Vor 400 Jahren bestimmte der Straßburger Bischof Leopold I., dass Biberach eine selbständige Pfarrei werden solle. Bis dahin wurde die Filialkirche von Zell mitversorgt. Aus heutiger Sicht ist es verwunderlich, warum die Entscheidung darüber im Elsass fiel. Aber die kath. Kirchengemeinden der westlichen Ortenau gehörten bis 1803 zum Bistum Straßburg. Von dort waren einst die Missionare gekommen, die das Christentum in die Region brachten. Die Grenze des Bistums lag zwischen Haslach und Hausach. Letzterer Ort gehörte zum Bistum Konstanz. 1827 wurde das Bistum Konstanz aufgelöst und das Erzbistum Freiburg gegründet.
Der Wunsch eine eigene Pfarrei zu werden, ging von den Biberacher Gemeindevertretern aus. Im Ort gab es bereits ein Kirchlein. Sonntags kam der Kaplan von Zell, um den Gottesdienst zu feiern. Er brachte auch die Sakramente zu den Sterbenden. Aber wenn der Kaplan ausfiel, mussten die Biberacher den Fußweg nach Zell antreten, um ihre Sonntagspflicht zu erfüllen. Für die Gläubigen wie für den Seelsorger war der weite Weg vor allem im Winter beschwerlich.
Das Vorschlagsrecht für die Besetzung der Pfarrei lag beim Abt von Gengenbach. Er zog seit jeher die »Kirchensteuer« ein, mit der Pfarrstellen zu finanzieren waren. Die Abgabe bestand aus dem kleinen und großen Zehnt. Der kleine Zehnt war zwar eine niedrige aber dafür gleichbleibende Vermögenssteuer. Der große Zehnt betraf die Ernteerträge, die vom Wetter abhingen. Herangezogen wurden insbesondere Getreide und Wein.
Reformen brauchen Zeit
Mit einem konkreten personellen Vorschlag für die Besetzung der Pfarrei Biberach ließen sich die Äbte des Klosters Gengenbach rd. 100 Jahre Zeit. Der erste Pfarrer Edmund Meyer trat 1715 das Amt in Biberach an. Es handelte sich um einen Pater des Klosters Gengenbach, obwohl im Gründungsdokument ausdrücklich von der Pfarrei-Besetzung mit Weltpriestern die Rede war. Dem Abt waren Mönche aus dem eigenen Kloster lieber, weil er sie persönlich kannte und sie abberufen konnte, wenn es vor Ort Probleme gab.
1748 bekam die Pfarrei jedoch mit Josef Siebert erstmals einen Weltgeistlichen. Er gründete 1750 die Bruderschaft von den 14 Nothelfern. Wie der Name sagt, handelt es sich um Heilige, welche in vielfältigen Nöten angerufen werden. Die Männer und Frauen hatten in der frühen Christenverfolgung ihr Leben für den Glauben gelassen. Einer von ihnen war Bischof Blasius, den die Pfarrei schon früher zu ihrem Schutzpatron erwählt hatte. Der Heilige soll ein Kind vor dem Erstickungstod gerettet haben. Fortan galt er als Helfer gegen Halskrankheiten.
In jedem Jahr richtete die Bruderschaft das Nothelferfest aus. Zum Gottesdienst gehörte eine feierliche Prozession. An ihr nahmen auch Schützen aus Zell teil. Das war nicht ungewöhnlich, denn Biberach gehörte als Stabgemeinde zur Reichsstadt Zell. (Das blieb so bis 1803.) Nach der Prozession wurden die Zeller Schützen in einer Biberacher Gaststätte verköstigt. Auch die Mitglieder der Bruderschaft setzten sich zu einem gemeinsamen Mahl zusammen. Dabei übernahm Pfarrer Siebert den Tischdienst. Auf diese Weise zeigte sich der Pfarrherr als bescheidener Mitbruder.
