Was die öffentliche Hand nicht leisten konnte, hat Nordrach selbst in die Hand genommen: In nur eineinhalb Jahren hat der Förderverein das marode Freibad saniert. Die Initiative zeigt, was möglich ist, wenn ein ganzes Dorf gemeinsam anpackt.
Mit einer feierlichen Eröffnung am Pfingstsonntag hat Nordrach sein rundum saniertes Freibad wieder in Betrieb genommen. Rund 200 Gäste feierten den Abschluss eines Projekts, das in seiner Art außergewöhnlich ist: Der eigens gegründete Förderverein übernahm nicht nur die Finanzierung und Organisation der Sanierung, sondern verantwortet auch den laufenden Betrieb. Das Warmwasserbad kann ausschließlich von Vereinsmitgliedern genutzt werden.
Ein Dorf übernimmt Verantwortung
„Sie haben uns unterstützt – und losgelassen. Das war mutig, und es hat sich gelohnt“, dankte Manuel Echtle Bürgermeister Carsten Erhardt und dem Gemeinderat am Vormittag des vergangenen Pfingstsonntags, anlässlich der Wiedereröffnung des Freibads.
Es ist kein kommunales Bad mehr. Die Sanierung ist in den vergangenen eineinhalb Jahren unter der Regie des 2021 eigens gegründeten Fördervereins mit aktuell rund 500 Mitgliedern erfolgt, der das Familien- und Freizeitbad nun auch betreibt. Den Vorsitz üben Manuel Echtle sowie der Nordracher Architekt Michael Welle aus.
Marodes Bad musste schließen
Beide erläuterten vor rund 200 Zuhörern, unter ihnen Sparkassenvorstand Carlo Carosi, den Sanierungsprozess des Warmwasserbades. Denn die Technik des 1974 erbauten Bades war veraltet, die Bausubstanz brüchig geworden. Undichtigkeiten sorgten schließlich dafür, dass der Badebetrieb aus Sicherheitsgründen geschlossen werden musste. Für viele sei das ein schwerer Moment gewesen, betonte der Vorstand, „ein Stück zuhause ging verloren.“
1,8 statt vier Millionen Euro investiert
Für einen Neubau waren ursprünglich vier Millionen Euro im Gespräch. In Zeiten angespannter kommunaler Haushalte, steigender Kosten und personeller Engpässe hätte die Gemeinde ein solches Projekt nicht alleine stemmen können – „weder im Bau noch im späteren Betrieb, denn auch laufende Ausgaben wie Badeaufsicht und Technik sind erhebliche Faktoren.“
Eine Eine-Million-Euro-Spende war es, die den Förderverein den mutigen Plan fassen ließ, Sanierung beziehungsweise Neubau sowie Betrieb zu übernehmen. Diese Spende tätigte der inzwischen verstorbene Nordracher Unternehmer Erwin Junker, dessen Frau Marlies bei der Einweihungsfeier zugegen war.
Die Gemeinde Nordrach gab einen Zuschuss von weiteren 800.000 Euro. Hinzu kamen zahlreiche Geld-, Material- und Sachspenden, große wie kleine. Dazu zigtausende, wenn nicht gar zehntausende ehrenamtlicher Einsatzstunden von unzähligen freiwilligen Helfern und Unterstützern, von Familien mit Kindern über Rentner bis hin zu Handwerkern, „die haben nach ihren offiziellen acht Arbeitsstunden einfach nicht aufgehört und sind auch am Samstag gekommen.“
Mehr geschafft als geplant
Bei einem Gesamtbudget von lediglich 1,8 Millionen Euro konnte dadurch „viel mehr gemacht werden, als ursprünglich geplant.“ Die komplette Erneuerung des Rasens und das Anlegen eines Volleyballfeldes gehören unter anderem dazu. Genauso wenig geplant und kalkuliert war allerdings, dass man beispielsweise beim Ausgraben des alten Technikgebäudes auf meterhohen Fels stieß, oder dass keine einzige der alten Leitungen im Untergrund verwendet werden konnte. „Dennoch haben wir es geschafft, Zeitplan und Budgetierung einzuhalten.“ Und: Die laufenden Kosten sind kalkulierbar, und die Verantwortung verteilt sich auf viele Schultern.
Keinerlei menschengemachte Probleme
Architekt Michael Welle unterstrich zudem, dass es im Laufe der Sanierung zwar viele Probleme gegeben habe, sich in der phänomenalen Zusammenarbeit mit seinem Vorsitzkollegen Manuel Echtle jedoch immer eine Lösung gefunden habe. „Menschgemachte Probleme gab es einfach nicht“, bedankte er sich bei sämtlichen Beteiligten. „Auch die Firmen standen immer genau dann da, wenn wir sie gebraucht haben.“ So habe die ursprüngliche Sanierungsdauer von eineinhalb Jahren mit einer Differenz von nur acht Tagen eingehalten werden können.
Geräusche des Aufbruchs
Selbst der Baulärm habe für keinen Ärger gesorgt. „Ich kann mir nur vorstellen, dass der wie Musik in den Ohren der Anwohner geklungen hat“, sorgte Michael Welle mit seinem feixenden Erklärungsversuch für herzhafte Lacher. Er selbst jedoch hielt mit einiger Anstrengung die Tränen der Rührung und Freude zurück, angesichts des durch den gemeinsamen Einsatz so vieler Menschen nun so erfolgreich fertig gestellten Projekts.
