Natur in all ihrer Pracht

Seit über 60 Jahren sammelt Kurt Hefendehl Mineralien

»Das ist Pyrolusit und kommt von Krämelsbach bei Triberg« – von jedem seiner 7.000 Sammlerstücke weiß Kurt Hefendehl ganz genau, um was für ein Material es sich handelt und auch, wo es herkommt. Regelmäßig bekommt er Besuch von Fotografen aus der ganzen Welt.

Rund 5.300 von der International Mineralogical Association als eigenständig anerkannte Minerale gibt es laut Wikipedia: Elemente oder chemische Verbindungen, die im Allgemeinen kristallin und durch chemische Prozesse gebildet worden sind. Einschließlich aller Mineral-Varietäten und synonymer Bezeichnungen existieren 6.100 Mineralnamen.

Wenn Kurt Hefendehl von seinen Mineralien spricht, dann gewinnt man den Eindruck, dass es für den einstmals gelernten Gärtner und späteren Kaufmann um etwas Lebendiges geht. Um etwas in der Natur Gewachsenes. Um etwas, das eine Entstehungsgeschichte und eine Herkunft und somit Wurzeln hat. »Das einzige Problem ist: China. Die Namen der Minen dort kenne ich nicht alle. Das habe ich aber in meinem Computer-Katalog.«

Alles andere hat er jederzeit abrufbar parat. Natürlich. Denn der inzwischen 80-Jährige sammelt seit mehr als sechs Jahrzehnten nach Fundorten. Wer es sich leisten könne, der sammle nur »High-End-Stücke«, erzählt er, also die allerbesten, schönsten Stücke, »wo beim Preis dann aber ganz viele Nullen dranhängen, und da will und kann ich mich nicht dranhängen.«

Dann gibt es noch die Systematiksammler. Sie sammeln nach Mineralarten, viele von ihnen »sind nur unter dem Mikroskop zu erkennen.« Und es gebe die Regionalsammler, erzählt Kurt Hefendehl beispielsweise von Tiroler »Kumpels«, die einzig nach Mineralien aus dem Gasteinertal »her sind, das Nachbartal interessiert sie schon nicht mehr.«

Ein Fundortsammler wie Kurt Hefendehl braucht auf jeden Fall eines: Platz. Weil ihm der nach einem Umzug vor zehn Jahren nicht mehr in der bisherigen Weise zur Verfügung stand, überließ er 200 aus dem Schwarzwald stammende Stücke dem Zeller Storchenturmmuseum als Dauerleihgabe – ihrer Größe wegen.

Noch immer Platz an der Wohnzimmerwand hat dagegen eine Scheibe aus poliertem Charoit. Der kommt aus Jakuzien, »das liegt hinter dem Ural«. Und eine mannshohe und ebenso breite Tafel aus Pseudotachylit hat ihren Platz draußen an der Terrassenwand. Das ebenfalls polierte Stück stammt aus dem Vredefort-Krater in Südafrika – dem weltweit größten und 2005 zum Weltkulturerbe erklärten Einschlagkrater eines Asteroiden.

Nichts »Zusammen­gebasteltes«

»7.000 kleine Mineralienstücke hab’ ich unten im Keller«, schmunzelt der Sammler, der aus dem Westerwald stammt und seit 1948 in Zell lebt. Es ist die Ästhetik, die ihn zu seinem Hobby hat kommen lassen, »und es ist ja Natur, nicht irgendwie was Zusammengebasteltes.«

Besonders angetan hat es ihm Fluorit. Bergmännisch auch als Flussspat bezeichnet, kommt dieses Mineral in den unterschiedlichsten Farben und Formen vor. Gemeinsam mit Baryt wird es beispielsweise in der Oberwolfacher Grube Klara abgebaut. Weltweit gehört diese zu den vier Gruben mit dem größten Mineralvorkommen – die anderen drei Gruben befinden sich in Namibia, Australien und Kanada.

Mit einem befreundeten Mineralienhändler aus Lahr fuhr Kurt Hefendehl früher stets zu Mineralienbörsen beispielsweise auch in der Schweiz und in Frankreich, knüpfte so ein Netz aus Kontakten. Und wurde auf diese Weise zum »Beschaffer« einer Deutschen, die die größte Mineralien-Privatsammlung in Europa besaß. Mit zum Schluss 90.000 Teilen.

