Die Ortschaftsratssitzung am Freitagabend interessierte viele Bürger. Thema war der Sanierung der Hauptstraße L94, die im Frühjahr 2017 beginnt und voraussichtlich bis Mitte 2020 andauern wird. Die Maßnahme auf einer Länge von 2,2 Kilometern wird zu Beeinträchtigungen im Straßenverkehr führen und macht Umfahrungen notwendig. Die Anwohner nutzten nach der Sitzung die Gelegenheit, Fragen zu stellen.
»Wir möchten ein neues Ortsbild schaffen, und da muss jeder Bürger mitwirken«, sagte Ortsvorsteher Hans-Peter Wagner zu Beginn der Sitzung. Er hatte in den Jahren 2008 und 2009 bei Gesprächen im Stuttgarter Verkehrsministerium und vor Ort erreicht, dass Unterharmersbach als einer von vier Orten im Ortenaukreis in den Generalverkehrsplan des Landes Baden-Württemberg aufgenommen wurde, die in diesem Zeitraum mit höchster Priorität eine neue Ortsdurchfahrt erhalten.
Der Baubeginn dieser Ortsdurchfahrt ist für das Frühjahr 2017 geplant, die Gesamtbauzeit soll zwei bis zweieinhalb Jahre dauern. Das Vorhaben kostet 8,6 Millionen Euro. Im Zuge der Sanierung werden auch die Kaffee- und die Rösslebrücke erneuert, wofür zusätzlich 1,4 Millionen Euro veranschlagt worden sind. Wenn man die Stichstraße zum Kindergarten und das Gelände dort miteinbezieht, werden weitere Kosten von rund einer Million Euro entstehen. Nicht eingerechnet dabei seien aber – so Ortsvorsteher Hans-Peter Wagner weiter – auch die Kosten der seit 2007 laufenden Landessanierung »Ortsdurchfahrt Unterharmersbach« mit rund zwei Millionen Euro an Zuschüssen für die Sanierungen bzw. Abriss von nicht mehr sanierbaren Häusern entlang der Hauptstraße, die überhaupt erst die Voraussetzung für das Mammutprojekt gewesen sei. So komme es letztlich zu einer Summe von zwölf bis 13 Millionen Euro, die für das Gesamtprojekt der Sanierung der Hauptstraße Unterharmersbach aufgebracht werden.
Bürgermeister Günter Pfundstein informierte, dass die Stadt Zell die Kosten für die Erneuerung von Wasser und Abwasser sowie für die Strom- und Glasfaserrohre im Untergrund der Straße trage, das Land Baden-Württemberg die Kosten für die Baumaßnahmen oberhalb der Straße. Die Herstellung der Gehwege werde zwischen Land und Stadt geteilt.
Planer Gerhard Schulz-Ehlbeck vom Ingenieurbüro Wald + Corbe aus Hügelsheim gab mittels einer Power-Point-Präsentation einen Überblick über die Gesamtmaßnahme. Die Sanierungsstrecke beginnt auf Höhe der Wallfahrtskirche und endet am Ortsende. Fahrbahn und Gehwege, die Rösslebrücke und die Kaffeebrücke sowie die Beleuchtung werden erneuert. Unter der Straße werden die Entwässerungskanäle, Wasserleitungen und Hausanschlüsse neu gemacht, Leerrohre für Glasfaserkabel werden verlegt. Die Fahrbahnbreite von sechs Metern bleibt erhalten, die Gehwege sollen auf 1,50 Meter oder 1,20 Meter verbreitert werden. An Engstellen durch Treppen, Hauseingänge oder Mauern können die Gehwege auf einen Meter ausgebaut werden.
Sanierung der Rösslebrücke erhöht die Tragfähigkeit
Die Rösslebrücke ist zur Zeit sechs Meter breit, die Gehwege hier 75 Zentimeter breit. Die neue Brücke wird auf 6,50 Meter Breite gebaut, die Gehwege beidseitig auf 1,50 Meter. Für die Brückengeländer sind weitere 25 Zentimeter Breite vorgesehen. Zur Zeit ist die Brücke für Schwerlastverkehr bis 45 Tonnen zugelassen, nach dem Neubau kann sie mit bis zu 90 Tonnen befahren werden. Das Bauamt des Regierungspräsidiums hatte eine Rückstufung der Brücke verlangt, da die Tragfähigkeit nicht mehr gegeben war. »Es muss jetzt gehandelt werden«, sagte Ingenieur Schulz-Ehlbeck.
Wegen der Erneuerung der Kaffee- und Rösslebrücke, die jeweils acht Monate dauern werden, und wegen des jeweils entstehenden »Lochs« in der Fahrbahn ist eine Vollsperrung notwendig. Während auf einer Fahrbahnseite die Bauarbeiten stattfinden, wird über die andere Fahrbahnseite die Zufahrt der Bürger zu ihren Grundstücken gewährleistet. Zu Fuß wird jedes Grundstück immer erreichbar sein; mit dem Pkw kann es an mehreren Tagen auch mal keine Zufahrt geben, wenn dort gerade gebaut wird. Bei der Suche nach möglichen Umfahrungsstrecken wurde von den Verkehrszahlen aus dem Jahr 2012 ausgegangen. In einer Verkehrszählung wurden am Tag 8.000 bis 9.500 Fahrzeuge auf der Hauptstraße gezählt, davon zehn Prozent Schwerlastverkehr. Bereits im November hatte der Ortschaftsrat mit dem Baubüro rund 30 Strecken besichtigt, die für eine Umfahrung angedacht waren. Die Umfahrungsstrecke muss für Schwerlastverkehr in beide Richtungen befahrbar sein. Gewünschte Umfahrungen östlich und westlich am Wald entlang konnten diese Voraussetzung nicht erfüllen.
