Gedanken von Jürgen Thomas zu seinem 85. Geburtstag. Der christliche Glaube auf der Grundlage der Bibel liegt ihm besonders am Herzen.
Bereits am 15. Juni 2023 konnte Realschullehrer Jürgen Thomas seinen 85. Geburtstag feiern. Seit dem Jahr 1988 lebt er mit seiner Familie in Zell am Harmersbach. Von großer Dankbarkeit erfüllt blickt Jürgen Thomas zurück auf sein Leben. Jürgen Thomas schreibt:
Vier Lebensabschnitte
„Wenn ich als 85-Jähriger auf mein Leben zurückblicke, werden mir schnell vier Abschnitte bewusst. Im ersten, meinem Erleben des 2. Weltkriegs als Kind, sehe ich mich noch immer als Sechsjährigen mit unserer Mutter und drei Geschwistern, an zwei Koffern wie festgeklebt inmitten einer riesigen Menschenmenge, die auf der Flucht aus den sozusagen zuvor eroberten Ostgebieten zurück nach Deutschland war. Der Lautsprecherbefehlston, Mütter mit kleinen Kindern zuerst zum bereitstehenden Zug durchzulassen, hat bis heute an Klangschärfe nichts verloren.
Was sich mir darüber hinaus als kleines Kind noch einprägte, waren die durch Leuchtmunition taghell gewordenen Bombennächte in Thüringen, als wir in einigen Nächten in sicherer scheinende Kellern aus unserem Haus flüchten mussten. In welch traurige Nähe rückt bei diesem Gedanken der Krieg in der Ukraine im inzwischen 2. Kriegsjahr 2023, der der Welt die Absurdität sowie die menschenverachtende Grausamkeitsbilanz vor Augen führt um menschlicher Herrschsucht willen.
Kindheit, Jugend und die Zeit als junger Mann
Was meinen zweiten Lebensabschnitt angeht: er umfasst die Kindheit, die Jugend, sowie die Zeit als junger Mann bis zu meinem 31. Lebensjahr in der DDR. Ganz erstaunlich ist mir da zuallererst die große Freude beim Erlernen der Fremdsprache Russisch ab dem 5. Schuljahr in Erinnerung. Wörter einer anderen Sprache kennenzulernen, hat mich so kurz nach Kriegsende als Kind sehr angesprochen und glücklich gemacht. Spiegelte sich doch darin der Wunsch eines Kindes, die Kriegserlebnisse auf seine Weise vergessen zu machen und sich auf Neues gern einlassen zu wollen. Desto enttäuschter war ich, als ich nach dem frühen Tod unseres Vaters an eine Dorfschule wechseln musste, an der bis zum 8. Schuljahr aus Mangel an Lehrern Russisch leider nicht unterrichtet werden konnte.
Nach Abschluss der Volksschule und der sich anschließenden Lehre versuchte ich in der Landwirtschaft mittels eines 3-jährigen Fachschulbesuchs fußzufassen, um in der DDR als staatlich geprüfter Landwirt in einer LPG eingesetzt zu werden. Das war allerdings, stellte sich bald heraus, doch nicht mein Ding. Und so bot mir damals der zweite Bildungsweg eine Chance, da ich ja durch die Parteizugehörigkeit unseres Vaters die zum Abitur erweiterte Oberschule nicht besuchten durfte, auf diesem Weg durch Erreichen der Hochschulreife (= Notabitur) zum Studium als Lehrer für Deutsch und Sport zugelassen zu werden. Ja, ich war ausgesprochen dankbar dafür.
Kritische Haltung und zwei Jahre Gefängnis
Was damit allerdings einherging, war zunächst gar nicht absehbar, nahm jedoch in den vier Jahren meines Lehrerseins in der DDR an Schärfe über die einfarbige sowie einseitige gesellschafts-politische Entwicklung und Ausrichtung innerhalb des Ostblocks sehr zu. Deren Auswirklungen waren unverkennbar bis in den Deutsch-Unterricht hinein spürbar, die mich immer stärker beunruhigten und mich vor grundsätzliche Fragen meiner Berufsausübung stellten.
So sah ich die Lösung – der sich vehement abzeichnenden und zunehmenden Widersprüche meiner kritischen Haltung gegenüber der vom Staat vorgegebenen Lebensrichtlininenkompetenz – nur noch in der Flucht aus der DDR in den Western: meinem dritten Lebensabschnitt von ganz besonderer Brisanz. Denn die in Tschechien unternommene Flucht endete am Grenzzaun. Nur einen Tag später erfolgte die Überführung in die DDR, die Einlieferung ins Gefängnis in Halle/Saale und der Beginn einer für mich nicht nur außerordentlich denkwürdigen, sondern einer mich gedanklich nie mehr verlassenden Teilstrecke in meinem Leben.
Dabei ist das Ankommen im Gefängnis am späteren Abend unvergessen im Wahrnehmen des Inneren dieses mächtigen Gebäudes sowie akustisch durch das Hallen und Nachhallen der Schritte. Es waren die ersten Eindrücke eines über den Zeitraum von zwei Jahren auf mich wartenden unwirklichen Lebens, das mit einer sechswöchigen Untersuchungshaft und vielen in dieser Zeit erfolgten Verhöre begann. Die Gerichtsverhandlung in Naumburg an der Saale, meinem damaligen Tätigkeitsort, mit der Verurteilung zu zwei Jahren und dem darauffolgenden Strafvollzug in Cottbus schlossen sich an.
