Der Verein »Hilfe von Haus zu Haus« ist heute nicht mehr aus dem Ort wegzudenken. Er ist anerkannt und geschätzt. Am 9. Juli 2012 wurde er gegründet. Einsatzleiterin Ruth Champion und Einsatzleiterin und Vorsitzende Andrea Mäntele berichten anlässlich des fünften Geburtstages aus den Anfängen, der Gegenwart und lassen in die Zukunft blicken – die Ungewisses aber auch Neues für den Verein bereithält.
Wie wurden aus einer guten Idee viele gute Taten?
Andrea Mäntele: Aus einer Initiative der Gemeindeverwaltung »Lebensqualität durch Nähe«, gefördert durch ein Leader-Projekt aus EU-Mitteln, und einem Kurs, ist die organisierte Nachbarschaftshilfe entstanden. Heute sind wir stolz, dass es den Verein in Biberach gibt! Es war gut, den Verein zu gründen. Das bestätigt sich mehr und mehr. In erster Linie verdanken wir es dem Weitblick von Bürgermeister a. D. Hans Peter Heizmann. Er regte die Gründung an. Gemeinden wie Zell a. H. und auch Nordrach spüren heute, dass sie die Chancen der letzten Jahre, die eine Gründung erleichterten, teilweise verpasst haben. Gemeinsam mit den Gemeinden Zell a. H., Nordrach und Oberharmersbach haben wir schon über einen ortsübergreifenden Verein nachgedacht. Aber das würde für uns zu groß werden. Noch können wir die angefragten Einsätze mit unseren Helfern planen und umsetzen.
Wem wird geholfen?
Andrea Mäntele: Wir sind
ein gemeinnütziger Verein. Wir helfen jedem, der Hilfe braucht. Nicht nur älteren, auch jüngeren Menschen, die auf irgendeine Weise in Not geraten sind.
Welche Hilfen bietet der Verein an?
Andrea Mäntele: Wir helfen beim Einkaufen und bei leichten hauswirtschaftlichen Tätigkeiten. Wir leisten Gesellschaft. Begleiten zu Behörden, zum Arzt oder in die Kirche. Auch die Kurzzeitbetreuung und Entlastung pflegender Angehörige bieten wir an.
Ruth Champion: Die Betreuung von Demenzpatienten können wir anbieten, weil der Verein dafür Fachkräfte hat. Das sind zum einen Menschen die diese Berufe gelernt haben und heute im Ruhestand sind und Helfer, die einen Kurs »Umgang mit Demenzkranken« dafür absolviert haben.
Andrea Mäntele: Weiter bietet der Verein stundenweise Betreuung für Kinder an. Frauen unseres Vereins gehen in die Grundschule, kochen dort für Kinder an vier Tagen in der Woche. Zehn bis 15 Kinder sind durchschnittlich pro Tag angemeldet. Die Kosten für diesen Hilfsdienst trägt die Gemeinde Biberach. Nachmittags bieten wir Hausaufgabenbetreuung an.
Welche Hilfe wird am häufigsten geleistet?
Ruth Champion: Hauswirtschaft ist am stärksten gefragt. »Hilfe im und auch ums Haus«.
Wenn man Hilfe braucht, wohin kann man sich wenden?
Andrea Mäntele: Wir bekommen Anfragen per Telefon. Angehörige der Hilfesuchenden rufen meist an. Die Hemmschwelle bei Hilfesuchenden ist aber niedriger geworden.
Ruth Champion: Außerdem haben wir zwei Mal in der Woche, Montag und Donnerstag, Sprechstunde. In dieser Zeit kommen Interessierte bei uns vorbei. Sie wollen einfach erst einmal hören: »Wie läuft das?«, »Was bietet der Verein an?«, »Was kostet es, wenn ich Hilfe annehme. Kann ich mir das leisten?«
Andrea Mäntele: Auch die Verbindung zum Altenwerk ist wichtig. Ruth Champion ist dort die Vorsitzende und leistet großartige Arbeit und fungiert als Netzwerkerin.
Ruth Champion: Ist die Hilfsbedürftigkeit gegeben, sprechen wir mit den Kunden über ihre Wünsche, gehen in die Häuser, schauen uns das Umfeld an. Und dann überlegen wir uns »Wen schicken wir hin?«
Andrea Mäntele: Da hirnen wir manchmal, weil es wirklich wichtig ist, dass die Leute auch zusammen passen!
Nicht nur der Zweck muss erfüllt sein?
Ruth Champion: Das wäre einfach! Allein danach zu organisieren »Du gehst dahin, du da …« So ist es nicht. Wir müssen auf die Hilfesuchenden und die Helfer eingehen. Dass die Helfer mitsprechen können, ist besonders wichtig.
Wie steigen Helfer ein?
Gibt es einen typischen Anfangsdienst?
