Die Grunderwerbsteuer entsteht nicht nur bei Grundstücksverkäufen, sondern auch bei maßgeblichen Veränderungen in der Beteiligungsstruktur von Gesellschaften mit Grundstückseigentum.
Grunderwerbsteuerrecht vor dem 1.7.2021
Bei Kapitalgesellschaf- ten fiel bis zum 1.7.2021 nur Grunderwerbsteuer an, wenn ein Gesellschafter mindestens 95 % der Anteile in seiner Hand vereinigte.
Bei Personengesellschaften fiel bis zum 1.7.2021 Grunderwerbsteuer an, wenn innerhalb von fünf Jahren 95 % der Anteile auf neue Gesellschafter übergegangen waren oder sich (außerhalb der Fünfjahresfrist) mindestens 95 % der Anteile in einer Hand ver einigten.
Unerwünschte »Club- Deal-Gestaltungen«
Bei Kapitalgesellschaften konnte somit Grunderwerbsteuer vermieden werden, wenn ein Investor nur 94,9 % der Anteile und ein Co.-Investor die übrigen 5,1 % der Gesellschaft erwarb (sogenannter »Club-Deal«).
Namhafte Beispiele für derartige Transaktionen sind der Verkauf des Berliner Sony-Centers für 1,1 Mrd. Euro, des Frankfurter Hochhauses »Trianon« für 670 Mio. Euro sowie des Frankfurter Eurotowers für 480 Mio. Euro. Bei einem Grunderwerbsteuersatz von 6 % in Berlin und Hessen konnten allein bei diesen drei Transaktionen 135 Mio. Euro Grunderwerbsteuer umgangen werden. Das hessische Finanzmini sterium schätzt den jährlichen Steuerausfall aufgrund solcher Gestaltungen auf eine Milliarde Euro.
Gesetzesänderung zum 1.7.2021
Diese »Club-Deals« waren ein Dorn im Auge der Politik und der Öffentlichkeit. Denn ein Normalbürger hat bei dem Erwerb einer zu eigenen Wohnzwecken genutzten Immobilie keinerlei Umgehungsmöglichkeiten.
Um diese ungewollten Steuergestaltungen zu stoppen, erging das »Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes« (BGBl. I 21, 986) mit Wirkung zum 1.7.2021.
Die Gesetzesänderung enthielt folgende Verschärfungen: Zum einen wurde die 95 % Grenze auf 90 % gesenkt und zum anderen wurde der Fünfjahreszeitraum auf zehn Jahre verlängert. Des Weiteren fällt auch bei Kapitalgesellschaften seit-her Grunderwerbsteuer an, wenn innerhalb von zehn Jahren mindestens 90 % der Anteile auf neue Gesellschafter übergehen.
Auswirkungen der Gesetzesänderung
Der mit der Gesetzesänderung anvisierte »Club-Deal« ist nicht mehr möglich, da bei einer solchen Gestaltung 100 % der Anteile auf neue Gesellschafter übertragen werden und somit künftig Grunderwerbsteuer ausgelöst wird.
Grunderwerbsteuer lässt sich aber weiterhin vermeiden, wenn ein Investor nur 89,9 % der Anteile erwirbt und ein bereits seit zehn Jahren beteiligter Gesellschafter oder Gründungsgesellschafter mit mindestens 10,1 % zehn weitere Jahre unverändert an der Gesellschaft beteiligt bleibt. Zudem kann der Anfall von Grunderwerbsteuer weitestgehend vermieden werden, wenn der Grundbesitz vor der Anteilsübertragung in eine Tochter-Personengesellschaft eingebracht wird.
Durch die Gesetzesänderung werden die ungewollten Gestaltungen somit nicht per se von der Grunderwerbsteuer erfasst, sondern aufgrund steigender Transaktionskosten nur erschwert. Die Relevanz der Transaktionskosten nimmt jedoch mit steigendem Investitionsvolumen ab, weshalb sich die Gestaltungen bei hochpreisigen Immobilien weiterhin lohnen.
Die Gesetzesverschärfung ist nicht auf Grundstücks gesellschaften beschränkt, weshalb jede operative Gesellschaft mit Betriebsgrundstücken davon potenziell betroffen wird.
Gewöhnliche, nicht-missbräuchliche Anteilsübertragungen (z. B. bei Familienunternehmen) und Umstrukturierungen werden zukünftig häufiger Grunderwerbsteuer auslösen. Dies liegt unter anderem an der unzureichenden Integration der Gesetzesänderung in das bestehende Regelungsgefüge.
Des Weiteren wird der Verwaltungsaufwand durch die Verlängerung des Jahreszeit raums von fünf auf zehn Jahre deutlich höher.
Das Grunderwerbsteuergesetz wird somit noch komplexer und erfordert umso mehr professionelle Beratung, da andernfalls eine unerwartete Belastung mit Grunderwerbsteuer drohen kann.