Behelfsbrücke über den Harmersbach
Für die Umfahrung der Rösslebrücke muss die Streckenführung durch den Kurpark gehen. »Eine andere Möglichkeit gab es nach sorgfältiger Prüfung nicht«, sagte Schulz-Ehlbeck. Die Zufahrt erfolgt von der Hauptstraße über den jetzigen Parkplatz der Bäckerei Welle-Männle. Über den Harmersbach wird eine Behelfsbrücke aus Stahlteilen für den Autoverkehr und ein Steg für die Fußgänger gebaut. Eine Asphaltstraße führt durch den Kurpark und vor der Apotheke »Am Kurgarten« wieder auf die Hauptstraße zurück. Teile des Kurparks bleiben für die Öffentlichkeit zugänglich. Nach den Baumaßnahmen werden alle Umfahrungsstrecken zurückgebaut und der Kurpark neu gestaltet. Ortsvorsteher Hans-Peter Wagner betonte, dass die ständige Erreichbarkeit von Apotheke, Arztpraxen, Kindergarten und Rathaus über die gesamte Bauzeit keine andere Route zuließen.
Die westliche Umfahrung der Kaffeebrücke erfolgt über die Lindenbrücke sowie die Kapellenstraße, Wiesenfeldstraße und Buchenwaldstraße. In der Kurve entlang von Wallfahrtskirche/Haus der Begegnung wird das gegenüberliegende Haus Nr. 9 abgerissen. Die Fahrbahn wird an dieser Stelle zumindest für die Bauzeit um zwei Meter verbreitert sowie ein Gehweg und Parkplätze eingerichtet. Der nicht beschrankte Bahnübergang in der Buchenwaldstraße/Egelwaldstraße stellt einen Gefahrenpunkt dar. Hier sind die Planungen für eine ausgewiesene Verkehrsführung noch im Gange.
Bürgerversammlung im Herbst
Nach den Ausführungen von Planer Gerhard Schulz-Ehlbeck nahm Bürgermeister Günter Pfundstein zu dem Bauvorhaben Stellung. »Der Ortsvorsteher und der Ortschaftsrat, die Fachkräfte des Bauamts und das Land Baden-Württemberg haben sich viele Gedanken gemacht, wie die Baumaßnahme so zu realisieren ist, dass sie für die Bürger am wenigsten Beeinträchtigungen mit sich bringt. Wenn die Hauptstraße gesperrt wird, ist die Bauzeit am kürzesten.«
Der Haushalt der Stadt Zell wird sich mit 4,4 Millionen Euro an der Baumaßnahme beteiligen. Über die Kosten der Umfahrungsstrecken finden noch Verhandlungen mit dem Land statt. Es werden immer wieder Bürgerinformationen stattfinden, versicherte Pfundstein. Anregungen aus der Bürgerschaft sind willkommen. Ortsvorsteher Hans-Peter Wagner ergänzte, dass im Herbst in der Schwarzwaldhalle eine große Bürgerversammlung stattfinden werde, in der auch die einzelne Bauabschnitte, die Erreichbarkeit der Häuser und vor allem der Geschäfte während der Bauzeit erläutert werden.
Ortschaftsrat Ludwig Schütze sagte: » Es fließen elf Millionen Euro nach Unterharmersbach und machen den Ort für die Zukunft gerüstet. Das ist ein Segen.« Ortschaftsrat Thomas Dreher sagte: »Die Baumaßnahmen sind für die nächsten 50 Jahre gedacht. Wir haben über einige Varianten der Umfahrung nachgedacht: Die beste und kürzeste Umfahrung ist durch den Kurpark.« Jürgen Isenmann betonte: »Unterharmersbach wird zukunftsfähig gemacht. Besonders wichtig sind die Erneuerung der Leitungen im Bauch der Straße. Wenn alle zusammenhalten, lässt sich das Riesenvorhaben gut meistern.«
Rund 80 Zuhörer hatten die Ausführungen verfolgt, da bereits im Vorfeld mit großem Interesse gerechnet worden war, wurde die Ortschaftsratssitzung aus Platzgründen in der Caféteria der Schwarzwaldhalle anberaumt. Die anschließende Möglichkeit für die Bürger, Fragen zu stellen, wurde rege genutzt. Die Anlieger bräuchten sich finanziell nicht an der Sanierung der Hauptstraße beteiligen, beantwortete Pfundstein eine entsprechende Frage. Auch die Befahrung der Lindenbrücke als Umgehungsstraße für den Schwerlastverkehr wurde thematisiert. Hier ist kein Begegnungsverkehr von Lkw möglich – die Fahrzeuge müssen aufeinander warten.
Bezüglich eines schnelleren Internets werde es in nächster Zeit Informationen von der Telekom geben, sagte Pfundstein auf Nachfrage. Das Unternehmen plant eine Erhöhung der Datengeschwindigkeit mittels Vectoring-Technik. Unter der Hauptstraße werden jedoch auch Leerrohre für Glasfaser verlegt. Nach der rund zweistündiger Sitzung bedankte sich Bürgermeister Pfundstein bei den Zuhörern: »Ich finde die Resonanz toll!«