<\/div>\n\n
Ein Umzug hat sie zu dieser nun wahrlich nicht allt\u00e4glichen T\u00e4tigkeit gef\u00fchrt. \u00bbFr\u00fcher habe ich als Selbstst\u00e4ndige \u00fcberwiegend f\u00fcr\u2019s Theater gearbeitet\u00ab, lacht die geb\u00fcrtige Hessin ihr fr\u00f6hlich-offenes Lachen, \u00bbunter anderem f\u00fcr die \u00bbAlte Oper\u00ab in Frankfurt \u2013 aber auch f\u00fcr eine Seilartistik-Gruppe. Da ist es dann wichtig, wie die Kleidung auch von unten gesehen wirkt.\u00ab
\nIn die hiesige Region \u2013 zun\u00e4chst nach Prinzbach \u2013 zog sie mit ihrem Mann und damals noch nicht schulpflichtigen Kindern, \u00bbweil ich so eine begeisterte Skifahrerin bin.\u00ab Bald lie\u00df das Gengenbacher Kloster \u00fcber die Messnerin bei ihr anfragen, ob sie Interesse an der Stelle einer freigewordenen Stelle in der Paramentenn\u00e4herei und -stickerei habe. Paramente \u2013 das sind Textilien, die in Kirchenraum und Gottesdienst verwendet werden.<\/p>\n
Die heute 53-J\u00e4hrige war sich zun\u00e4chst nicht sicher, \u00bbob ich das kann.\u00ab Doch sie konnte. Und was die sowohl im Handwerk als auch in der Industrie Ausgebildete nicht konnte, das lernte sie unter der Obhut von Ordensschwester Roswitha. \u00bbSie war meine Chefin\u00ab, in Kastens\u2019 Stimme schwingt tiefer, warmer Respekt. \u00dcberall hin habe das Gengenbacher Kloster geliefert, erinnert sie sich. Sie selbst hat beispielsweise eine Mitra f\u00fcr den Erzbischof gen\u00e4ht, \u00bbvon Schwester Viola bestickt\u00ab, und auch ein Papstgewand f\u00fcr Benedikt XVI. entstand in ihren H\u00e4nden, ebenfalls von Ordensschwestern prachtvoll bestickt.<\/p>\n
Im Dezember 2017 musste die Gengenbacher Klosterwerkstatt aus Alters- und Krankheitsgr\u00fcnden der dort t\u00e4tigen Ordensschwestern schlie\u00dfen. So wie zuvor bereits andernorts.<\/p>\n
\u00bbDeswegen gibt es hier jetzt weit und breit niemanden mehr, der dieses Handwerk aus\u00fcbt\u00ab, wei\u00df Kastens.<\/p>\n
V\u00f6llig verzugs- und faltenfrei<\/h3>\n
Als sie sich nach dem Kloster-Aus mit einem Schneideratelier in Biberach selbstst\u00e4ndig machte, wurde sie daher erneut gefragt. Diesmal direkt. Und zwar von Priestern und GemeindereferentInnen \u2013 in der Hoffnung, dass sie auch weiterhin Kleidung f\u00fcr die Diener Gottes n\u00e4he: Tuniken f\u00fcr ReferentInnen, Gew\u00e4nder f\u00fcr Priester.<\/p>\n
So wie das eingangs erw\u00e4hnte gr\u00fcne Gewand aus schwerer, handgewebter Seide. Kn\u00f6chellang und 1,60 Meter breit. Aus d\u00fcnnerer, sehr glatter Seide besteht das Innenfutter, und alles liegt wie angegossen aufeinander, v\u00f6llig verzugs- und faltenfrei. Im vergangenen Mai hatte die Wahlbiberacherin dieses Kunstst\u00fcck in Arbeit, zwischen anderem Ma\u00dfgeschneidertem wie Hochzeitskleid, Kommunionskleidung, elegantem Damenkleid, Herrenanzug, Dirndl und und.<\/p>\n
\u00bbIch bin mit meiner N\u00e4hmaschine verwachsen\u00ab, lacht Katja Kastens. F\u00fcr das Priestergewand jedoch kam das Ger\u00e4t bei lediglich drei Arbeitsschritten zum Einsatz. Zum Vers\u00e4ubern der sp\u00e4ter nicht mehr sichtbaren R\u00e4nder des Oberstoffs, \u00bbdamit der nicht ausfranst.\u00ab Zum Verbinden der Schultern\u00e4hte, \u00bbwegen der Stabilit\u00e4t\u00ab. Und zum Aufbringen der gestickten Applikation, \u00bbweil ich das Sticken nicht gelernt habe\u00ab \u2013 wobei der Laie schauen mag, wie er will: Die Maschinenstiche sind derart geschickt gesetzt, dass sie in der Stickerei nicht auffallen.<\/p>\n
