Ben Armbruster vom Hausacher Gutmannshof ist eines der neuen Bärenkinder. Er hat das Allan-Herndon-Dudley-Syndrom, das einen sehr seltenen Gendefekt bezeichnet und eine Erkrankung des zentralen Nervensystems bedeutet. Weltweit sind davon nur etwa 320 Kinder betroffen.
Die ältere Schwester Lilly war eigentlich immer gesund, neben den üblichen Vorsorgeuntersuchungen waren nur wenige Arztbesuche nötig. Als Ben dann als scheinbar gesundes Baby am 16. Februar 2021 in Offenburg zur Welt kam, war die Freude in der Familie groß. Die ersten drei Monate schien das Glück auf dem Gutmannshof im Unteren Neuenbach perfekt zu sein – doch dann begann der Leidensweg von Ben und damit auch der seiner Eltern. Und wenn Nadine und Roman Armbruster ihre Odyssee erzählen, ist es kaum zu glauben. Denn Ben fing plötzlich an, das Trinken zu verweigern, viel zu schreien und der Stuhlgang blieb aus.
Schwierige Diagnose
Vom damaligen Kinderarzt erhielten sie zunächst lediglich die Auskunft, dass so etwas bei Stillkindern vorkommen könnte – und Ben bekam das erste Abführmittel verabreicht. Die Sorgen von Nadine und Roman Armbruster wurden völlig ignoriert, für Ben ging es abwechselnd in die Notaufnahme und zum damaligen Kinderarzt, wo er stets mit Abführmitteln behandelt wurde. »Nachdem ich nicht locker gelassen habe, hat mich der Kinderarzt richtiggehend angepampt, ob Ben die Arme nicht vor dem Körper zusammenführen könnte«, erinnert sich die Mutter zurück. Warum das in seinem Alter wichtig ist, habe man ihr nicht erklärt. Sie habe lediglich zwei Rezepte für Osteo pathie und Krankengymnastik bekommen.
Der Rat zur Magensonde
Mit der Krankengymnastin vor Ort wurden die Termine festgelegt und nach wenigen Tagen mit der Vojta-Therapie begonnen. Nach vielen Telefonaten fand sie dann in Kehl auch eine Osteopathin, bei der sie tags drauf bereits einen Termin bekam. Doch eine Blockade war nicht festzustellen, eine Lösung für Bens Problem wurde nicht gefunden und wieder einmal blieb nur der Weg ins Krankenhaus. Dort wurde zur Ernährung über eine Magensonde geraten, falls sich der Zustand nicht bessern würde. Doch dagegen wehrte sich Nadine Armbruster vehement. Schließlich wurde sie selbst krank und musste sich in ärztliche Behandlung begeben.
Kinderarzt sieht Rot
Ihre Hausärztin untersuchte dann zum Glück nicht nur die Mutter, sondern sah sich auch Ben genau an – und brachte damit den Stein ins Rollen. Dass sie die bisherigen Akten des Kinderarztes anforderte, bescherte Nadine Armbruster anschließend den Rauswurf aus der Praxis – samt Tochter Lilly. Ein Chiro praktiker in Bad Peterstal stellte kurz darauf bei Ben zwar eine Atlas-Blockade fest, die beseitigt wurde, aber den erhofften Durchbruch brachte das nicht.
Gentest in der Uni-Klinik
Weiter ging die Odyssee in Richtung Uni-Klinik Freiburg, wo zunächst Ratlosigkeit herrschte und erst eine zufällig vorbeikommende Fachärztin für Pädiatrie mit Schwerpunkt Neurologie eine Vermutung hatte. Ben wurde Blut abgenommen und dieses genetisch untersucht sowie ein MRT angefertigt. Das Ergebnis zeigte eine Entwicklungsverzögerung des Gehirns – doch das Gen-Ergebnis ließ auf sich warten. Eine zermürbende und mit großen Ängsten verbundene Zeit für die Eltern.
Hormone finden keinen Weg
Zwischenzeitlich fand Familie Armbruster einen Kinderarzt in Lahr, von dem Nadine Armbruster schwärmt: »Ein Arzt wie aus dem Bilderbuch.« Von ihm ließen sie sich dann auch die Diagnose Allan-Herndon-Dudley-Syndrom erklären, bei dem der »Transporter« für lebenswichtige Hormone zwischen Schilddrüse und Gehirn defekt ist.
Studie in Rotterdam
Mittlerweile nimmt Ben an einer weltweiten Medikamenten-Studie teil. Dafür wird regelmäßig Blut von ihm nach Rotterdam geschickt und das Medikament entsprechend eingestellt. Er ist weltweit einer der ersten, bei dem die Krankheit so früh festgestellt wurde.
Krankenkasse blockt
Völlig unverständlich ist für Familie Armbruster, dass der MDK (Medizinischer Dienst der Krankenkassen) den dringend benötigten Spio-Anzug zur Stabilisierung von Ben trotz Schreiben der Uniklinik und Empfehlung der Physiotherapeutin ablehnt. Die Leihgabe aus dem Sanitätshaus ist mittlerweile zu klein und die nächste Größe des Kompressions-Anzugs müsste dringend angeschafft werden.
Medikamente aus Argentinien
Auch die Kosten für die Medikamente sind hoch, 100 Tabletten kosten 70 Euro zuzüglich 650 Euro Transportkosten, weil sie aus Argentinien importiert werden müssen. »Der Kampf mit den Krankenkassen ist nicht schön«, erklärt Nadine Armbruster abschließend.
Aktueller Stand
»Ben kann jetzt eine Maisstange festhalten und essen«, zeigt sich Nadine Armbruster glücklich über kleine Erfolge ihres Sohnes. Auch das Festhalten von leichtem Spielzeug oder eines wenig gefüllten Trinkfläschchens wären im Liegen möglich, alleine trinken kann er allerdings nicht. Ob er jemals sitzen, laufen oder gar sprechen kann, ist aufgrund der krankheitsbedingten Muskelschwäche völlig ungewiss. Schwester Lilly geht mit der Krankheit ihres kleinen Bruders völlig unvoreingenommen um. Die Nachmittage im Sommer wurden so gut es ging nach ihren Wünschen gestaltet und auch im Urlaub wird für sie auf besonders kinderfreundliche Campingplätze geachtet. Denn eines ist den Eltern ganz wichtig: Lilly soll an Aufmerksamkeit bekommen, was nur irgendwie möglich ist.