Ruth Champion: Gar nicht! Wer sagt »Ich putze gern«, wird als Helfer beim Putzen eingesetzt. Wer sagt »Ich betreue und begleite gern Menschen«, wird als Gesellschafter oder Gesellschafterin eingesetzt. Sie helfen Menschen dabei, aus dem Haus zu kommen, leistet ihnen Gesellschaft.
Wo können sich Menschen, die helfen wollen, informieren?
Ruth Champion: Informationen gibt es auf unserer Webseite. Am besten ist aber das persönliche Gespräch. Bei einem Termin im Büro erzählen wir, was wichtig ist.
Sind Helfer versichert?
Werden sie bezahlt?
Ruth Champion: Helfer erhalten eine Aufwandsentschädigung von neun Euro in der Stunde. Sie sind über den Verein in allen Bereichen, in denen sie für den Verein arbeiten, versichert.
Gibt es wichtige Fähigkeiten, die Helfer brauchen?
Andrea Mäntele: Einfühlungsvermögen und eine soziale Ader sind wichtig.
Ruth Champion: Sie sollten etwas Zeit für Gespräche haben und zuhören können.
Warum engagieren sich Helfer?
Andrea Mäntele: In einer Umfrage haben wir unsere Helfer gefragt »Warum helfen Sie?« Der häufigst genannte Grund war »Weil ich mich sozial engagieren möchten.« Sie freuen sich auch darüber, etwas dazu zu verdienen, aber letztlich ist es die soziale Ader, die sie antreibt. Und das spürt man auch.
In fünf Jahren haben Sie den Helferkreis auf 45 Personen gesteigert.
Wie kommen Sie zu neuen Helfern?
Andrea Mäntele: Inzwischen fragen wir viele Leute einfach spontan an. Unsere aktuellen HelferInnen sind fast vollständig im Einsatz. Auch junge Menschen haben wir bereits angesprochen. Toll finden wir, dass einige unserer ersten Helfer noch heute dabei sind. Durch Tod haben wir leider auch drei engagierte Vorstandsmitglieder verloren, was uns sehr getroffen hat.
Ist Nachbarschaftshilfe ein rein weibliches Engagement?
Ruth Champion: Beim überregionalen Treffen von Nachbarschaftshilfen wurden wir gefragt »Habt ihr auch Männer, die helfen?« und wir können stolz antworten »Ja!«. Sie übernehmen Fahrten zu Ärzten und Behörden.
Noch einmal zurück zum Anfang: Damals steckte die öffentliche Akzeptanz für organisierte Nachbarschaftshilfe noch in den Kinderschuhen, oder?
Ruth Champion: Natürlicherweise wurden anfangs Bedenken geäußert. Einstellungen wie »Nachbarschaftshilfe braucht man das?«, »Ich kaufe immer für meine Nachbarin ein.« haben wir oft gehört. Trotzdem sollte der Verein gegründet werden. Ein Verein der Nachbarschaftshilfe organisiert und ein Angebot aufbaut.
Andrea Mäntele: Und heute sind die Themen »Altersstruktur« und »Demographischer Wandel« in aller Munde.
Ruth Champion: Gerade für Ältere ist es darum beruhigend, dass es einen Verein wie unseren gibt. Dass jemand da ist, den sie um Hilfe bitten können und dem sie nicht nur »Danke« sagen müssen. Wir kommen, schreiben eine Rechnung, sie zahlen ihre Sache und damit ist es erledigt.
Frau Champion, Frau Mäntele, Sie haben mit Ihrem Vorstandsteam und den Helfern den Verein binnen fünf Jahren auf eigene Füße gestellt. Dass die Menschen in Biberach nun so positiv der Nachbarschaftshilfe gegenüber aufgestellt sind, ist ein großer Erfolg für Ihren Verein.
Was wünschen Sie sich für seine Zukunft?
Andrea Mäntele: Ich wünsche unserem Verein, dass auch Menschen mittleren Alters und junge Leute sagen, der Verein ist eine tolle Sache und Mitglied werden. Eintreten in den Verein kann jeder, 18 Euro kostet der Jahresbeitrag.
Ruth Champion: Auch ist es unser Wunsch, weitere Helfer/Innen zu finden, die sich bereit erklären, den Verein zu unterstützen.
Andrea Mäntele: Sorgen bereitet uns die Bürokratie, die immer aufwändiger wird und Hürden, die uns der Gesetzgeber in den Weg gestellt hat. 2019 tritt ein Gesetz in Kraft, das die organisierte Nachbarschaftshilfe auf die Stufe mit den sozialen und privaten Diensten stellt. Aber auch Neues erwartet uns: Gespannt sind wir auf die Aufgaben im neuen Nachbarschaftshaus. Dort werden wir ein Büro einrichten. Angedacht ist, dass wir eine zentrale Anlaufstelle für Senioren im Haus und in der Gemeinde bilden.
Vielen Dank für das Gespräch.