Nachfolger Josef Schilple, der 1769 das Amt antrat, widerstrebte es, diese Tradition weiterzuführen. Die demütige Geste vertrug sich anscheinend nicht mit seinem Selbstverständnis als »Hochwürden«. Mitglieder der Bruderschaft beklagten sich darüber beim Zeller Stadtrat. Der empfahl den Mitgliedern, den vom Pfarrer bestellten Mitbruder nicht mehr zu bewirten. Aus Rache über die Beschwerde wollte der Pfarrer es künftig den Mitgliedern überlassen, den Festprediger zu suchen, wozu ihnen die Kontakte fehlten. Irgendwie scheinen sich die Kontrahenten versöhnt zu haben, denn die Bruderschaft existierte noch bis 1905, als schon längst andere Geistliche das Sagen hatten.
Fällige Kirchen-Erweiterungen
Im 19. Jh. wurde die Kirche wegen der zunehmenden Einwohnerzahl zu klein. Pfarrer Vivell ließ sie daher im Jahr 1875 vergrößern. Die Mittel schöpfte er aus dem Kirchenfonds, der für solche Zwecke angelegt war. In einer Zeit als die Sparkassen noch in den Kinderschuhen steckten, verlieh die Kirchengemeinde aus dieser Rücklage Kredite an Bürger; gegen ein Zinssatz von 4 Prozent. Sie legte ihrerseits ihr flüssiges Geld bei der Bad. Eisenbahntilgungskasse in Karlsruhe an; zu einem Zinssatz von 3,5 Prozent. Die Kirchenerweiterung kostete rd. 37.400 Mark. Die Gläubigen wurden um Spenden gebeten, die sie wahlweise in zwei Opferstöcke werfen sollten. Daneben gab es jeden Monat im Gottesdienst einen Opfergang, bei dem die Gläubigen ihren Beitrag persönlich nach vorne brachten.
Als die Kirchen-Erweiterung abgeschlossen war, ärgerte sich der Pfarrer, dass eine Reihe von Männern während des Gottesdienstes immer noch vor dem Gotteshaus stehen blieben. In Zeiten des Platzmangels, war dies akzeptiert worden. Nach Erweiterung der Kirche jedoch stieß dieses Verhalten gehörig auf. Der Pfarrer bat die politische Gemeinde um Unterstützung, um die Unsitte zu beenden. In den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts erwies sich der Kirchenraum erneut als zu klein. Nach dem Zweiten Weltkrieg gingen wieder deutlich mehr Leute in die Kirche. Nach Ansicht von Pfarrer Karl Biemer bedurfte es einer ganz neuen Kirche. Zusammen mit Bürgermeister Karl Allgeier verfasste er einen Spenden-Aufruf. Zugesichert wurde den Unterstützern das Bittgebet zu den Nothelfern. Die Grundsteinlegung erfolgte 1958, die Einweihung 1962. Die alte Kirche wurde noch eine Zeitlang als Gemeindesaal genutzt, dann aber abgerissen. Nur der Turm erinnert noch an die einstige Pfarrkirche.
Pfarrer Biemer war sichtlich bemüht, die alten Traditionen in der neuen Kirche fortzuführen. Der Zeller Künstler Walter Haaf wurde beauftragt sowohl für den hl. Blasius als auch für die 14 Nothelfer dauerhafte Bronze-Figuren zu schaffen. Dominant aber sollte im neuen Gotteshaus Jesus Christus sein, dem an der Altarwand ein überlebensgroßes Mosaik gewidmet wurde. Heute erscheint beim allgemeinen Rückgang des Kirchenbesuches die Kirche an den gewöhnlichen Sonntagsgottesdiensten eher zu groß. Bei besonderen Anlässen aber, wie dem gestrigen Gottesdienst zum 400-jährigen Jubiläum, ist die Kirchengemeinde über den großzügigen Raum froh.
Quelle: Karl Biemer,
St. Blasi Pfarrey zu Biberach, 1959