M\u00f6glichst unsichtbar gesetzte N\u00e4hte<\/h3>\n
Das gleiche Ma\u00df m\u00f6glichst unsichtbarer handwerklicher Spuren gilt f\u00fcr all die meterlangen N\u00e4hte. \u00bbJe weniger sichtbar sie sind, desto wertvoller ist das Gewand, in das der Priester sich zu Ehren Gottes kleidet.\u00ab Unabl\u00e4ssig wird die Nadel hierf\u00fcr durch den Stoff gesto\u00dfen, der Faden hindurch gezogen. Mit mal mehr, mal weniger Kraftaufwand. Doch immer mit h\u00f6chstem Geschick. Und mit dem guten alten Fingerhut aus Uromas Zeiten. \u00bbSo habe ich das auch in meiner handwerklichen Schneiderausbildung gelernt, ohne Fingerhut durften wir gar nicht arbeiten\u00ab: Ohne diesen metallenen Schutz schlie\u00dflich w\u00e4re die nadelsto\u00dfende Kuppe des Mittelfingers im Handumdrehen wund, nicht mehr arbeitstauglich.<\/p>\n
Im Schnitt circa 20 Stunden ben\u00f6tigt Katja Kastens, \u00bbbis so ein Messgewand fertig ist\u00ab, gem\u00e4\u00df den jeweils individuellen W\u00fcnschen der Gottesdiener. Das beginnt mit dem Zuschneiden von Oberstoff und Futter. Mithilfe eines gro\u00dfen Schnittmusterbogens, auf dem noch viel gr\u00f6\u00dferen Ess tisch der f\u00fcnfk\u00f6pfigen Familie: V\u00f6llig glatt ausgebreitet muss der Stoff liegen.<\/p>\n
Sind die Stoffkanten dann dort, wo notwendig, gegen das Ausfransen verriegelt, folgt das B\u00fcgeln. \u00bbDas geh\u00f6rt beim N\u00e4hen immer dazu, das ist das A und O\u00ab, so die Fachfrau. Zun\u00e4chst gilt es die Stoff r\u00e4nder zu gl\u00e4tten, \u00bbanschlie\u00dfend b\u00fcgele ich die Nahtzugabe um.\u00ab Einzig nach Augenma\u00df und doch gleichm\u00e4\u00dfig, millimetergenau trotz der enormen L\u00e4ngen, \u00bbdas macht die Erfahrung\u00ab, schmunzelt die Schneidermeisterin.<\/p>\n
H\u00f6chste Pr\u00e4zisionsarbeit<\/h3>\n
Per Hand wird die Nahtzugabe des Oberstoffs nun \u00bbangehext\u00ab, per Hexstich also rundum und von au\u00dfen nicht sichtbar so fixiert, dass die Naht dennoch elastisch ist. Was gerade an den Rundungen eines Gewands wichtig ist. Gleiches gilt f\u00fcr das Futter, das zudem mit dem Oberstoff in gro\u00dfen und doch m\u00f6glichst nicht sichtbaren Stichen verbunden wird: von oben nach unten und \u00fcber die gesamte Breite hinweg, in 25-Zentimeter-Bahnen, \u00bbdamit nichts verrutscht.<\/p>\n
Erst jetzt werden Vorder- und R\u00fcckenteil, bis dato separat gefertigt, an der Schulternaht miteinander verbunden \u2013 mit der N\u00e4hmaschine jedoch nur am Oberstoff. \u00bbDanach lege ich das Gewand mit der Schulternaht \u00fcbers \u00c4rmelbrett und verbinde das Futter an dieser Naht entlang mit der Hand.\u00ab Gleichzeitig wird das Futter dabei am Oberstoff festgen\u00e4ht, \u00bbdamit auch an der Schulternaht nichts verrutschen kann.\u00ab<\/p>\n
H\u00f6chste Pr\u00e4zisionsarbeit ist zudem an der S\u00e4umung des Halsausschnitts gefordert: Hier m\u00fcssen Oberstoff und Futter so eingeschnitten, umgeschlagen, festgesteckt, geheftet, geb\u00fcgelt und dann (nach wie vor m\u00f6glichst unsichtbar) vern\u00e4ht werden, \u00bbdass nichts kn\u00e4ult.\u00ab Ganz zum Schluss \u2013 nat\u00fcrlich nach einer Anprobe zur Festlegung zum Beispiel der endg\u00fcltigen L\u00e4nge \u2013 wird der untere Saum des Gewands gefertigt.<\/p>\n
