Pater Anselm Grün in der Schwarzwaldhalle Unterharmersbach – diese besondere Veranstaltung konnte dank langer Anstrengungen der beiden Organisatoren Eckehard Ficht, Präsident des Lions-Club Lahr, und Ortsvorsteher Hans-Peter Wagner in der Trägerschaft der Lions-Fördervereine Lahr/Ortenau und Zell am Harmersbach stattfinden. Viele Besucher aus der weiteren Umgebung kamen am Montagabend nach Unterharmersbach und verursachten zunächst einen Verkehrsstau zwischen der Zeller Keramik und der Schwarzwaldhalle.
An den Baustellenampeln nach Unterharmersbach kam es zu einem langen Rückstau anfahrender Besucher. An der Schwarzwaldhalle wurden die Besucher vom THW Biberach auf Parkmöglichkeiten bei der Halle und im weiteren Umkreis eingewiesen. Die Veranstaltung begann mit 20 Minuten Verspätung. Aber das DRK Unterharmersbach-Oberharmersbach, das die Bestuhlung der Halle übernommen hatte, versorgte derweil die Gäste bestens mit Getränken und Brezeln. Und das Warten hat sich gelohnt: Anselm Grün zeigte den Zuhörern, wie man Ängste und Bedenken überwinden kann. Er machte Mut, über Grenzen zu gehen und zu wagen, das Leben zu leben, das zu jedem persönlich passt.
Anselm Grün ist Mönch der Benediktinerabtei Münsterschwarzach. Von 1987 bis 2013 leitete er erfolgreich die 20 Betriebe der Abtei mit über 300 Mitarbeitern. Seit 2013 ist er ausschließlich in der Erwachsenen- und Jugendbildung als Seelsorger, spiritueller Berater und geistlicher Begleiter tätig. Seine Seminare und Vortragsveranstaltungen sind außerordentlich gefragt und er ist auch als Autor sehr erfolgreich. Seine 250 Bücher werden weltweit gelesen. Gemeinsam haben sie eine Auflage von 18 Millionen Büchern. Sie behandeln religiöse Themen und sind Ratgeber für Fragen des Lebens.
Am Montagabend wählte Anselm Grün das Thema: »Versäume dein Leben nicht! Ermutigung zum Leben«. Bei seiner Arbeit als Seelsorger erlebe er oft, dass Menschen sich unter Druck setzen, möglichst viel zu erleben, um nichts zu versäumen. Beschäftigt mit dem Planen der Zukunft versäumen sie das Leben, das gerade stattfindet.
Andere haben Angst, etwas Neues anzufangen; Entscheidungen für ihr Leben zu treffen und diese umzusetzen. Sie bleiben Zuschauer ihres eigenen Lebens. Mit Nachdruck sagte Grün: »Leben heißt, das Leben wagen.« In das Leben hinausgehen, es anpacken, etwas riskieren und dabei zu wissen, dass man nicht perfekt ist und Fehler machen darf. Das macht gelingendes Leben aus, ist Pater Anselm Grün überzeugt.
Der Sinn im eigenen Leben
Man müsse einen Sinn in seinem Leben finden, erklärte Grün. Hierfür nannte er vier Beispiele. Sinn kann man finden in schöpferischen Werten (Handwerk, Kunst) oder in Erlebniswerten (Natur). Ausführlich erläuterte er den Begriff der »Einstellungswerte«: Jeder Mensch habe die Freiheit zu wählen, wie er auf Lebenssituationen reagiert. Menschen fühlen sich heute oft als Opfer. Schuld sind immer die Anderen, wenn es einem schlecht geht. Anselm Grün zeigte wie ein Aussteigen aus der Opferrolle gelingen kann. Religiöse Menschen könnten um einen Segen bitten für Menschen, die sie als die Schuldigen für ihre Probleme mit dem Leben ansehen und sie dadurch in einem anderen Licht sehen.
Auch Krankheiten kann man einen Sinn abringen. Hier nannte Grün das Beispiel seiner alten Mutter, die trotz großer körperlicher Beschwerden die Liebe für andere als ihren Lebenssinn annehmen konnte. Als viertes Beispiel für einen Sinn im Leben nannte Grün das geistige Leben, die Spiritualität. Der christliche Glaube ist sein persönlicher Sinn des Lebens.
Krise in der Lebensmitte
In der Lebensmitte haben viele Menschen das Gefühl, etwas versäumt zu haben. Anselm Grün hält nichts davon, sich dann radikal zu verändern, ein anderer Mensch zu werden. Er rät zu einer langsamen Verwandlung der eigenen Person mit dem Ziel, immer mehr zu sich selbst zu finden. Dabei sei es wichtig, das bisherige Leben zu würdigen und es anzunehmen, wie es war. »Nur was ich annehme an mir, kann ich verwandeln«, betont Grün.
Ausführlich ging der Redner auf die Trauer bei dem Tod eines geliebten Menschen ein. Hier haben Angehörige oft das Gefühl, bei dem Verstorbenen etwas versäumt zu haben. »Es ist, wie es ist – es gilt das Versäumte anzunehmen und nicht immer hinterher zu trauern«, rät Grün. Er hat ein Ritual für Trauernde entwickelt, das helfen kann. Der Trauernde soll einen Brief an den Toten schreiben, und darin alles aufschreiben, was er glaubt versäumt zu haben. Auch den Antwortbrief des Toten soll er schreiben. Trauerarbeit ist Beziehungsarbeit. Unausgesprochenes könne dadurch im Nachhinein thematisiert und gemildert werden.
Angst vor dem Versagen
Kritisch sieht Grün den Gebrauch von Psychopharmaka zur Linderung von Lebenskrisen. Depressiven Menschen können Medikamente helfen. »Aber wenn ich alle negativen Gefühle mit Medikamenten zudecke, versäume ich wesentliche Schritte des Reifens meiner Persönlichkeit«, machte er seine Bedenken deutlich. Die Angst vor dem Versagen könne man nicht mit Medikamenten lösen. Jeder Mensch soll sich bewusst sein, Schwächen zu haben und Fehler zu machen: Das gehört für Anselm Grün zum Leben dazu.
»Die christliche Antwort auf die Unfähigkeit, sich dem Leben zu stellen, ist die Hoffnung«, betonte Grün. »Die Hoffnung lässt die Möglichkeit offen, dass eine Situation besser werden kann.«
Am Ende seines knapp einstündigen Vortrages lud er die Zuschauer zu einem Abendritual ein. Dazu standen alle von ihren Sitzen auf. Mit meditativen Worten führte er zu einem Rückblick auf den Tag, den jeder Einzelne für sich persönlich vornehmen konnte und beendete das Ritual mit einem alten Abendgebet.
Tosender Beifall der Zuhörer zeigte, wie sehr sie sich von den Ausführungen angesprochen gefühlt haben. Anselm Grün begab sich anschließend zum Büchertisch, wo er auf Wunsch seine Bücher mit Unterschrift signierte.
Die Veranstaltung mit Anselm Grün war eine Benefizveranstaltung der Fördervereine des Lions-Club Lahr Ortenau und des Lions-Clubs Zell a. H. zugunsten der Projekte »Helfer vor Ort« des DRK Ober- und Unterharmersbach und des »Rührwerk« der gemeinnützigen GmbH Zeitgeist – Lahr. In einer besonderen Feierstunde werden die Spenden beiden gemeinnützigen Organisationen übergeben.




