Die meisten zwischenmenschlichen Probleme entstehen durch falsche Kommunikation, behaupten die Psychologen. Musterbeispiele dafür gab es zuhauf am Samstagabend im Zeller Kultur-und Vereinszentrum. BAAL novo Theater Eurodistrict präsentierte mit »Zwei Genies am Rande des Wahnsinns« ein komödiantisches Kammerspiel, das rasant zwischen Klamauk und virtuoser Wortkunst pendelte und zwischen all den Possen menschliche Eigenwilligkeiten und Schwächen karikierte.
Schon die Protagonisten des Stücks sind Karikaturen ihrer selbst: Auf der »Probebühne« eines fiktiven Theaters outet sich ein gewisser Berthold Balduin Schmiddt (er legt Wert auf das »ddt«) alias Benjamin Wendel, eine Art Alleinunterhalter mit vermeintlichem Komikertalent, dessen bescheidene Kunst sich jedoch alsbald offenbart. Ohne festes Engagement und mangels Angeboten ist er ständig knapp bei Kasse, weiß das aber mit sympathisch-flapsigem Gehabe geschickt zu umspielen. Im grellbunten Karoanzug und Schmuddelturnschuhen bietet er schon optisch den harten Kontrast zum Partner und Dauerkontrahenten Herrmann von Högenstolz alias Maxime Pecaud, einem abgehalfterten Staatsschauspieler. Im Frack, mit Zylinder, Gehstock und polierten Lackschuhen wirkt der wie eine dubiose Mischung aus dekadentem Dandy und angestaubtem Grandseigneur, ohn‘ Unterlass über selige Theaterzeiten und große Rollen schwadronierend. Das Land sei nur noch eine »Kulturwüste«, die Regierenden »lauter Amateure ohne Orientierungssinn«, macht er seinem Ärger Luft.
Szenen aus Absurdistan
Das ungleiche Paar soll eine Darbietung für ein Event erarbeiten. Der Haken dabei: Der Komiker Schmiddt wurde für einen Beitrag anlässlich einer Hochzeit angeheuert, während Schauspieler von Högenstolz sich für eine tragische Szene inclusive einer Trauerrede vorbereitet hat. Geprägt von den unterschiedlichen Vorstellungen und einem unverhohlenen Misstrauen gegeneinander, kommt es zum verbalen Schlagabtausch und schließlich zu Handgreiflichkeiten, die – in bester Slapstick-Manier geboten – im Publikum für Heiterkeit sorgten.
Doch man rauft sich zusammen, denn es lockt nun mal die Gage. Nach einigem Hin und Her schlägt der Schauspieler vor, es mit Schiller zu versuchen, was beim Komiker Trauma bedingt Sprachstörungen und einen Schweißausbruch auslöst. Der unangenehme Geruch bringt von Högenstolz seinerseits aus der Fassung und zur Beruhigung raucht er Kette. Das wiederum haut den von Asthma geplagten Kollegen unvermittelt auf die Bühnenbretter. Szenen aus Absurdistan, die das Publikum erst schmunzeln, dann herzhaft lachen lassen.
Die Zuschauer, von beiden Akteuren bereits zu Beginn als »Putzkräfte« oder »Bühnenarbeiter« betrachtet, werden nach und nach in das Bühnenspiel einbezogen. So soll das Publikum einmal die Rolle des »Chors« in einem Dialog übernehmen. Gebetsmühlenartig hat es in verschiedenen Nuancen die Sentenz »Weil es ist, was es ist, wenn es ist« zu deklamieren. Aber auch das bringt die Protagonisten nicht weiter.
Facettenreiche Situationskomik
Nach einigem Hängen und Würgen einigt sich das Duo auf einen Shakespeare-Sketch. Die Adaption einer Szene aus »Romeo und Julia« wird – die Angebetete auf dem Balkon (behelfsmäßig eine Haushaltsleiter), der Verehrer über die (gedachte) Gartenmauer kletternd – bis zum Äußersten »ausgereizt«, mit allen Facetten einer brillanten Situationskomik.
Die kräftezehrende und Stimmbänder strapazierende Schauspielprobe nimmt immer groteskere Züge an: Rollen- und Schlagabtausch, Verbalinjurie und Entschuldigungsversuch, Neustart und erneutes Scheitern folgen aufeinander, gleichsam »im fliegenden Wechsel«. Das Chaos auf der Bühne scheint vollendet, als sich von Högenstolz‘ nervöses Beinzucken zum Veitstanz steigert und nur durch Schmiddts herzhaftes Zubeißen gestoppt werden kann, wobei dessen Gebiss im Oberschenkel des Kontrahenten stecken bleibt. Für diese glänzend gespielte Aktion gab es Beifall auf offener Szene.
Trotz allerlei Blessuren gaben die nimmermüden Akteure nicht auf, machten sich – der eine hinkend, der andere lispelnd – nochmals mit Eifer ans Werk. Zunächst etwas angetörnt, dann zugedröhnt von Wodka und Fusel versank der Shakespeare-Sketch allerdings in allgemeiner Erschöpfung und Resignation. In der Tat: »Zwei Genies am Rande des Wahnsinns«!
Die Begeisterung der Zuschauer nach dem von Diana Zöller perfekt inszenierten Komödienspektakel entlud sich in tosendem, anhaltendem Applaus und »Bravo«-Rufen. Mehrfach kamen die beiden Akteure auf die Bühne und nahmen die Ovationen entgegen. Diese waren ohne Frage hochverdient.