Der Heilige Wendelin gilt als Schutzherr der Bauern und des Viehs. Bottnau gilt als Zentrum der Ortenauer Wendelinsverehrung. Ilse und Manfred Oestreich haben Wissenswertes und Ausflugstipps zusammengetragen.
Wer von Oberkirch der Badischen Weinstraße in Richtung Offenburg folgt, kommt durch Bottenau. Der Besucher trifft auf ländliche Strukturen mit Wald-, Obst- und Weinbau. Bei sonnigem Wetter dauert das »Herbsten« (Weinlese) von Anfang September bis Anfang Oktober. Nach der Weinlese wird es im Winzeralltag wieder etwas ruhiger. Die frühe Dunkelheit nimmt zunehmend Einfluss auf den Tagesablauf. Nach getanem Tagwerk zieht sich die Familie in die Stube zurück. Die Mannsleut’ geben sich dem Kartenspiel hin. Die Frauen lesen oder verrichten Handarbeiten auf der Ofenbank. Hin und wieder gelangt schon ein Krug von dem »Neuen« auf den Tisch. Schließlich möchte man wissen, wofür man das ganze Jahr gearbeitet hat. Zum neuen Wein werden Kastanien gereicht. »Neuer Win und Keschde«, das gilt als Spezialität an den dunklen Herbst abenden. Die Weinbauern haben meist Waldbesitz in einer Größenordnung von fünf bis sechs Hektar. Bei den Baumarten dominiert die Esskastanie. Sie dient der Reb- und Brennholzgewinnung. Kastanienholz ist leicht zu spalten und ohne Imprägnierung lange haltbar.
Überlieferung
Das ist die Zeit, in der man hier die Verehrung des heiligen Wendelins begeht. Er gilt als Schutzherr des Bauernstandes und des Viehs. Die Legende besagt, dass der heilige Wendelin ein irischer Königssohn gewesen sei. Um Gott zu dienen, verschmähte er Geld, Macht und Ruhm. Als Einsiedler lebte Wendelin im Raum Trier. Getadelt wegen seines Müßigganges wurde er Hirte. Wider seinen Willen machten ihn die Mönche des Klosters Tholey zu ihrem Abt. Als er im Jahr 617 starb, begrub man ihn in Basonis Villare, dem heutigen St. Wendel (Saar).
Früher eine Woche Wallfahrt
Zentrum der Ortenauer Wendelinsverehrung ist eine Kapelle in den Rebbergen zwischen Herztal und Bottenau. Ihre Ersterwähnung geht auf das Jahr 1591 zurück. Als die Ortenau von schweren Viehseuchen heimgesucht wurde, ersetzte man die ursprüngliche Hofkapelle 1756 durch das heutige Kirchlein im Rokokostil. Die Wendelinswallfahrt begann am 20. Oktober und dauerte eine Woche. Pilger aus Baden und dem Elsass kamen. Ein Chronist aus dem nahen Ebersweier schrieb im 18. Jahrhundert: »Es war fast noch dunkel, als die Gemeinde zur ihrem Gang über Berg und Tal aufbrach. Die Kastanienwälder leuchteten, die Weinberge prangten in malerischen Farben. Die Kinder freuten sich auf ihre Schneckennudel, die Erwachsenen auf neuen Wein.« St. Wendelin war auch für die Tiere ein Ruhetag. Sie mussten nicht arbeiten.
Mit der Herde oder lieber allein?
Seit 1949 findet jeweils am Sonntag nach St. Wendelin (20. Oktober) von Nußbach aus eine Pferdeprozession statt. Es folgt eine Pferdesegnung auf St. Wendel. Um die Kapelle zu erreichen, muss man nicht mit der »Herde« laufen. Weit reizvoller ist der Weg von Bottenau aus durch die Weinberge und Kastanienwälder, welcher der eigentlichen Prozession entgegenläuft.
Der Weg ist das Ziel
Wer über die Bundesstraße 28 anreist, kommt hinter Oberkirch an eine Abzweigung, die über die badische Weinstraße nach Durbach führt. Dort biegt er ab und fährt durch den langgezogenen Weinort Bottenau. Am Ende des Tales gelangt man an eine unübersichtliche Bergkuppe. Schon aus einer Entfernung von 150 Meter ist links »Brandstetters Kapelle« am Eingang vom Hummelswald zu sehen. Neben der renovierten Kapelle ist ein Parkplatz angelegt. Wir gehen zurück, überqueren die Durchgangsstraße und folgen der Beschilderung »Schloss Staufenberg«. Nach 150 Meter taucht der Weg in den Mischwald ein. 200 Meter weiter erreichen wir die Beschilderung »Stollenwald-Hölzle«. Rechts ab erreichen wir St. Wendel nach vier Kilometern. Die Strecke führt über sanfte Steigungen und Gefälle und eignet sich für heiße Tage.
