regelmäßig die Tür zum Bücherparadies. Aber auch gernlesende Männer und Frauen jeglichen Alters finden den Weg in die Bücherei, die am Mittwoch- und Freitagnachmittag jeweils eine Stunde und am Sonntag nach der Kirche geöffnet hat. Selbst Feriengäste kommen immer mal wieder, um sich mit Urlaubslektüre zu versorgen.
Früh übt sich …
Regelmäßig sind außerdem die Biberacher Grundschüler zu Gast. Wenn sie kommen, erklärt Andrea Mäntele gerne alles rund ums Buch und um die Bücherei. Was ein Autor ist, wie die Bücher sortiert sind und vieles mehr. Es sei schön zu sehen, wie sich die Kinder verweilen, sagt sie und hat festgestellt, dass es heute wie wohl in jeder Generation davor echte Leseratten gibt und andere, die sich mit Büchern eher schwer tun. In solchen Fällen können die Bücherei-Mitarbeiter helfen, die richtigen Titel auszuwählen. Viele Bilder, wenig Text sei dabei für Leseanfänger ein probates Mittel. »Ein Buch soll die Kinder nicht überfordern«, berät Andrea Mäntele in diesen Fällen die Eltern. Es solle so gestaltet sein, dass die Kinder mit Begeisterung dran bleiben. Besonders für die Kinder, die von Buch zu Buch springen, sich nicht entscheiden können und am Ende mit leeren Händen nach Hause gehen.
Lesewünsche sind willkommen
Aber wie kommt man nur zur Auswahl? Die Zahl der Buchtitel ist unüberschaubar. Da die Orientierung zu behalten ist nicht ganz einfach. Die Lösung ist ganz pragmatisch, die Entscheidung über Neuanschaffungen wird gemeinsam getroffen. Die Erzdiözese Freiburg unterstützt die öffentlichen katholischen Büchereien, in dem sie Buchprofile zur Verfügung stellt. Viele der ehrenamtlich engagierten Bibliothekare haben zudem Kinder oder Enkelkinder und sind schon allein deswegen in Sachen Bilder- und Kinderbuch immer auf dem Laufenden. Außerdem werden nicht selten von Lesern Empfehlungen ans Büchereiteam herangetragen, die dann auch oft erfüllt werden. Und natürlich lesen auch alle Ansprechpartner gern. Näher dran an der Zielgruppe kann man kaum sein.
Das zeigt sich Jahr für Jahr bei der Bücherausstellung, bei der besondere Bücher vorgestellt und vor Ort gekauft oder bestellt werden können. »Die ersten Jahre sind wir den Empfehlungen der Erzdiözese gefolgt. Mittlerweile stellen wir die Titel selbst zusammen«, berichtet Germana Gissler.
Entdecke die Welt
Die Bücherei steht jedem offen, der einen Leseausweis beantragt. Katholisch muss man nicht sein – auch wenn die Institution dies im Namen trägt. Die Erzdiözese fördert die kleinen, lokalen Büchereien, weil sie überzeugt ist, dass Lesen kein Privileg sein darf, sondern die Welt der Bücher allen Menschen unabhängig von ihren finanziellen Verhältnissen oder gesellschaftlichen Stellung offen stehen muss. Deshalb wird für den Leseausweis auch kein Jahresbeitrag erhoben.
Im kirchlichen Büchereiwesen der Erzdiözese Freiburg sind die öffentlichen katholischen Büchereien im Südwesten organisiert. Die Zahl der Ausleihen steigt stetig und hat 2018 über alle Institutionen hinweg die 800.000er Marke überschritten. Im Schnitt wird also alle 90 Sekunden ein Buch in einer öffentlichen katholischen Bücherei im kirchlichen Büchereiwesen im Erzbistum Freiburg ausgeliehen. Fast die Hälfte entfällt auf Kinder- und Jugendbücher.
Bücherei ist Teamarbeit
Wer meint, dass die Welt der Bücher eine für Eigenbrödler ist, täuscht sich gewaltig. Das Projekt »Bücherei« kann nur laufen, wenn alle zusammenhelfen. Schließlich ist es nicht allein mit der Ausgabe und Rücknahme der Bücher getan. Die Titel müssen beschafft und in die Software eingepflegt werden. Jedes einzelne Buch wird nochmals eingebunden, um seine Haltbarkeit zu erhöhen. Dann gibt es noch die Ausleihdienste und einige Anlässe, in der die Bücherei anderweitig im öffentlichen Leben in Erscheinung tritt. Der Fasentkaffee muss organisiert sein, genauso der Büchermarkt, das Ferienprogramm und der Bücherflohmarkt auf dem Ostermarkt. Um all das kümmern sich mittlerweile ein knappes Dutzend Personen. Die beiden Leiterinnen, Germana Gissler und Andrea Mäntele, haben die Aufgabe quasi »geerbt«. Die anderen wurden nach und nach gefragt und kamen gerne dazu. Alle lieben den Kontakt mit den Lesern und haben an der Beratung in Sachen Titelauswahl Freude.