Manuel Echtle wiederum dankte seinem Vorsitzkollegen mit einem Präsent. Als motiviert und tatkräftig bezeichnete er ihn, als engagiert, begeisterungsfähig und kompetent. Nicht nur Architekt sei dieser gewesen, sondern „Planer, Organisator, Bauleiter und Motivator – alles in einer Person.“
Heimat unter freiem Himmel
„Heute feiern wir den Erhalt eines Stücks Heimat“, betonte Manuel Echtle. „Wir feiern Engagement, Zusammenhalt und das, was wir gemeinsam miteinander erreichen können, wenn wir an ein Ziel glauben.“ Nicht irgendein Ort sei dieses moderne, funktionale und „wunderschön sanierte“ Freibad: „Es ist unser Ort, unser Treffpunkt. Unser Platz für Sommer, Sonne und Gemeinschaft.“ Noch vor eineinhalb Jahren sei dies nicht viel mehr als ein Traum gewesen.
Erfolgsmodell mit Pate
In seinem Grußwort bezeichnete Bürgermeister Carsten Erhardt das rundherum in neuem Glanz erstrahlende Warmwasserbad mit Edelstahlbecken als „Leuchtturmprojekt“, von denen es nur wenige in Baden-Württemberg gebe. Der Reichenbacher Verein „Familien- und Freizeitbad e.V.“, der sich aufgrund ähnlicher Probleme wie in Nordrach zu einem vereinssanierten und -geführten Freibad entschlossen hatte, stand bei der Sanierung Pate.
Das Goldene Buch winkt
Der Rathaus-Chef lobte den enormen Gemeinschaftssinn innerhalb der Gemeinde, der das Projekt ermöglicht habe. „Überall hat eine positive Aufbruchstimmung geherrscht, ein ganzes Dorf hat angepackt“, dankte auch er jedem einzelnen, der sich eingebracht hat – auch im Namen des gesamten Gemeinderats und der Bevölkerung, der Kur- und Feriengäste sowie der örtlichen Betriebe.
„Sie alle werden bei einem Helferfest im Herbst Gelegenheit haben, sich ins Goldene Buch der Gemeinde einzutragen“, kündigte er an. Denn: „Ihr habt nicht nur ein Schwimmbad gebaut – Ihr habt ein Stück Dorfgeschichte geschrieben, ich bin zutiefst bewegt und unendlich stolz.“ Und er fuhr fort: „Ihr habt gezeigt, dass ehrenamtliches Engagement keine Phrase ist, sondern gelebte Überzeugung. Dass man gemeinsam Großes schaffen kann – ohne Profit, aber mit ganz viel Herz.“
„Mindesthaltbarkeit“ 50 Jahre
Mit dem Wunsch für unfallfreies Baden und für eine Mindesthaltbarkeit von 50 Jahren überreichte der Bürgermeister dem Vorstandsduo Echtle und Welle das Wappen des Heiligen Ulrich als Schutzpatron sowie einen historischen Rettungsring. Überdies hob Carsten Erhardt die Durchführung des Projekts „ganz ohne bürokratische Hürden“ hervor. Vom Land Baden-Württemberg bewilligte Fördergelder von über einer Million Euro habe man letztendlich abgelehnt, weil die Inanspruchnahme „mit sehr viel Bürokratie verbunden gewesen wäre.“
Seitenhieb auf die Bürokratie
Davon, dass das neue Schwimmbad nun dennoch steht, zeigte sich auch Staatssekretär und Landtagsabgeordneter Volker Schebesta überaus beeindruckt. Er befand: „Dies sollte ein weiterer Anlass zum Nachdenken über den viel geforderten Bürokratie-Abbau hierzulande sein.“ Er wünschte der Gemeinde, dass sie den beim Bau des Schwimmbads gezeigten Zusammenhalt beibehalte und sorgte mit einem Augenzwinkern für lautstarkes Vergnügen beim Publikum: „Mein Grußwort hab´ ich jetzt beigetragen, Geld henn Ihr ja net wolle.“
Sprung ins Glück
Aufgrund starken Regens war der formelle Teil der immer wieder von kräftigem Applaus durchsetzten Eröffnungsfeier in das Vereinsheim des Fußballclubs verlegt worden, das sich direkt neben dem Freibad befindet. Im Anschluss ging es hinauf zum neuen Schwimmbecken, wo Pfarrer Bonaventura Gerner das Bad segnete – auf dem Dreimeterturm. Von dem aus sprangen Manuel Echtle und Michael Welle zum Schluss der Zeremonie beherzt hinab ins wohlig warme Nass – in voller Montur, lediglich die Schuhe blieben auf dem Sprungbrett. Das Bad war somit eingeweiht.
Mitgliedschaft erforderlich
Die Nutzung des Familien- und Freizeitbades ist ausschließlich Vereinsmitgliedern vorbehalten. Die jährlichen Beiträge für Familien – oder Einzelmitgliedschaften sind auf der Homepage einsehbar: www.freibad-nordrach.de. Hier gibt es auch Formulare zur Mitgliedschaft sowie zur Beantragung der Zugangsberechtigung.
Nordrach-Urlauber können eine ermäßigte Fernmitgliedschaft erwerben – bei einem Wohnsitz mit mindestens 50 Kilometern Luftlinienentfernung zur Gemeinde Nordrach. Ab der Saison 2026 haben Mitglieder die Möglichkeit, ihren Beitrag durch aktive ehrenamtliche Unterstützung bei Veranstaltungen oder Arbeitseinsätzen zu senken. Auch Fördermitgliedschaften sind herzlich willkommen.