Reizvoller Umweg
Weit reizvoller ist es, am Schild links ab durch eine Hohlgasse in Richtung Schloss zu gehen. Diese Variante ist 500 Meter länger. Nach 200 Meter erreichen wir den Waldausgang. Geradeaus ist Schloss Staufenberg zu sehen. Wir gehen rechts ab. Links unten wächst Wein, rechts an der Böschung Besenginster, im Volksmund »Pfrimme«. Mit dem Pfrimmebesen wird der Backofen ausgekehrt. Zu jedem Hof gehört ein Backofen, meist aus Lehm gebaut, oder ein Backhaus. Im Tal ist der Weinort Durbach zu sehen. Der Weg steigt an. 150 Meter nach der Beschilderung »Ehem. Stollenburg, St. Wendel 3,8 km« endet die Steigung.
Blick bis zum Straßburger Münster
An dieser Waldecke haben wir eine prächtige Aussicht über die Rheinebene. Bei klarem Wetter sehen wir das Straßburger Münster, dessen Turm wie ein mahnender Zeigefinger aufragt. An dieser Stelle gehen wir rechts ab. Am Ende des Gefälles erreichen wir einen Querweg. Am Schild »Stollenwald, St. Wendel 3 km« gehen wir rechts ab.
Spitze Stacheln
Wir begegnen Familien beim Kastaniensammeln. Die Esskastanien befinden sich im Innern eines mit spitzen Stacheln umgebenen Fruchtbechers. Bei der Reife springt diese Hülle auf, wobei die Früchte herausfallen. Die prächtigsten Exemplare liegen abseits des Weges. Links unten ist das Illental. Von Nußbach her ist die Musikkapelle zu hören. Der ebene Weg geht in eine bewaldete Hohlgasse über. Es geht abwärts bis wir eine Wegkreuzung mit offener Wetterschutzhütte erreichen. Hier mündet von rechts die kurze Wegvariante, abzweigend vom Schild vom Schild »Stollenwald-Hölzle«, ein. Wie das Schild »Schwarzes Kreuz« verrät sind es nach St. Wendel noch 2,5 Kilometer. Am schwarzen Kreuz gehen wir links vorbei.
Durch die Reben
Der ebene Weg ist zunächst von Reben gesäumt und geht in eine Steigung mit »Eichbosch« über. Nach einer Kuppe taucht der Weg in ein bewaldetes Gefälle ein. Das Schild »Hohrank, St. Wendel 1,8 km« schickt uns geradeaus. Am Waldausgang lenkt uns die Tafel »Rohrbacher Eck, St. Wendel 1,4 km« weiter geradeaus. Rechts unten sehen wir Bottenau. Nach dem »Fichtenbuckel, St. Wendel 1,2 km« folgt eine Steigung mit einem kurzen Asphaltabschnitt. Auf dem Hügel steht eine kleine Rebkapelle. Danach taucht der Weg nach links in eine bewaldete Hohlgasse ein. Wer an dieser Stelle geradeaus geht, trifft nach 500 Meter bei der Wendelinskapelle ein.
INFO
Die Pferdeprozession von Oberkirch-Nußbach nach St. Wendel beginnt am 23. Oktober 2022 um 14 Uhr. Aufstellung ist um 13.30 Uhr bei der Kronguthalle. Sie wird von der Musikkapelle Bottenau begleitet. Um 15 Uhr folgt die Wallfahrtsfeier mit Predigt sowie Pferde- und Reitersegnung auf St. Wendel.
Die beschriebene Wanderung beginnt in den Bottenauer Weinbergen und läuft über einen Wallfahrerpfad der Prozession entgegen. Spätestens gegen 12.30 Uhr sollte man sich mit festem Schuhwerk auf den Weg machen. Um einen guten Aussichtspunkt zu finden, geht man am St. Wendel-Kirchlein vorbei in Richtung Nußbach. Man postiert sich auf der Wegböschung 500 Meter unterhalb des Kirchleins.