Bestandskatalog online
Im Vergleich zu den Anfängen hat sich viel getan. Die Verwaltung wird längst nicht mehr per Hand und Karteikarte organisiert. Ein Rechner mit moderner Büchereisoftware und Barcode-Scanner haben Einzug gefunden. Der Bestandskatalog ist jederzeit online abrufbar. Nur ein paar Klicks sind das Vormerken und Verlängern von Medien mit dem persönlichen Leserkonto entfernt. Ganz bequem vom heimischen Sofa aus geht das heute. Mit der Ausleihhistorie behält jeder Nutzer den Überblick und Suchergebnisse lassen sich auf einem Merkzettel speichern und sogar an Freunde weiterempfehlen.
Gefragt nach ihren Wünschen sagen die Mitstreiter in Sachen Bücherei, dass es schön wäre, wenn mehr Jugendliche kämen. Wir haben so viele tolle Jugendbücher, sagen sie, die es wert wären, öfter ausgeliehen zu werden. Außerdem ist der zur Verfügung stehende Platz ein Thema. Mit größeren Räumlichkeiten könnte zum Beispiel eine gemütliche Leseecke eingerichtet werden. Für die Fassade würden sie sich eine adäquate Beschilderung wünschen und natürlich ist das Budget für neue Bücher immer ausbaufähig.
Vom Kindergarten in die Pfarrscheune
Erstmals urkundlich erwähnt wurde die Bücherei im Jahr 1834. 120 Jahre später, im Jahr 1954 wurde sie durch Pfarrer Karl Biemer wieder aktiviert. Er kümmerte sich um den Buchbestand, Nonnen und Gemeindemitglieder halfen mit. Untergebracht war dieser Vorläufer der heutigen Bücherei im Dachgeschoss des Kindergartens St. Blasius. Mitte der 1970er Jahre wurden die Buchbestände von politischer und kirchlicher Gemeinde zusammengelegt. 1984 erhielten sie im Chorsaal zwar einen neuen Platz, aber lange nicht den Raum, den sie eigentlich benötigten. Erst die ehrenamtliche Renovierung der alten Pfarrscheune durch engagierte Rentner ermöglichte 1999 den Umzug in die Arche Noah. Mit einem Bestand von 1.467 Medien wurde dort gestartet. Heute sind es mehr als 4.000.
Tag der offenen Tür
Gefeiert wird das 20-jährige Jubiläum am kommenden Sonntag, 30. Juni, rund um die Arche Noah in Verbindung mit dem Pfarrfest. Um 10 Uhr findet ein Familiengottesdienst mit der Buchgeschichte »Einer für Alle – Alle für Einen!« statt. Anschließend werden Fahrzeuge jeder Art geweiht. Danach gibt es einen leckeren Mittagstisch sowie Kaffee und Kuchen hinter dem Chorsaal. Ab 11.30 Uhr sorgt die Jugendkapelle des Blasorchesters Biberach für musikalische Unterhaltung. Für Kinder werden im Bauwagen Geschichten vorgelesen und die Künstlerin Kunigunde kreiert lustige Luftballonfiguren. Eine Hopsburg und ein Kinder- und Bücherflohmarkt lassen keine Langeweile aufkommen. Bei der Kinderbetreuung, beim Malen, Basteln und Spielen sind die Kleinen bestens aufgehoben. Das Gemeindeteam und das Büchereiteam freuen sich auf zahlreiche Besucher, die das Jubiläum mitfeiern.
Wissenswert
• Anzahl Medien: 4.142 (Stand: 2018)
• Anzahl Ausleihen: 4.452
• Öffnungsstunden: 126
• Nutzer: 243
• Beliebtester Roman 2018: »Der verbotene Liebesbrief« von Lucinda Riley
• Beliebtestes Jugendbuch: »Harry Potter und der Stein der Weisen« von J.K. Rowling
• Beliebtestes Kinderbuch: Tiptoi »Entdecke den Zoo«
• Beliebtestes Bilderbuch: »Leo Lausemaus will nicht teilen« von Marco Campanella
• Beliebtestes Hörspiel: »Biene Maja«
• Finanzierung: Pfarr-Etat, Gemeindezuschuss, eigene Einnahmen, Zuschuss von Erzdiözese (auf Antrag), Spenden
• Team: Germana Gissler, Andrea Mäntele, Petra Kuderer, Harald Gissler, Gabi Stadelmann, Christa Dürrholder, Wiebke Fix, Pia Kornmayer-Krieg, Benjamin Krieg, Conny Lythje, Barbara Silzer, Katharina Bortfeld, Judith Busse