Offizieller Antrag zur Ausreise gestellt
Woran ich mich dankbar erinnere – wurde mir doch noch während meiner Untersuchungshaft die Möglichkeit gegeben, einen an den Staatsvorsitzenden gerichteten offiziellen Antrag zur Ausreise aus der DDR zu stellen. Diese Weichenstellung erfüllte sich auf wunderbare Weise sogar noch kurz vor Ablauf des Strafmaßes. Schließlich gehörte ich zu den Glücklichen, die von der Bundesregierung in Verhandlungen mit der DDR freigekauft worden sind und das Land auf diese Weise verlassen durften.
Hier darf das Szenario, das sich beim Verlassen des Auslieferungsgefängnisses für politische Häftlinge in Chemnitz abspielte, nicht unerwähnt bleiben. Es war erschütternd und filmreif zugleich, bis etwa zehn Meter vor das Tor zu gelangen, dann zu stoppen, auf die laut vernehmbare Namensnennung zu warten, die bejaht werden musste; erst dann durfte man aus dem Haus und in einen der bereitstehenden Busse einsteigen.
Szenario Nr. 2 ereignete sich am Ende unserer Fahrt bis zur Grenze. Jetzt galt es schnell in einen der schon auf uns wartenden Westbusse umzusteigen und ab ging es über die Grenze mit einem unnachahmlichen Schrei aus der Kehle sowie der Seele von mindestens 45 jungen Männern in Richtung Freigewordensein. Damit hatte das Leben auf der vom Leben abgewandten Seite sein Ende gefunden.
In der Bundesrepublik konnte ich nach und nach beruflich wieder fußfassen und Anerkennung als Realschullehrer finden. Zunächst unterrichtete ich an einer Gesamtschule in Hessen. Im Jahr 1988 kam ich an das Bildungszentrum Ritter von Buß in Zell a. H. Hier unter richtete ich in den Fächern Deutsch, Sport und evangelischer Religion.
Als ich 40 Jahre alt war, kam Gott in mein Leben
Bliebe noch der ganz besondere vierte Abschnitt meines Lebens, der sich nur zu gern zu Wort melden und sich darüber hinaus mit dem Herzen einbringen möchte. Geschehen ist: Als ich 40 Jahre alt war, kam Gott in mein Leben, um mir ein Leben in der Liebe Jesu Christi zu erschließen. Durch Besuche von Veranstaltungen, in denen das Wort Gottes verkündigt und biblisch treu ausgelegt worden ist, wurde mir erstmals Gottes großes Interesse an meinem Leben und an mir persönlich sehr bewusst. Ja, Gott meint mich, entdeckte ich, und möchte mich wissen lassen, dass er seinen Sohn Jesus Christus nicht zuletzt auch für mich in diese Welt gesandt hat, um mich zu retten.
Ich durfte erkennen, dass der Heiland, der einzige Mittler zwischen Gott und uns Menschen, sein Leben am Kreuz auf Golgotha für uns zur Erlösung hingab, er nach drei Tagen auferstand und lebt, galt und gilt mir. Als ob Gott auf meine Antwort auf die so vernommene Botschaft wartete, so unmittelbar auf mein Leben bezogen habe ich sie als persönliche Einladung zum Leben mit Gott auf der Grundlage seines Wortes wahrgenommen.
Was mir klar wurde, womit ich mich beschenkt wusste: Gott kennt mich, weiß um mein Leben. Das war es, was mich dafür freimachte, mein Leben loszulassen und es in Jesu Hände zu geben. Jetzt konnte ich Gott um Vergebung meines bisher selbstbestimmt geführten Lebens bitten. Die bis hier- hin erfahrene Ungewissheit, das Zweifeln und das schein bare Desinteresse Gottes an meinem Leben mussten weichen.
Das, was sich nun Schritt um Schritt von mir staunend erlebbar in mir vollzog, nennt die Bibel Umkehr durch Glauben zu einem neuen Leben in der Kraft Gottes. Für die Veränderung am inneren Menschen sorgt dann der heilige Geist auf sehr wohltuende und inspirierende Weise und lässt das Herz eines gläubig gewordenen Menschen erfreut höher schlagen.
Weil zwischen Gott und dem Menschen durch den verbindlichen Glauben an Christus eine lebendige Beziehung entstanden ist, empfängt der Mensch daraufhin das Geschenk der Glaubensgewissheit.
Seit nunmehr 45 Jahren darf ich Jesus Christus im Hören auf sein Wort sowie im Tätigwerden seines Wortes alltäglich nachfolgen so wie wir es im Johannes-Evangelium Kap. 8, Vers 12 lesen: „Ein anderes Mal sprach Jesus zu den Leuten. Er sagt: Ich bin das Licht der Welt. Wer mir folgt irrt nicht mehr in der Finsternis umher. Vielmehr wird er das Licht des Lebens haben.“
In dieser Zuversicht und geistlichen Klarheit will ich gern der vor mir liegenden Zeit entgegengehen, weiß ich mich doch in ihm für Zeit und Ewigkeit geborgen und der damit verbundenen Vorfreude, gemäß seines Planes für mein Leben, einmal vom Glauben zum Schauen der Herrlichkeit Jesu zu kommen.
Ja, die gute Botschaft, jeder Mensch ist von Jesus eingeladen, ihn mit dem Herzen zu suchen wie er es uns wissen lässt: „Bittet Gott, und er wird euch geben! Sucht, und ihr werdet finden! Klopft an, dann wird euch die Tür geöffnet!“