Auf dem Hof der Bauernhofpädagogin Sabrina Wiedmer gibt es „Seelenfutter“: Hier lebt der Weihnachtswichtel „Wabsi“, er liebt Streiche und das Backen von „Grittibänz“.
Foto: Inka Kleinke-Bialy
Foto: Inka Kleinke-Bialy
Foto: Inka Kleinke-BialyAufgeregt rennen die Kinder über den Hof und die umliegende Wiese, dass die Lichter ihrer Laternen in der Dämmerung nur so tanzen. Aber sie schaffen es: Sie sind leise, ganz leise. Denn das muss man unbedingt sein. Nur dann hat man eine Chance, dem zwar liebenswert-frechen, aber doch extrem scheuen Weihnachtswichtel Wabsi auf die Schliche zu kommen. Oder zumindest von ihm versteckte Nachrichten zu finden.
Selbst die Ziegen und Graugänse sind nun ruhig. Vor einer guten Stunde noch haben sie sich neugierig lärmend am Zaun versammelt, um die Ankömmlinge zu begutachten – die acht kleinen Jungen und Mädchen mit ihren erwachsenen Begleitpersonen. Ein Baby ließ sich im Kinderwagen schaukeln, ein weiteres war in einer Trage an die Brust seiner sacht auf und ab wippenden Mutter gekuschelt.
Sabrina Wiedmer versammelte die Menschenrunde schließlich unter dem riesigen schützenden Dach eines aus Holz errichteten Carports. „Ihr dürft mich duzen“, ermunterte die qualifizierte Bauernhofpädagogin zu vorweihnachtlicher Nähe. Kerzenlichter und Lichterketten sorgten für eine heimelige Atmosphäre. Im mystisch anmutenden, winterdunstigen Dämmerlicht ging sanft strahlend ein Vollmond über den Hügeln auf. Die Zuhörer hingegen schön warm eingemummelt saßen Klein und Groß im Halbkreis – richteten ihre Aufmerksamt einzig auf Sabrina.
War das der Wabsi?
Auf einem samtroten Märchensessel saß sie. Und erzählte von seltsamen, von unerklärlichen Spuren, die sie im Laufe der letzten Jahre in der Vorweihnachtszeit immer mal wieder gefunden und fotografiert hat – im Schnee, im Gras, im Matsch. „Vielleicht war das der Wabsi? Oder war das einer von Euch?“, fragte die Vierzigjährige, selbst Mutter zweier Kinder im Wichtel-affinen Alter. Ihre kleinen Zuhörer verneinten energisch, die großen kicherten.
„Wahrscheinlich hat der Wabsi was gesucht, das er zum Backen nehmen kann, weil: Er ist ja ein Bäckerwichtel“, mutmaßte die Erzählerin daraufhin. Aber was ist denn eigentlich ein Wichtel? Sabrina erklärte: „Also der Wabsi, der wohnt das ganze Jahr hier bei uns auf dem Hof.“ Ende November aber, als es so richtig kalt geworden war, sei er ins Haus gezogen und habe prompt schon ein paar kleine Streiche gespielt, ihren Kindern beispielsweise Wäscheklammern an die Schnürsenkel gesteckt.
Wie Wichtel aussähen, wollte die Pädagogin von ihrem jungen Publikum wissen, so wie sie dieses überhaupt ständig in ihr von großen Fotos begleitetes Erzählen mit einband. Klar sei auf jeden Fall: Wichtel sind kleine magische Wesen. Wie groß genau sie sind, weiß man nicht. Die Kinder erfuhren: Es gibt unterschiedliche Wichtel, und manche haben eine Spezialität. Beim Wabsi ist dies das Backen.
Das Wichtelgeheimnis
„Kennt Ihr eigentlich auch das Wichtelgeheimnis?“, lautete die nächste Frage – mit der Versicherung, die Kinder dürften die nun folgende Antwort weitererzählen: „Nur, wenn man an Wichtel und an das Magische glaubt, kann man Wichtel sehen.“ Sie selbst habe den Wabsi schon erspähen dürfen, verriet Sabrina und zeigte eine Zeichnung des kleinen Kerlchens, die sie selbst angefertigt hat.
Als markantes Merkmal trägt der Wichtel einen Hut. Die runden, bunten Dinger darauf – was das wohl sein könne? Ein kleiner Zuhörer meldete sich: „Eiskugeln“, platzte es aus ihm heraus und man schmeckte förmlich das leckere Speiseeis, das er vor seinem inneren Auge sah. Tatsächlich jedoch handelt es sich um Bollen, in bunter Anlehnung an den Bollenhut. „Weil der Wabsi ja im Schwarzwald lebt“, wie Sabrina erklärte.
Und noch etwas wusste sie: Der Bäckerwichtel hat gerade erst Grittibänz gemacht und in den Holzbackofen geschoben. Aber weil ihm zum Einfach-so-Warten auf das Fertigwerden des süßen Hefegebäcks die Geduld fehlt, hat er sich auf einen Rundgang über den Hof begeben. Mit der Hilfe weiterer Großformat-Fotos nahm die Bauernhofpädagogin ihre Zuhörer mit auf Wabsis Hofreise, erzählte von spannenden oder lustigen Begegnungen mit den tierischen Bewohnern. Eine Reise, die in eine Party mit Wabsis Wildschweinfreunden Fussel und Wussel münden sollte.
Zettel und Streiche
Ob Wabsi inzwischen zurückgekehrt war? Sabrina schlug den Kindern vor, jeweils eine der bereitstehenden Laternen zu nehmen und sich auf die Suche zu begeben. Am besten zuerst im Mostkeller. Aber wie gesagt: leise! Um den scheuen, kleinen Wichtel bloß nicht zu erschrecken!
