Gleich zwei Ereignisse gab es am Samstag auf dem Kanzleiplatz zu feiern: Zum einen besteht der Städtle-Markt in seiner heutigen Form seit 10 Jahren, zum anderen war wieder einmal die stadteigene Brennerei im Storchenturm in Betrieb, wo hochprozentiger »Städtle-Geist« destilliert wurde. Trotz des regnerischen Wetters herrschte auf dem Marktplatz ein munteres Treiben.
»Der Wochenmarkt hat sich gut entwickelt«, bestätigt Marktfrau Elisabeth Börsig. Seit 32 Jahren bietet die Familie Börsig jeden Samstag ihre Hofprodukte auf dem Zeller Markt an und vertreibt auch Produkte von benachbarten Höfen. Landwirtschaftliche Erzeugnisse gehören traditionell zum Hauptangebot auf dem Städtlemarkt. Aber auch viele andere Produkte locken regelmäßig die Kunden auf den Kanzleiplatz. Beim Jubiläums-Städtlemarkt am Samstag war das Angebot noch etwas reichhaltiger als sonst. Als Dankeschön für ihre Treue zum Markt übergaben Maria Hättich und Alisa Dörfer vom Zeller Stadtmarketing den Marktbeschickern ein »Storchenturm«-Tröpfle.
»Zell brennt für Sie!«
Begeistert vom Geschehen zeigte sich auch Bürgermeister Günter Pfundstein. »Zell brennt für Sie«, konnte er mit einem Augenzwinkern bei seiner Begrüßung den Marktbesuchern zurufen – das Sprichwort durfte indes ganz wörtlich genommen werden, denn im Haus Volk stand der Brennkessel unter Dampf. Damit das stadteigene Brennrecht nicht erlischt, wurde am Samstag ganz hochamtlich Schnaps gebrannt. »Außerdem sind unsere Altbestände nahezu aufgebracht«, informierte der Bürgermeister. Diese Rarität sei bei passender Gelegenheit stets ein schönes Mitbringsel. Verkauft werde der Schnaps von der Stadt normalerweise nicht.
Im Einsatz am Brennkessel war der pensionierte Stadtarbeiter Franz Roth, der Nebenerwerbslandwirt ist und sich bei der Herstellung edler Tropfen bestens auskennt. Zuletzt wurde im Storchenturm-Museum im Jahr 2008 Schnaps gebrannt. Der historische Brennkessel selbst wurde vor über 30 Jahren von Stadtarbeiter Fritz Vollmer im Haus Volk aufgebaut und stand einst in der Zeller Keramik.
Gebrannt wurde am Freitag und Samstag Apfelmost. »Auch die Äpfel stammen von Obstbäumen, die der Stadt Zell gehören«, berichtete Franz Roth den zahlreichen Besuchern, die ihm bei seiner Arbeit über die Schulter schauten. Am Obstweg bei der Wassertretstelle in Oberentersbach, beim Kindergarten in Unterharmersbach und am Kohlerplatz in Zell hat die Stadt eigene Obstbäume. Ingesamt waren 11 Stunden Arbeit notwendig, um aus 200 Liter Apfelmost rund 25 Liter 40-prozentigen Obstschnaps zu brennen.
Branntweinmonopol fällt zum Jahresende weg
In seiner Ansprache ging Bürgermeister Pfundstein auch auf das vor fast genau 100 Jahren eingeführte Branntweinmonopol ein, das den Kleinbrennern ein gesichertes Einkommen und einen Preis für ihren Alkohol garantierte, den sie auf dem freien Markt kaum erzielen können. Mit dem Wegfall des Branntweinmonopols zum 31. Dezember 2017 seien die Kleinbrenner nun gefordert, ihre Erzeugnisse selbst zu vermarkten.
Nach Expertenschätzungen werden durch die Gesetzesänderung viele der rund 12.000 badischen Kleinbrennereien aufgeben müssen, bedauerte auch Bürgermeister Pfundstein. Das Brennereiwesen sei ein Stück Kulturgeschichte, das über die Jahrhunderte gewachsen ist. Die Brenner würden nicht nur manchen Gaumen erfreuen, sondern auch einen wichtigen Beitrag zur Pflege und Erhaltung der schönen und ökologisch wertwollen Landschaft leisten.
»Die vielen Streuobstwiesen in unserer Region sind einmalig. Das darf nicht verloren gehen«, rief Bürgermeister Pfundstein den Besuchern und auch den Brennern zu, die beim Jubiläumsmarkt am Samstag ihre Brände präsentierten. Daneben gab es altes Handwerk zu sehen und die beiden Sängerinnen »Maari und Marie« alias Uli Vögele und Esther Kalmring sorgten für Spaß und Unterhaltung. Auch das »Rebland-Duo« aus Durbach bot schwungvolle Melodien.
Das letzte Wort indes hatte – passend zum aktuellen Geschehen – am Samstag beim Brennereifest und Jubiläums-Städtlemarkt Bürgermeister Pfundstein: »Schnaps!« …das war sein letztes Wort. Welche Englein ihn nach seiner Begrüßung weggetragen haben ist allerdings nicht bekannt.