Gottfried Zurbr\u00fcgg ist pensionierter Lehrer, Buchautor \u2013 und Pr\u00e4dikant. Bei seinen Eins\u00e4tzen in Kirchengemeinden in Mitteldeutschland lernt Gottfried Zurbr\u00fcgg viele Menschen und besondere Orte kennen. Seine Erlebnisse teilt er gerne mit den Lesern der \u00bbSchwarzw\u00e4lder Post\u00ab. Er schreibt …<\/strong><\/p>\n <\/p>\n F\u00fcr 14 Tage bin ich erneut in den Osten gereist, um einen Dienst zu \u00fcbernehmen. Diesmal bin ich nur bis zur Elbe gekommen. Dort ist das gro\u00dfe Kloster Jerichow mein Ziel. Die Pfarrerin ist im Urlaub und ich \u00fcbernehme seelsorgerliche Gespr\u00e4che, die t\u00e4glichen Andachten morgens, mittags und abends im Kloster und auch die sonnt\u00e4glichen Gottesdienste oder Andachten mit Gruppen, die das Kloster besichtigen.<\/p>\n Seit 1140 steht hier das Kloster. Von hier aus missionierten die M\u00f6nche die Slawen im Gefolge der kaiserlichen Truppen von Otto I., der das Land bis zur Oder in Besitz nahm. Die Wenden und Sorben, die slawischen St\u00e4mme, wurden unterworfen und nahmen das Christentum an. In jedem neu gegr\u00fcndeten Dorf wurde eine Feldsteinkirche gebaut, die es heute noch gibt. Die Sorben konnten ihre Sprache und ihre Traditionen bis in die heutige Zeit bewahren.<\/p>\n Das Kloster Jerichow spielte eine gro\u00dfe Rolle. Die M\u00f6nche nannten ihr Kloster nach der \u00e4ltesten Stadt im Heiligen Land Jericho. Das war die erste Stadt, die die Israeliten bei ihrer Landnahme eroberten. Mit Pauken und Trompeten fielen die Mauern ein! Vielleicht haben die M\u00f6nche daran gedacht und auch hier an der Elbe f\u00fcr Jesus Christus das Land gewinnen wollen. Nat\u00fcrlich schrieben sie den Ortsnamen, wie es hier \u00fcblich ist: Jerichow, im alten Land bei Magdeburg.<\/p>\n Heute ist Sonntag und ich habe das erste Mal Gottesdienst in der gro\u00dfen Klosterkirche. In der Nacht hat es tats\u00e4chlich seit Wochen das erste Mal wieder geregnet und es ist nicht schon am Morgen so dr\u00fcckend hei\u00df.<\/p>\n Gottesdienst in einer unbekannten Kirche und das ohne Orgel! Wie gut, dass ich einen Kirchenschl\u00fcssel habe und mich einsingen kann. Danke an Pfarrer Monninger und seinen Kirchenchor! Ohne die w\u00f6chentlichen \u00dcbungen h\u00e4tte ich hier keine Chance. Aber so nehme ich den gro\u00dfen Schl\u00fcssel und \u00f6ffne die Kirchent\u00fcr. Ich komme mir vor wie Lehrer L\u00e4mpel von Wilhelm Busch, der morgens seine Noten und den gro\u00dfen Kirchenschl\u00fcssel nimmt und zur Kirche zum Dienst eilt. Hier an der Elbe ist die Zeit ein bisschen zur\u00fcckgestellt. Man erlebt vieles noch so, wie bei uns vor rund 50 Jahren. Bismarck soll einmal gesagt haben: \u00bbWenn die Welt untergeht, gehe ich nach Pommern. Die merken das erst 50 Jahre sp\u00e4ter.\u00ab Nein, hier ist man lange in der Moderne angekommen und auch hier fahren Tag und Nacht Laster durch die Hauptstra\u00dfe wie im Kinzigtal, aber das eine oder andere ist eben noch wie fr\u00fcher und das tut gut.<\/p>\n Der gro\u00dfe Innenraum hat eine wunderbare Akustik und ich kann es kaum erwarten, dort zu singen. Zuerst kommt ein Kr\u00e4chzen aus meinem Mund und ich merke, wie wichtig es ist, zuerst den Kehlkopf von Staub und Alltag zu befreien. Unsere Stimm\u00fcbungen fallen mir ein und sie helfen sehr. Schon bald klingt das Kyrie besser. Unser Organist Staiger singt es in Zell besser, aber ich glaube, damit kann ich mich sehen lassen.<\/p>\n Wie viel Leute werden kommen? Zugesagt haben etwa zehn Personen und das in einer gro\u00dfen Kirche mit rund 100 Sitzpl\u00e4tzen in dem einen Raum. Das Gew\u00f6lbe ist riesig. Es gibt eine Krypta aus dem 12. Jahrhundert, einen gro\u00dfen Chorraum gebaut 1400 und unseren Gottesdienst\u00adraum aus dem 10. Jahrhundert. Seit tausend Jahren erklingen hier Lieder und Ges\u00e4nge! Von den hohen Mauern klingen meine Lieder wieder. Erstaunlich, aber auch der Raum singt sich ein. Zuerst hallt ein Echo von den hohen W\u00e4nden und ich habe Schwierigkeiten, zu singen und zu sprechen, ohne vom Echo gest\u00f6rt zu werden, aber dann ordnet sich der Raum meinem Gesang unter. Das Echo schw\u00e4cht sich ab und die Mauern verst\u00e4rken meinen Gesang. Unglaublich, aber die Mauern singen mit und ich sp\u00fcre, wie sie
\nden Schall aufnehmen und wiedergeben. Welch ein Meisterwerk der Baukunst, ohne Mikrophon und Technik.<\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"