Die erste „Sommermusik“ hatte es in sich: atmosphärisch dicht und technisch brillant. Die Messlatte für die kommenden „Sommermusik“-Abende in der Evangelischen Kirche liegt hoch.
Als Duo musizieren Heike Thoma (Querflöte) und Dieter Friede (Klavier) seit vielen Jahren bei der Zeller „Sommermusik“. So traumwandlerisch sicher ist ihr Zusammenspiel, dass sich auch Reinhardt Bäder (Violoncello) als Dritter im Bunde harmonisch in das musikalische Geschehen fügt. Beim ersten Konzert in dieser Saison begeisterte das Trio die Zuhörer in der vollbesetzten Kirche mit französischer Kammermusik.
Französische Eleganz in Tönen
Bereits der Auftakt mit Charles E. Lefèbvres „Ballade pour flute, violoncello et piano“ bestach interpretatorisch durch eine traumschön melancholische Gestaltung. Das Stück deutete unmittelbar auf die stilistische und atmosphärische Klangrede des Konzertabends.
Nahtlos schloss sich die viersätzige „Suite pour flute et piano“ von Philippe Gaubert an. Die kammermusikalische Kunstfertigkeit und die Bereitschaft, jeweils im anderen aufzugehen, beherrschen Heike Thoma und Dieter Friede nahezu vollendet; brauchen allenfalls einen kurzen Blickkontakt für den präzisen Einsatz. Das Klavier legte ein sicheres Fundament für das Zusammenspiel, ließ der Flöte genügend Raum für solistische Höhenflüge.
Bemerkenswert die eingängige Melodie im 3. Satz „Berceuse orientale“ und der tänzerische Schwung im 4. Satz „Barcarolle“, der sich steigerte bis zum fulminanten Schlussakkord des Pianos.
Feinsinnig und transparent
Cécile Chaminades Talent als Pianistin schon in jungen Jahren fiel keinem Geringeren auf als dem berühmten Georges Bizet. Als Komponistin reüssierte sie mit Klassik, aber auch Salonmusik, was sie Anfang des 2o. Jahrhunderts besonders in England und in den USA populär machte.
Stilistisch der romantischen Tradition verpflichtet, passte „Pièce romantique“ für Flöte solo nicht nur gut ins Programm des Konzertabends, sondern war instrumentaltechnisch ein erstes – wenn auch recht kurzes – Highlight. Dynamisch ausgefeilt, feinsinnig und transparent die Stimmungen, Szenen und Seelenbilder. Reicher Beifall für Heike Thomas Vortrag erfüllte den Kirchensaal.
Mustergültig und „makaber“
Eine Zeitgenossin der Chaminade war Mel(anie) Bonis und zugleich Studienkollegin von Claude Débussy. Impressionistische Elemente, eine gewisse Experimentierfreude und in-strumentale Brillanz kennzeichnen ihre Werke. Das stellt hohe Ansprüche an ein Ensemble.
Das Trio Thoma, Friede und Bäder vereint eine mustergültige, an französischer Kammermusik geschulte postromantische Klangtechnik, die Bonis‘ „Suite orientale …“ zum Hörerlebnis machte. Dominante Klavierakkorde, expressive Flötenläufe und mitunter düster-dissonante Celloklänge können faszinieren, aber auch irritieren. Heike Thoma sprach im Nachhinein selbst von „makabren“ Klängen. Beifall und Jubel im Publikum jedenfalls waren groß.
Ein Meisterstück der Reduktion
„Clair de Lune“ von Claude Débussy ist ein Dauerbrenner in der Klassikszene und über die Konzertsäle hinaus auch in Spielfilmen, wenn Momente der Ruhe und Tiefe dargestellt werden. Dieter Friede spielte unprätentiös, mit behutsamem Anschlag, ruhig und fließend, setzte dynamische Akzente sparsam und schuf damit eine Atmosphäre der Entrückung. Das Publikum war gebannt. Es gab eine lange Pause, bevor der Applaus aufbrandete.
Vital und reizvoll
Die Spielfreude von Flötistin und Pianist belebten die drei Sätze von Benjamin Godards „Suite des trois Morceaux“. Der Komponist, der schon als 9-jähriges „Wunderkind“ konzertierte, hat ein Meisterwerk geschaffen, das in der Ausführung mit Querflöte und Klavier einen Reigen feinster Stimmungen entfaltete.
Von dem bezaubernden Melos des ersten Satzes über die vitale Eleganz des zweiten bis zur feurigen Fulminanz des Finales mit seinen rasenden Tempi zeigten Heike Thoma und Dieter Friede ihr Können bei der Nuancierung der reizvollen Klangbilder. Belohnt wurde das mit anhaltendem Beifall des Publikums.
Virtuos und kontrastreich
Moderne Kammermusik, gleichwohl stimmungsvoll und mit virtuosen Passagen gespickt, erklang mit „Full Moon Trio“ aus der Feder des zeitgenössischen slowenischen Komponisten Blaz Pucihar. Die sanfte, wellenartige Klavierbegleitung harmonierte trefflich mit dem schnellen Spiel der Flöte und dem sonoren Klang des Cellos. Das Stück entwickelte sich kraft- und schwungvoll mit Anklängen an Balkan-Folklore und jazzige Rhythmen. Rasante Passagen forderten die Balance zwischen den Instrumenten heraus; enorm hohe Flötentöne kontrastierten die – mit viel Bogengewicht gespielten – Celloklänge oder das prägnante Pizzicato, wenn Reinhardt Bäder die Saiten zupfte. Mit einer von den Zuhörern lautstark geforderten Zugabe endete das Konzert.
n Kommentar
Wo gibt es noch „Kultur zum Nulltarif“?
von Hansjörg Wörner
Sichtlich erfreut über die zahlreichen Besucher in der Evangelischen Kirche und den gelungenen Konzertauftakt am Mittwochabend zeigte sich Pfarrer Benedikt Mangold. Aus seiner Hand erhielten die Akteure des Abends die traditionelle weiße „Sommermusik“-Rose als Anerkennung. Vor Konzertbeginn hatte Pfarrer Mangold persönlich das Programm an die Besucher verteilt, das Kammermusiktrio und das Motto des Abends „Träumerische Musik für Geist und Seele“ vorgestellt.
Dass für die gesamte „Sommermusik-Reihe auch im Jahr 2025 „Eintritt frei“ gilt, ist nicht selbstverständlich. Wo gibt es noch „Kultur zum Nulltarif“? Auch deshalb warb Pfarrer Mangold für eine Spende beim Verlassen der Kirche am Ende des Konzerts.
Seit mehr als einem halben Jahrhundert gibt es in der Zeller Evangelischen Kirche die „Sommermusiken“ in Zusammenarbeit mit der Stadt. Das vielfältige Konzertangebot hat sich im Laufe der Jahrzehnte über die Grenzen der Region hinaus einen guten Ruf erworben. Das sollte einen Obolus wert sein!