Sein vorrangiges Ziel hat der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter klar vor Augen:
einen gerechten, kostendeckenden Erzeugerpreis, ohne dass Verbraucher und Steuerzahler noch mehr belastet werden. Darüber wie es erreicht werden kann, wurde am Freitag im Gasthaus Linde diskutiert.





Dort fanden sich rund 50 Bäuerinnen und Bauern aus der Ortenau zusammen, um sich über den »Milchmarkt mit Aussicht« zu informieren. Der Kreis war in diesem Jahr etwas kleiner als gewöhnlich, was Vorstandsmitglied Stefan Lehmann aus Oberharmersbach weniger dem Thema als vielmehr der immensen Arbeitsbelastung des Moments zugeschrieben hat. Viele Milchbauern sind auch Waldbesitzer und in dieser Position aktuell stark damit beschäftigt, jede Menge Käferholz aufzuarbeiten.
Stefan Mann, BDM-Vorsitzender aus Mittelhessen, war als Referent angekündigt, ließ sich jedoch entschuldigen. Nach etlichen Tagen auf Tour für die Ideen des BDM musste er wieder einmal daheim auf seinem eigenen Hof nach dem Rechten schauen. Und so war es an Pressesprecher Hans Foldenauer darüber zu berichten, wie es um die Stimmung unter den Milchviehhaltern in Deutschland bestellt ist und welche politischen Entscheidungsträger mit der Deutschland-Tour bisher bereits erreicht worden waren. Am 28. August war der Tourbus gestartet und hat seitdem mehrere tausend Kilometer kreuz und quer durch die Republik zurückgelegt und dabei zahlreiche Ministerien angefahren.
Politik für die Konzerne
»Die Politik fährt auf Sicht im dicksten Nebel«, beschreibt Foldenauer die aktuelle Agrarpolitik aus BDM-Perspektive. Seit 30 Jahren sei die Agrarpolitik ausgerichtet auf die Ernährungsindustrie, das vorrangige Ziel sei die Versorgung der Lebensmittelkonzerne mit billigen Rohstoffen. Mit einer solchen Politik hätten die Betriebe jedoch keine nachhaltige Entwicklungschance.
Überall haben die Milchviehhalter Beobachtungen des BDM zufolge das gleiche Problem: Der Aufwand für die Erzeugung von Milch wird von den Molkereien nicht honoriert. 32,6 Cent pro Liter beträgt der Milchpreis im Bundesdurchschnitt. Für eine kostendeckende Produktion muss der Preis EU-Berechnungen aus dem Januar zufolge bei mehr als 41 Cent liegen. Bei diesem Betrag sind jedoch die Preissteigerungen bei Futtermittel, wie sie durch den trockenen Sommer entstanden sind, noch nicht berücksichtigt. Foldenauer warnt davor, die aktuell diskutierten Hilfsgelder per Gießkannen-Prinzip zu verteilen. »Die Hilfsgelder müssen, wenn sie kommen, für die Tierhaltung ausgegeben werden, wenn die Bedürftigkeit nachgewiesen ist«, fordert der BDM-Sprecher.
Politik für die Menschen
Die EU-Agrarpolitik mit ihren vielen Subventionen dient in den Augen des BDM weder den Bauern noch den Verbrauchern und erst recht nicht dem ländlichen Raum. Der leide immer mehr unter Bevölkerungsschwund, nicht zuletzt weil die Entlohnung von Arbeit in der Landwirtschaft minimal sei und sich die junge Generation deshalb anderen Berufsfeldern zuwende. Darin das Geld, das ins bestehende System gesteckt wird, nur anders zu verteilen, liegt für den BDM auch nicht die Lösung. Der Bundesverband der Deutschen Milchviehhalter fordert einen Paradigmen-Wechsel – auf EU-Ebene – und sieht insbesondere die Molkereiwirtschaft in der Pflicht, die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen fairer zu gestalten. Im Zuge der gesamtgesellschaftlichen Diskussion um die Auswirkungen der Dürre auf die Landwirtschaft sieht Foldenauer wachsende Bereitschaft über grundlegende Veränderungen nachzudenken. Weg von einer Politik für die Konzerne, hin zu einer Politik für die Menschen. Erschreckend sei es, wenn Nahrungsmittel in der Lebensmittelindustrie zum Putzen von Maschinen benutzt würden oder in einer Großschlachterei jede vierte Packung Wurst wegen optischer Mängel aussortiert werde, berichtet er von eigenen Erfahrungen. Diese Form der Ressourcenverschwendung müsse beendet werden.
Geld für Leistung
Vorrangiges Ziel des angestrebten Paradigmen-Wechsels in der Landwirtschaftspolitik ist es für den BDM, dass es den Bauern durch steigende Erzeugerpreise nicht nur möglich ist die Kosten zu decken, sondern auch Gewinne zu erzielen, um Rücklagen bilden zu können und Investitionen zu tätigen. Foldenauer bemüht ein Bild, das Landwirte seit Generationen verfolgen. Man braucht drei Ernten: eine auf dem Halm, eine in der Scheune und eine auf dem Konto, um gegen Krisen gewappnet zu sein. Zudem sollen staatliche Agrargelder nur noch gezahlt werden, wenn mit der Gewährung konkrete Leistungen für die Gesellschaft einhergehen, wie zum Beispiel Wasser- und Klimaschutz oder aber soziale Komponenten verbessert werden, wie etwa die Entlohnung von Arbeitskräften.