»Da mich die Händler alle kannten, wurde ich mit den besten Stücken versorgt, und natürlich fiel dabei immer auch etwas für meine eigene Sammlung ab«, erzählt der Mann, der zudem auch eigenhändig in Bergwerken am Fels hantierte, überall in der Welt.

»Obwohl ich ein unmöglicher Bergmann bin, einen halben Meter zu groß«, feixt der Hochgewachsene und erzählt von seinen Erfahrungen. Man müsse schauen, wie eine Erzader verlaufe. »Wenn sie aufgeht, kann es sein, dass sich dahinter eine Druse befindet«, eine hohle Gesteinsknolle also, deren innere Wände von Kristallen bedeckt sind.

Vom Bergen einer Druse

An einer solchen Stelle muss man vorsichtig das Gestein abschlagen, bis man die Druse sieht. Und dann so lange weitermeißeln, bis man den Gegenstand seines Begehrs herausnehmen kann. Einige Male aber sei es so gewesen: »Man meißelt drei Stunden und hat die Druse fast raus, aber mit dem letzten Hammerschlag springen die Kristalle raus – da hat man dann eine Mordsfreude«, kommentiert Kurt Hefendehl einen solchen Fehlschlag ironisch.

Stets begleitet hat ihn seine aus Südkorea stammende Frau Moon Sook Park, die er hierzulande kennengelernt hat. Gemeinsam haben sie »fast 50 verschiedene Länder« bereist, neben ihrem Hobby als Fotografin frönt auch sie der Sammelleidenschaft. Im kleinen Format jedoch. Mit liebevoller Vorsicht holt sie einen kleinen, zweispitzigen Bergkristall mit Einschlüssen aus der Vitrine, dann eine aus einem Achat gefertigte, nur wenige Zentimeter große Geige. Für solcherlei, beispielsweise, schlägt ihr Herz.

Der Sammeleifer ihres Gatten hat seit dem Tod der Dame, für die er als »Mineralien-Beibringer« tätig war, nachgelassen, »vor vier oder fünf Jahren«. Noch immer jedoch pflegt er seine internationalen Kontakte. Und noch immer besuchen ihn pro Jahr vier bis fünf Fotografen aus aller Welt, um seine Sammlerstücke für Fachzeitschriften kunstvoll in Szene zu setzen.

Schatztruhe für Fotografen

»Prächtiger Kristall mit farblosen Würfeln, orientiert, aufgewachsen auf einem dunkelgrünen Fluoritoktaeder« ist dann beispielsweise als Bildunterschrift zu lesen. In einem aktuellen Sonderband sind 60 seiner Sammlerstücke in »Star-Qualität« abgebildet.

Das Fotografen-El-Dorado im Hefendehl’schen Keller füllt zwei Räume mit einer Vielzahl beleuchteter Vitrinen. Was heutzutage noch neu hineinkommt, stammt hauptsächlich aus Sammlungen, die wegen des Todes ihres Besitzers aufgelöst werden. »Mich kennen ja alle und wissen, was ich noch brauche«, erklärt der rüstige Senior.

»Der Rosafarbene da, der hat einen Wolkenkranz um sich, und das hier ist übrigens ein russischer Diamant« – regelmäßig kommt er auch alleine hier hinunter in sein Märchenreich, um sich an den Schönheiten zu erfreuen. Und wieder deutet sein Finger: »Das ist ein absolut perfekter Bergkristall von der Mine Carrara«, von dem Ort also, wo der berühmte Marmor herkommt, »da kenne ich den Revierleiter.« Und von einem blauen Mineral aus dem Schwarzwald weiß Kurt Hefendehl: »Den darf man nicht in die Sonne stellen, sonst verblasst er – aber hier kann ihm nichts passieren.«

Dass man sich als Sammler schon auskennen solle, meint er und bezeichnet sich dennoch bloß als »halben« Fachmann: »Es gibt ’ne ganze Menge Leute, die viel gescheiter sind.«