Den Wabsi finden die aufgeregt umherwuselnden Kinder im Mostkeller zwar nicht, aber einen Zettel mit einer handgeschriebenen Nachricht. Und diese schickt die Suchenden in den Stall. Die Kinder rennen. Aber auch hier nur ein Zettel. Und so werden sie in der Dämmerung kreuz und quer über den Hof geschickt, von Ort zu Ort, von Zettel zu Zettel, die Laternenlichter tanzen und tanzen in der immer diesiger und geheimnisvoller werdenden Dämmerung, zwischendurch gibt es leckeren „Beerenschleim“ aus eigenem Anbau.
Nicht einmal in der Backstube lässt sich der Wichtel finden, dafür ist die Türklinke dick mit Handcreme beschmiert – was für ein Frechling! Außerdem sind die Ofenbleche leer: Der Wichtel und seine Wildschweinfreunde haben alles schon aufgefuttert. Aber an der nächstes Station gibt es Entschädigung: Beim Gewächshaus finden die Kinder eine Tasche mit köstlichen „Wabsi-Bollen“. Und einen Abschiedszettel vom Wabsi: „Nehmt die Bollen mit nach Hause und teilt sie mit Euren Liebsten.“ Der Wichtel selbst werde jetzt im tiefen Wald mit seinen Wildschweinfreunden Weihnachten feiern und wünsche viel Glück und viel Spaß im Neuen Jahr, ist dieser letzten Nachricht zu entnehmen.
Spiegelbild
„Die Wabsi-Bollen schmelzen schokoladig im Mund dahin“, verrät Sabrina unserer Zeitung, nachdem sich alle kleinen wie großen Gäste sichtbar glücklich verabschiedet haben. Natürlich ist sie es, die die kugeligen Köstlichkeiten gebacken hat. Und der Bäckerwichtel Wabsi? „Der ist mein Spiegelbild“, lacht die selbst der Leidenschaft des Backens Verfallene, die „Sabsi“ genannt wird.
Ihren Beruf als Lebensmittelchemikerin übt sie inzwischen zu nur noch 35 Prozent aus. Denn mit ihrer in „Sabsis Hofwelt“ ausgeübten Bauernhofpädagogik kann sie ihre Liebe zu Tieren ausleben sowie auch den eigenen Kindern ein Leben mit Tieren ermöglichen, „und ich arbeite sehr gerne mit Menschen – mit Erwachsenen wie mit Kindern.“
In ihren Kursen möchte sie Kinder mit Natur und Tieren zusammenbringen, „dadurch lernen sie unter anderem Verantwortung, aber heutzutage gibt es bei den wenigsten Kindern ein Haustier daheim.“ Aus alledem könnte man schließen, dass sie in der Landwirtschaft aufgewachsen ist. Doch fröhlich schmunzelnd schüttelt die gebürtige Biberacherin den Kopf. „Weder ich noch mein Mann, aber meine Eltern hatten einen großen Garten mit vielen Haustieren.“ Ihr Mann stammt aus der Schweiz, wo auch sie selbst fünfeinhalb Jahre gelebt hat.
Den idyllisch gelegenen Bauernhof in Bruch erwarb das Paar im Jahr 2015, steckte viel Eigenarbeit in die Modernisierung. „Von der Landfläche haben wir das Meiste verpachtet – das zu bewirtschaften schaffen wir zeitlich nicht“, erklärt die in Arbeitsoverall und schwarze Bäckermütze Gekleidete.
Doch es gibt einen riesigen Bauerngarten und viel, viel Wiesen- und Stallplatz für Tiere – neben Graugänsen und Ziegen sind das Laufenten, schwedische Blumenhühner, Katzen und Meerschweinchen.
Selbst erfunden
Wabsi, den Weihnachtswichtel mit blauer Bäckerschütze, erfand die Pädagogin vor drei Jahren. Als Schwarzwald-Wesen sollte er einen Bollenhut tragen und jeder Bollen eine andere Farbe haben. „Deshalb habe ich jeden in der Familie nach seiner Lieblingsfarbe gefragt“, schmunzelt sie.
-Beim Wabsi-Event gibt es jedes Jahr ein anderes kleines Geschenk für die Kinder. Auf jeden Fall aber liebt das Kerlchen das Backen von Grittibänz. Einmal sind sie ihm dummerweise verbrannt, weil es zwischendurch etwas anderes gemacht hatte (man ahnt, wem das Missgeschick „in echt“ passiert ist).
Sabrina erläutert: „Der Grittibänz ist in der Schweiz ein typisches Gebäck für die Weihnachtszeit, das gemeinsam gebacken wird.“ Hierzulande nennt man das Gebildbrot unter anderem Klausen- oder Weckmann. Wobei als „Gritti“ ein alter Mann bezeichnet wird, der mit gespreizten Beinen geht. Und „Bänz“ ist die Kurzform von Benedikt („der Gesegnete“).
Diese Grittibänz backt die Pädagogin im Advent mit ihren Jahreskurskindern – im uralten Holzbackofen in der Back- und Brennstube. Jedes Kind nimmt dann etwas nach Hause für die Familie mit. „Es geht um das Teilen“, sagt sie. Und um Lebensfreude und Entschleunigung, „das will ich auch durch den Wabsi vermitteln.“ Kurzum: „Seelenfutter“ möchte Sabrina Wiedmer mit auf den Weg geben. Wie sehr ihr das gelingt, zeigt sich beim Verabschieden in den funkelnden Augen der Besucher.





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