Ein weiteres Kapitel f\u00fcr sich ist die Fertigung einer das Priestergewand zierenden Stola. Neben Applikationen setzt Katja Kastens hier auch Stoffmalerei ein.<\/p>\n
Handwerk<\/h3>\n
Der fr\u00fcher grunds\u00e4tzlich von M\u00e4nnern ausge\u00fcbte Schneiderberuf entstand im 12. Jahrhundert, als die Kleidung vielf\u00e4ltiger wurde. Die wichtigsten Werkzeuge waren Zuschneideschere, vom Nadler hergestellte Nadeln, vom G\u00fcrtler bezogene Fingerh\u00fcte sowie B\u00fcgeleisen vom Zeugschmied. Zuvor war es die Hausfrau einer Familie, die s\u00e4mtliche Kleidungsst\u00fccke fertigte und ihr Wissen an die T\u00f6chter weitergab.<\/p>\n
Paramente wiederum werden Textilien genannt, die im Kirchenraum und in der Liturgie verwendet werden und oftmals in aufw\u00e4ndigem Ma\u00dfe k\u00fcnstlerisch gestaltet sind \u2013 neben Gew\u00e4ndern auch beispielsweise Teppiche, Beh\u00e4nge und Altart\u00fccher. Erste Altarparamente sind aus dem vierten Jahrhundert nach Christus belegt, ihren H\u00f6hepunkt erlebte die Paramentik im Mittelalter.<\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"
\u00bbDas ist praktisch alles per Hand gen\u00e4ht\u00ab \u2013 achtsam streicht Katja Kastens \u00fcber die zig Meter Stoff, die in Form… weiterlesen<\/a><\/p>\n","protected":false},"author":41,"featured_media":97294,"comment_status":"open","ping_status":"closed","sticky":false,"template":"","format":"standard","meta":[],"categories":[194],"tags":[5842],"institution":[],"coauthors":[2052],"aioseo_notices":[],"_links":{"self":[{"href":"https:\/\/www.schwarzwaelder-post.de\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/97465"}],"collection":[{"href":"https:\/\/www.schwarzwaelder-post.de\/wp-json\/wp\/v2\/posts"}],"about":[{"href":"https:\/\/www.schwarzwaelder-post.de\/wp-json\/wp\/v2\/types\/post"}],"author":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/www.schwarzwaelder-post.de\/wp-json\/wp\/v2\/users\/41"}],"replies":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/www.schwarzwaelder-post.de\/wp-json\/wp\/v2\/comments?post=97465"}],"version-history":[{"count":1,"href":"https:\/\/www.schwarzwaelder-post.de\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/97465\/revisions"}],"predecessor-version":[{"id":97466,"href":"https:\/\/www.schwarzwaelder-post.de\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/97465\/revisions\/97466"}],"wp:featuredmedia":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/www.schwarzwaelder-post.de\/wp-json\/wp\/v2\/media\/97294"}],"wp:attachment":[{"href":"https:\/\/www.schwarzwaelder-post.de\/wp-json\/wp\/v2\/media?parent=97465"}],"wp:term":[{"taxonomy":"category","embeddable":true,"href":"https:\/\/www.schwarzwaelder-post.de\/wp-json\/wp\/v2\/categories?post=97465"},{"taxonomy":"post_tag","embeddable":true,"href":"https:\/\/www.schwarzwaelder-post.de\/wp-json\/wp\/v2\/tags?post=97465"},{"taxonomy":"institution","embeddable":true,"href":"https:\/\/www.schwarzwaelder-post.de\/wp-json\/wp\/v2\/institution?post=97465"},{"taxonomy":"author","embeddable":true,"href":"https:\/\/www.schwarzwaelder-post.de\/wp-json\/wp\/v2\/coauthors?post=97465"}],"curies":[{"name":"wp","href":"https:\/\/api.w.org\/{rel}","templated":true}]}}