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Oberharmersbach | 10.04.2017

Viktoria Lehmann berichtet vom Freiwilligendienst in Mosambik:

Was bedeutet Armut?

Foto:
Auf dem Weg nach Nametoria sieht man viele zerstörte Brücken. Foto: Viktoria Lehmann
von Vikoria Lehmann

Am 28. August ist Viktoria Lehmann nach Mosambik geflogen. Der südostafrikanische Staat gehört zu den zehn ärmsten Ländern der Welt und hat eine Analphabetenrate von über 50 Prozent. Viktoria Lehmann, die im Juni ihr Abitur am Marta-Schanzenbach-Gymnasium abgelegt hat, unterrichtet an einem Schulzentrum des Ordens der heiligen Maria Magdalena Postel in Metarica im Norden des Landes. Für die »Schwarzwälder Post« berichtet die junge Oberharmersbacherin über die Erlebnisse, Eindrücke und Erfahrungen in ihrem Freiwilligenjahr.

»Als wir aus Metarica losfuhren, sagte man uns, dass Nametoria ärmer als Metarica sei. Nach dem ersten Eindruck würde ich dieser Aussage widersprechen. Der Markt sieht größer aus, Bauwerke aus der Kolonialzeit sind besser erhalten und es gibt mehr zu kaufen. Doch als wir zum ersten Mal in der Kirche vorgestellt wurden, wurde mir schlagartig klar, was mit ärmer gemeint ist. Ich sagte einen einfachen Satz ›Eu sou Viktoria‹ (›Ich bin Viktoria‹). Ein Satz den höchst wahrscheinlich jeder von uns verstehen würde, selbst wenn er oder sie kein portugiesisch spricht. Als die leitende Schwester anschließend die Menge fragte, ob sie verstanden hätten, was wir sagten, so verneinten sie dies. Die Schwester musste auf Makua diese einfachen Worte wiederholen.

Das war eine Situation die mich bis heute schockiert. Die offizielle Landessprache Mosambiks ist portugiesisch und die Bevölkerung ist mit diesen wirklich einfachen Worten bereits überfordert. Wie kann so etwas möglich sein? Außerdem kann jede Person, die (umgerechnet) die zehnte Klasse absolviert und danach ein Jahr eine spezielle Lehrerausbildung macht, vom Staat als Lehrer anerkannt werden. Doch was dabei nicht bedacht wird: es geht nicht nur darum, eine Sprache schreiben zu können, man sollte auch wissen wie man sich unterhält.
Seit drei Wochen geben wir Freiwilligen einer Gruppe von 15 Lehrern Englischunterricht. Es ist toll wie sie sich bemühen, Englisch besser sprechen zu können doch gleichzeitig ist deren Niveau auch ein Armutszeugnis für das Land. Wie soll ein Mensch anderen eine Sprache beibringen, wenn selbst die Basis wie Zahlen, das Abc oder einfache Gegenstände wie Tisch oder Stuhl eine ungeheure Herausforderung sind?

Dennoch ist es toll, dass selbst ein Direktor der Grundschule oder ein taffer Lehrer der weiterführenden Schule nicht zu stolz sind, von uns Abiturienten etwas zu lernen. Wir treffen uns jeden Abend für 90 Minuten mit den drei Lehrergruppen und bearbeiten meist Texte und üben, darüber zu sprechen. Sie lernen ehrgeizig und mit der ›richtigen‹ Herangehensweise erzielen sie von Tag zu Tag Fortschritte. Es tut gut zu sehen, dass sie für unsere Unterstützung dankbar sind und diese zu schätzen wissen.

Auch die Mädchen im Kloster freuen sich über unsere Hilfe. Wir lernen mit den Mädchen Deutsch, Englisch, Latein, Französisch und Mathematik. Bei letzterem sind wir jedoch oft an einem Punkt, an dem wir nur den Kopf schütteln können und sprachlos sind. Wie kann es sein, dass Jugendliche, die mit dem kleinen Einmaleins schon an ihre Grenzen kommen oder nicht einmal wissen, wieviel Geld sie für einen Einkauf auf dem Markt benötigen, Wurzelaufgaben bekommen, die zum einen wirklich unnötig und zum anderen schwerer als die Aufgaben unserer Abiturprüfung sind?

Doch ich habe das Gefühl, auch wenn die Lehrer wissen, dass sie manchmal zu viel von ihren Schülern abverlangen, so ist es dennoch schwer, einen Umschwung zu bewirken. Denn sie müssen sich an den Lehrplan halten und solch ein System umzustellen würde womöglich Jahre dauern. Aber es sollte zumindest versucht werden. Selbst wenn die jetzigen Schüler nicht mehr das Glück hätten, eine Verbesserung zu erlangen, würde die nächste Generation davon profitieren und das Land voranbringen. Zu wünschen wäre es ihnen. Die Leute hier verdienen eine gute Schulbildung und die Chance auf einen Anschluss zu den Industrieländern. Denn Bildung ist meines Erachtens der Schlüssel zum Erfolg.

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