Krisen bekämpfen
Kurzfristig – und das ist eine der Kernbotschaften des BDM an seine Mitglieder, die Gesellschaft und die Politik – muss ein Modus gefunden werden, wie es vermieden werden kann, dass die Milcherzeuger von einer Krise in die nächste schlittern. Das Mittel der Wahl sind für den BDM zeitlich befristete Mengenbegrenzungen auf Erzeugerebene. Alle Marktkrisen der letzten Jahre sind durch Übermengen ausgelöst worden, die der Markt nicht mehr aufnehmen konnte, hat der Verband analysiert. Das habe zu staatlichen Aufkäufen geführt; aus der Milch seien Produkte entstanden, die keiner braucht, und die deshalb zu immensen Kosten eingelagert werden müssen. Etwa 250 Millionen Tonnen schwer soll der EU-Milchpulver-Vorrat derzeit sein. Ziel für die Erzeuger muss es nach den Vorstellungen des BDM deshalb sein eine Situation zu erreichen, in der keine Milch mehr eingelagert werden kann – einfach weil kein überschüssiger Rohstoff auf dem Markt mehr vorhanden ist.
Der BDM fordert ein dreistufiges System, das – sollten Milcherzeuger eine Frühwarnung ignorieren – im Notfall auch Strafen gegen diejenigen verhängt, die weiterhin zu viel produzieren und damit den Markt zum Abstürzen bringen. Dass der Markt überaus elastisch reagiert macht Foldauer daran fest, dass schon ein bis zwei Prozent Milchmenge, die der Markt gerade nicht aufnehmen kann, zu handfesten Krisen führen. Wenn Verbraucher jetzt auf die Idee kommen, mit eigenem Mehrverbrauch zur Verbesserung beizutragen, denen sei gesagt: Nur rund 35 Prozent der Milch kommt als direktes Milchprodukt in den Handel. Der Rest wird von der Nahrungsmittel- oder chemischen Industrie weiterverarbeitet. Mit mehr Milch trinken, dicker Butter aufs Brot schmieren oder die Käseplatte zum Nachtisch etablieren ist es leider nicht getan.
Weitblick für »Veronika«
Gegen den Druck ankämpfen, der auf die Milchviehhalter ausgeübt wird, will der BDM mit ständigen Gesprächen und starken Bildern. Die Faire-Milch-Kuh »Veronika« hat es im Laufe der Tour bereits auf einen Kletterturm geschafft. Vielfach fotografiert und in die ganze Welt gepostet wurden auch Bilder vom Domplatz in Köln, wo gleich vier »Veronikas« Werbung für die Sache der Milchbauern machten. Zum Abschluss wird sie noch beim Gipfeltreffen auf der Alpspitz »den Milchmarkt gestalten mit Weitblick«.
Aufgabe für Generationen
Die BDM-Mitglieder wollten in der anschließenden Gesprächsrunde wissen, wie die Resonanz der Politik auf die unterbreiteten Vorschläge ist. »Von heute auf morgen wird’s nicht gehen«, warb Foldenauer mehrfach für Geduld für einen echten Konsens und verwies darauf, dass schon Bewegung in die Politik gekommen sei. Vielleicht könne es 2028 so weit sein, dass der Umbruch von unten oben ankommt. Auch soziale Aspekte wurden diskutiert, etwa welchen Einfluss das Bildungssystem auf Produktion und Absatz hat. Über die Bedeutung von bäuerlichen Familienbetrieben in Sonntagsreden und in der Realität wurde gesprochen; mit Sorge wurde festgestellt, dass in manchen Bereichen das Großkapital in die Landwirtschaft einsteigt und dass chemische Labore der Erzeugung von »Kunstmilch« – ohne Kuh und Euter – wohl mittlerweile schon immer näher kommen.
Um das »zarte Pflänzchen Wettbewerb« ging es kurz, als die BMG-Pleite zur Sprache kam. Die Pleite sei ein erheblicher Rückschlag gewesen, die die Marktmacht der Molkereien gestärkt hätte. »Die Pleite hat die bestraft, die Mut zu mehr Wettbewerb hatten«, so Foldenauer. Sie sei Ausdruck der verfehlten Agrarmarktpolitik.
Zu guter Letzt erinnerte Stefan Lehmann daran, dass es Aufgabe der Politik ist, Regeln für eine soziale Marktwirtschaft zu schaffen. Regeln, die dazu dienen sollen, dass jeder Leben kann – vom Erzeuger bis zum Verbraucher. Foldenauer ergänzte: »Und genau deshalb darf das Engagement nie enden!«